Warum die Sommerhitze für schlechte Luft in unseren Räumen sorgt
Wir alle freuen uns auf den Sommer. Doch die heißen Tage können die Innenraumluftqualität ganz schön belasten. Warum das so ist, welche gesundheitlichen Folgen die Schadstoffe haben können und wie man sie verhindert, erklärt Peter Bachmann von Sentinel Haus. Er ist Experte für gesundes Wohnen und gibt im nachfolgenden Interview Antworten auf die häufigsten Fragen.
01.07.2021
Je heißer es ist, umso höher sind die Emissionen von Schadstoffen aus Bau- und Einrichtungsprodukten. Können Sie das Phänomen genau erklären und was bedeutet das für die Qualität unserer Innenraumluft.
Peter Bachmann: Viele Schadstoffe aus Baustoffen, Möbeln und Raumausstattungen stammen aus der Gruppe der flüchtigen organischen Verbindungen, kurz VOC. Umgangssprachlich sind das Lösemittel. Viele verdampfen schon bei relativ niedrigen Temperaturen. Dabei setzen sie Emissionen frei. Je höher die Raumtemperatur, umso stärker gehen die Schadstoffe in einen gasförmigen Zustand über und belasten die Raumluft.
Welche gesundheitlichen Folgen kann eine solche Belastung mit sich bringen?
Bachmann: Das hängt von der Konzentration, der Dauer des Aufenthalts und dem jeweiligen Einzelstoff ab. Manche sind hochgiftig, manche harmlos. Üblich sind Reizungen der Schleimhäute, der Augen, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Unwohlsein. Die Stoffe können aber auch Allergien auslösen oder verstärken, zum Beispiel Asthma. Bei langer Exposition und hohen Konzentrationen kann eine Krebserkrankung drohen.
Welche häufigen Schadstoffquellen gibt es und was wird genau freigesetzt?
Bachmann: Die Quellen sind vielfältig und reichen von Wand- und Bodenbelägen, über Holzwerkstoffe sowie Farben, Lacken, Wachsen und Ölen bis hin zu Abdichtungsmaterialien und Klebern. Auch Möbel und Wohntextilien können Schadstoffe an die Raumluft abgeben. Die jeweiligen Stoffe sind sehr spezifisch. Lösemittel bestehen aus mehreren hundert Einzelstoffen. Häufig vertreten sind Aldehyde, zum Beispiel Formaldehyd.
Riecht man die Schadstoffe oder wie kommt man ihnen auf die Schliche?
Bachmann: Manchmal riecht man die Stoffe, aber nicht immer. Wenn das der Fall ist, sollte man das Produkt lieber im Laden lassen oder zurückschicken. Oft ist das aber nicht mehr möglich, zum Beispiel bei einem verlegten Bodenbelag. Hilfreich sind Sensoren für die Raumluftqualität. Diese messen zum Beispiel Kohlendioxid und Lösemittel und sagen, wann es Zeit zum Lüften ist. Geht es um exakte Werte für einzelne Stoffe und eine Beweisführung, hilft eine Raumluftmessung. Die macht zum Beispiel das Sentinel Haus Institut. Wird eine Belastung festgestellt, kann man warten, ob sich die Schadstoffe durch reichliches Lüften teilweise verflüchtigen. Wenn nicht, muss man die Quelle beseitigen.
Welche Maßnahmen und Technologien empfehlen Sie, um dagegen vorzugehen?
Bachmann: Lassen Sie es gar nicht so weit kommen, dass Schadstoffe ihr Wohlbefinden belasten. Mit dem Sentinel Portal bieten wir eine frei zugängliche Onlineplattform mit tausenden gesundheitsgeprüften Bau- und Reinigungsprodukten an. Da finden Privatleute, aber auch Bauprofis sichere Produkte von Markenherstellern für jedes Gewerk.
Die zweite Maßnahme ist ein Raumluftreiniger mit entsprechender Messelektronik. Dabei empfehle ich die Luftreiniger von Dyson. Beispielsweise den Dyson Purifier Cool Formaldehyde welcher ultrafeinen Staub und Allergene erfasst und sogar flüchtige organische Verbindungen, einschließlich Formaldehyd zerstört.
Solche Luftreiniger wachen im Alltag über die Luftqualität und filtert die Schadstoffe aus dem Innenraum. Insbesondere an viel befahrenen Strassen, bei einer hohen Pollenbelastung, nicht nur für Allergiker, oder wenn man einfach mal wieder richtig gut durchatmen will.
Gut ist auch, die Raumtemperatur im Sommer niedrig zu halten. Durch intensives Lüften in der Nacht, Verschattung am Tag und geschlossene Fenster. In dieser Situation leistet ein Raumluftreiniger ebenfalls gute Dienste. Wer baut oder saniert, sollte auf eine gute Luftdichtung der Gebäudehülle achten, damit keine warme Aussenluft in den Wohnraum dringt. Zum Beispiel im Dachgeschoss.
Fünftens: Wer baut oder saniert findet bei uns Anbieter, die das sicher wohngesund tun. Alternativ findet man auf unserer Website kostenlos Kriterien, die man mit seinem Architekten oder Hausanbieter vertraglich vereinbaren sollte. Dann weiss jeder der Beteiligten, was gefordert ist und welche Anforderungen gelten. Unsere Kriterien richten sich nach den Empfehlungswerten des Umweltbundesamtes und der Weltgesundheitsorganisation, teilweise sind sie sogar strenger.
Im Frühling und Sommer schlüpfen zudem viele in die Handwerkerhosen und verschönern ihr Zuhause. Es werden neue Böden verlegt, Wände gestrichen oder tapeziert oder neue Möbel fürs Kinderzimmer gekauft. Kann man sich dabei potenzielle Wohngifte ins Haus holen?
Bachmann: Ja! Das muss aber nicht sein. Immer mehr Fachhändler und Baumärkte führen gesundheitsgeprüfte Produkte. Einige typische Heimwerkerprodukte haben wir unter dem Titel „WELL-Ness für die Wohnung“ in unserer Themenwelt zusammengestellt.
Können Sie uns Beispiele dazu nennen?
Bachmann: Das können neben den oben geschilderten Schadstoffquellen zum Beispiel Holzöle und –wachse sein, mit denen Massivholzmöbel gerne behandelt werden. Öko, sprich Rohstoffe aus der Natur, ist aber nicht automatisch gesund. Auch hier braucht es eine unabhängige Kontrolle. Oder ein Spielteppich, der mit Lösemitteln belastet ist. Weichmacher aus PVC-Belägen oder Spielzeug haben Auswirkungen auf das Hormonsystem. Die Liste ist extrem lang. Da hilft auch ein Blick in unsere Themenwelten.
Oft sind wir es aber auch selbst, die Schadstoffe ins Haus bringen: Etwa Feinstaub durch schlechte Staubsauger oder einen Kaminofen. Duftkerzen und Duftöle, überreichliche Kosmetik, ein billiger Katzenbaum oder die extrem belastenden Zimmerkamine mit Ethanol sind weitere Beispiele.