Natürlicher Sonnenschutz für Parkett und Möbel
Damit Holz nicht vorzeitig altert, ist es wichtig, es vor UV-Strahlung zu schützen. Zugleich sollen Optik und Haptik der Holzoberfläche erhalten bleiben. Transparente Schutzlacke, die im Handel erhältlich sind, enthalten allerdings oft gesundheitsschädliche chemische Verbindungen. Um den Einsatz dieser Stoffe zu vermeiden, entwickelt das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV gemeinsam mit der Naturhaus Naturfarben GmbH eine Formel für einen transparenten und zu 100 Prozent biobasierten UV-Holzschutz.
14.05.2024
Offene Architekturen mit Glasfassaden und großen Fensterfronten, die viel natürliches Licht ins Haus lassen, erfreuen sich großer Beliebtheit – genau wie der Wunsch nach ökologischem und naturnahem Wohnen. Wenn es um den Schutz von Holzoberflächen im Innenraum geht, lassen sich beide Bedürfnisse bisher allerdings nur schlecht vereinen: Ohne Beschichtung kann UV-Licht der Wellenlängen 330 bis 380 Nanometer mit Holzoberflächen interagieren und durch Photooxidation zu Verfärbungen und Schäden führen. Doch die derzeit auf dem Markt erhältlichen transparenten Schutzlacke enthalten als UV-Blocker chemische Additive wie etwa Benzophenone, Benzotriazole oder Phenyltriazinderivate, die gesundheitsbedenklich sind. Besonders kritisch dabei ist, dass diese flüchtigen Substanzen über die Atmung direkt in den Körper gelangen können, etwa während des Trocknungsvorgangs. Bisher sind alle biobasierten Alternativen zum Schutz von Holz vor der Alterung durch Sonnenlicht farbig und damit lichtundurchlässig.
Proteine für die Bindung, Pflanzenextrakte für den UV-Schutz
Vor diesem Hintergrund entstand in der Zusammenarbeit zwischen dem Fraunhofer IVV und der Naturhaus Naturfarben GmbH die Idee, eine Lösung für dieses Problem zu entwickeln. Mit dem Auftrag, geeignete pflanzliche Komponenten für eine natürliche Holzbeschichtung zu finden, welche das Material vor UV-Strahlung schützt und gleichzeitig dessen Struktur sichtbar lässt, begann am Fraunhofer IVV 2021 die Arbeit im Projekt „ProTann“. Dafür erschlossen sich die Wissenschaftler:innen einen komplett neuen Forschungsbereich: „Zur natürlichen Bindung in Beschichtungssystemen nutzen wir am Fraunhofer IVV schon seit Längerem sehr erfolgreich Proteine“, erzählt Melanie Platzer, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Verfahrensentwicklung Pflanzliche Rohstoffe. „Neu für uns war die Kombination mit sekundären Pflanzenstoffen, die als UV-Schutz für einen wasserbasierten Lack dienen sollten.“ Eines der Projektziele bestand dementsprechend darin, die entstehende Vernetzung zwischen Proteinen und sekundären Pflanzenstoffen im Lack herauszuarbeiten und letztlich dafür zu sorgen, dass sich die beiden Substanzen fest miteinander verbinden.
Herausfordernder Entwicklungsprozess
Der Entwicklungsprozess für den Lack war mehrstufig angelegt. Zunächst testeten die Forschenden ihre erste Formulierungsidee, die auf einem Vorprojekt am Fraunhofer IVV aufbaute, mit mehreren Proteinen, etwa aus Erbsen oder Soja. Melanie Platzer: „Entscheidend für uns war in dieser Phase: Haftet die entstehende Beschichtung auf Holz? Zieht sie ein? Und kann man sie abziehen, damit die UV-blockende Wirkung überhaupt gemessen werden kann?“ Anschließend wählte das Projektteam zwei Proteine aus und mischte verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe bei, die einen guten Schutz vor UV-Strahlung bieten. Eine Herausforderung dabei stellte unter anderem der pH-Bereich dar, denn Holzlacke müssen einen bestimmten pH-Wert aufweisen, um das Material zu schonen. Auch die Zugabe der Pflanzenextrakte selbst war ein entscheidender Punkt für das Forschungsteam, da vorab kaum vorherzusehen war, wie gut sich die unterschiedlichen Extrakte lösen, ob sie mit den Proteinen interagieren und wie sich im gesamten Prozess die Färbung der entstehenden Beschichtung verändern würde.
Welche Zusammensetzung ist am besten geeignet?
Während der etwa zweijährigen Projektlaufzeit erprobten die Wissenschaftler:innen viele Kombinationen und arbeiteten auch mit Mischungen unterschiedlicher sekundärer Pflanzenstoffe sehr erfolgreich: „Letztlich hatten wir viele Treffer, was mögliche Protein-Additiv-Kombinationen für den UV-Schutzlack anging, und konnten uns der Frage widmen, welche Formulierung sinnvoll ist, wenn man in Richtung Produktion denkt – auch was die Regionalität und Verfügbarkeit der verwendeten Rohstoffe angeht“, fasst Melanie Platzer zusammen. „Wo es möglich ist, beziehen wir in unsere Entwicklungsarbeit Reste aus der Agrar- und Lebensmittelindustrie mit ein, etwa Schalen aus der Apfelsaftherstellung oder Trester aus der Weinproduktion.“ Unbedenklich sind die gefundenen Optionen allesamt: Der direkte Kontakt oder das Einatmen schaden weder Mensch noch Tier.
Weiterentwicklung nicht nur für den Holzschutz
Die ausgewählte Modellformel befindet sich nun in der Weiterentwicklung bei der Naturhaus Naturfarben GmbH. Ziel ist es, die Zusammensetzung so anzupassen, dass sie in größerem Maßstab hergestellt werden kann, um letztlich einen neuen Markt im Bereich der natürlichen Holzschutzmittel zu erschließen. In der Anwendung könnte die wasserbasierte Formel dann in mehreren Schichten aufgetragen und durch einen weiteren Naturlack versiegelt werden, um langanhaltenden Schutz für Parkett und Möbel zu bieten. Um die Vielzahl der Forschungsergebnisse aus Pro-Tann weiterzuentwickeln und ihr Potenzial zu erschließen, wurde am Fraunhofer IVV bereits ein Folgeprojekt angestoßen: Weitere Anwendungsmöglichkeiten der UV-abweisenden Protein-Pflanzenstoff-Kombinationen könnten beispielsweise in der Verpackungsbeschichtung oder auch im Hautschutz liegen.