Die CSR-Schwärmerei endet an der Kasse
38 Prozent wünschen sich in Deutschland mehr zertifizierte Kaffee-Produkte im Regal. Die Deutschen sind im internationalen Vergleich aber am wenigsten bereit, einen Aufschlag für verantwortungsbewusste Produktion von Kaffee zu zahlen. Immerhin: Umwelt- und Nachhaltigkeitssiegel haben hohe Glaubwürdigkeit, obwohl die Standards dieser Zertifizierungen beim Verbraucher kaum bekannt sind.
23.08.2019
Der neue CSR-KOMPASS des Marktforschungs- und strategischen Beratungsunternehmens smartcon GmbH und der CSR-Beratungsagentur KESSLER! Kommunikationsberatung beleuchtet die Einstellungen zu Nachhaltigkeitsthemen bei Kaffee-Konsumenten im internationalen Vergleich: Deutschland, Großbritannien, Italien und USA. Für 73 Prozent der deutschen Verbraucher ist verantwortungsbewusste Produktion von Kaffee ein wichtiges Anliegen, und 62 Prozent sind der Ansicht, dies rechtfertigt grundsätzlich auch einen höheren Preis. Wenn es aber um den eigenen Geldbeutel geht, sind die Deutschen mit 23 Prozent im internationalen Vergleich am wenigsten bereit, einen Aufschlag für nachhaltig produzierten Kaffee zu zahlen.
Ähnliche Ergebnisse hat auch der CSR-KOMPASS zum Thema Schokolade 2018 gezeigt. Nur eine kleine Gruppe von neun Prozent in der Bevölkerung, die sogenannten „CSR-Enthusiasten“, gibt dem Thema Nachhaltigkeit einen so hohen Stellenwert, dass sie eine erhöhte Zahlungsbereitschaft beim Kauf nachhaltiger Süßwaren an den Tag legt. Die größte Gruppe (36 Prozent) waren die „politisch korrekten“, die zwar auf Nachfrage CSR-Themen als wichtig erachten, allerdings bleibt es bei ihnen bei einer romantischen „CSR-Schwärmerei“ und führt kaum zu einer Steigerung der Zahlungsbereitschaft.
Schlüssige CSR konforme Produktinnovationen
„Ob nun Schokolade oder Kaffee, am Regal führen mehrheitlich Preis, Marke und Geschmack die Hand des Verbrauchers. CSR-Themen sind zwar in allen Schichten der Bevölkerung angekommen, haben aber aktuell relativ wenig Einfluss auf die Kaufentscheidung und Zahlungsbereitschaft. Woran liegt das? Um einen Kaufimpuls auszulösen, reicht es nicht, CSR-Claims aufzukleben – insbesondere dann nicht, wenn Nachhaltigkeit kein integraler Bestandteil des Markenkerns ist. Substanzlose CSR-Claims verpuffen im Marketing-Orbit. Vielmehr braucht es in sich schlüssige CSR konforme Produktinnovationen. Anstatt bestehende Produkte und Marken nur 'grün einzufärben', sollten bestehende Produkt-Ranges mit echten CSR-Innovationen komplementiert werden. Sind diese Innovationen erst einmal im Markt etabliert, stellen sie eine gute Basis dar, um auch die CSR-Konformität bestehender Produkte zu untermauern. Darüber hinaus ist die Consumer Education zu den Standards der Nachhaltigkeitszertifizierungen aktuell nicht ausreichend, und die Wertigkeit der Zertifikate und Labels nicht gelernt. Beim Konsumenten muss aber auch irgendwann einmal ankommen, dass glaubwürdige Zertifizierungen mit hohen Standards nicht zum Nulltarif zu bekommen sind,“ folgert Prof. Dr. Oliver Kaul, Vorsitzender des Academic Board der smartcon GmbH aus den Zahlen der Studie.
„Bei unseren Mitgliedsunternehmen und in der Verbandsarbeit stehen CSR-Themen ganz oben auf der Agenda. Gleichermaßen können CSR-Strategien nur dann erfolgreich sein, wenn sie auf den Konsumenten ausgerichtet sind und von diesem wertgeschätzt werden. Für die richtige Strategie bedarf es erst einmal einer dezidierten Kenntnis der Kundenperspektive. Aus diesem Grund führt der Deutsche Kaffeeverband seit Jahren umfangreiche Marktforschungen durch, die auch das Thema Nachhaltigkeit abdecken und unseren Mitgliedern notwendige Informationen zu den Erwartungen und Meinungen der Verbraucherinnen und Verbraucher liefern“, kommentiert Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer Deutscher Kaffeeverband e. V., die vorliegende Studie.
CSR-KOMPASS: Deutsche und Italiener am kritischsten
Nur 41 Prozent der Deutschen, 36 Prozent der Italiener, 50 Prozent der Briten und 54 Prozent der Amerikaner halten die Kaffee-Branche für sozial verantwortlich. 54 Prozent der deutschen Verbraucher und sogar 73 Prozent der Italiener sind der Meinung, die Kaffee-Branche hat bei den Themen der sozialen Verantwortung noch Nachholbedarf. Konkret sorgen sich 62 Prozent der deutschen Verbraucher beim Thema Kaffee um faire Arbeitsbedingungen und 48 Prozent um Aspekte des Umweltschutzes.
Die Studie zeigt, dass verantwortungsbewusste Produktionsbedingungen Haupttreiber für das CSR-Image von Kaffeeherstellern sind, insbesondere Themen wie Kinderarbeit, nachhaltiger Umgang mit Ressourcen und faire Arbeitsbedingungen. Die gängigen vier CSR-Zertifizierungen zeigen in Deutschland eine relativ breite Bekanntheit: 90 Prozent kennen das „Fairtrade“-Label, 69 Prozent „Organics“, 59 Prozent die „Rainforest Alliance“ und 62 Prozent „UTZ“. Fast zwei Drittel halten diese Produkt-Zertifizierungen für vertrauenswürdig, aber gut die Hälfte glaubt auch nicht-zertifizierten Claims. Trotz der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit der Zertifizierungen wissen viele Verbraucher in Deutschland wenig darüber, für welche sozialen und ökologischen Standards die einzelnen Zertifizierungen und Labels stehen. Nur elf Prozent der Verbraucher in Deutschland können den Labels und Zertifizierungen die richtigen Standards zuordnen.
38 Prozent der Verbraucher in Deutschland wünschen sich mehr zertifizierte Kaffee-Produkte im Regal. Ein Ergebnis, das international zu beobachten ist: Auch für 44 Prozent der Italiener, 41 Prozent der Briten und 34 Prozent der Amerikaner sind nicht genügend zertifizierte Kaffee-Produkte im Handel. 61 Prozent vertrauen in Deutschland den bekanntesten Nachhaltigkeitszertifizierungen wie „Fairtrade“, „Organics“, „Rainforest Alliance“ oder „UTZ“. In Italien (74 Prozent), Großbritannien (71 Prozent) und USA (72 Prozent) ist das Vertrauen in diese Siegel noch etwas höher. Am effektivsten erfolgt CSR-Kommunikation auf der Produkt-Verpackung, die als Quelle für CSR-Botschaften neben neutralen Institutionen die größte Glaubwürdigkeit aufweist.