Lebensmittel

Wie viel sind uns unsere Lebensmittel wert?

Wie viel Umwelt kosten Lebensmittel? Zu dieser Frage diskutierten vor Jahresende Experten bei einer parlamentarischen Diskussionsveranstaltung in Berlin. Auf Einladung von Nestlé wurde das Thema dabei aus akademischer, zivilgesellschaftlicher und unternehmerischer Sicht beleuchtet.

05.02.2009

Foto: pixelio.de
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Wie in kaum einem anderen gesellschaftlichen Bereich hat sich in den letzten Jahren das Umweltbewusstsein so stark beim Verbraucher verankert wie bei Lebensmitteln. 72 Prozent der Bundesbürger verlangen, dass bei der Produktion von Nahrungsmitteln auf Nachhaltigkeit gesetzt wird. Das ergab eine aktuelle Umfrage im Auftrag der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft. Doch kann man nachhaltige Qualität in Lebensmitteln wirklich messen? Und wie lässt sich das kommunizieren und gegebenenfalls auch preislich argumentieren? Das waren Fragen, die eine Expertenrunde im Rahmen eines parlamentarischen Lunchs in Berlin diskutierten.

Dabei begab sich Professor Liselotte Schebek vom Forschungszentrum Karlsruhe auf eine „ökologische Spurensuche“. Ihr Credo: Man kann alles messen, sofern es definiert ist. Umweltlabels sind nach Ansicht der Forscherin zweifelsfrei griffig, aber oft zu einfach gestaltet, als dass sie dabei eine komplexe Wirklichkeit wiedergeben. Die Wissenschaft könne aber nach Ansicht von Schebek assistieren, indem sie Argumente durch Messungen verifiziere und neue Fragen stelle. Schebek betonte, dass es nicht dabei bleiben dürfe zu sagen, dass ein „Produkt A“ besser sei als das „Produkt B“. Vielmehr müsse die Frage gestellt werden, wie man ein angenommenes „Produkt C“ besser als beide anderen zusammen machen könne. Damit lenkte die Wissenschaftlerin den Blick auf Produktverbesserung und Qualitätssicherung als Kernindikatoren nachhaltig erzeugter Lebensmittel.

Verbraucher beim Kurswechsel mitnehmen

Dazu gehört nach Ansicht des Umweltschützers Dr. Bernhard Bauske auch zwingend die Frage nach der schonenden Gewinnung von Rohstoffen. Bauske koordiniert für den World Wildlife Fund (WWF) die Unternehmenskontakte in Deutschland. Sein Vortrag baute auf der Basis des neuen WWF-Living Planet Index auf. Bauske wies hierbei einmal mehr eindrucksvoll darauf hin, dass unser Planet derzeit durch ungezügelte Übernutzung fast aller Ressourcen vor dem Kollaps stehe. „Die nutzbare Biokapazität unseres Planeten ist überschritten“, so Bauske. Um diesen Trend umzukehren, seien einschneidende Maßnahmen notwendig: Dazu zählt der WWF die baldmöglichst beginnende nachhaltige und umweltgerechte Nutzung natürlicher Ressourcen wie Wasser, Holz und der Meere. Dieser Weg könne und müsse den Verbrauchern dokumentiert werden, denn nur wenn diese „mitspielen“, kann der Kurswechsel hin zur Nachhaltigkeit gelingen.

Der WWF unterstützt deshalb Initiativen für die Entwicklung von Verbraucherlabels und Kennzeichnungen wie etwa die des FSC (Holz & Papier), des MSC (Fischerei) oder auch eines CO2-Labels. Dabei ist sich der WWF durchaus der Grenzen von produktbezogener Umweltkennzeichnung bewusst. Es seit aber wichtig, so Bauske, die Verbraucher mit einzubeziehen. Vielleicht noch wesentlicher als die Kennzeichnung sei aber die Umsetzung von Erkenntnissen aus der Analyse von Produktlebenszyklen in den Prozessen der Unternehmen, mit dem Ziel, die Nutzung von Umweltressourcen zu minimieren.

Foto: Nestlé
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Was taugen gesetzlich verbindliche Kennzeichnungen?

Beim weltgrößten Lebensmittelkonzern Nestlé stoßen die Argumente des WWF durchaus auf offene Ohren, so Claus Conzelmann, Director Safety, Health and Environment der Schweizer Nestlé Zentrale in seinem Vortrag. Das Unternehmen arbeitet bereits seit vielen Jahren kontinuierlich an der Verringerung des eigenen Umwelt-Fußabdrucks. Konkret sei es Nestlé durch eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen gelungen, in den letzten zehn Jahren je Tonne Produkt den Energieverbrauch um 45 %, den Treibhausgasausstoß um 53 % und den Wasserverbrauch sogar um 59 % zu senken. Erkenntnisse aus einer ganzen Reihe von Life Cycle Assessements des Unternehmens zeigten dabei deutliche Grenzen für eine Kennzeichnung. Ferner müssten Informationen zur Umwelteigenschaft von Produkten auch weitere Faktoren wie Wasser- und Energieverbrauch über den gesamten Herstellungsprozess bis hin zum Endverbraucher mit einbeziehen, um wirklich aussagekräftig zu sein. Wichtig sei jedenfalls eine Standardisierung der Bewertungsmethoden, bevorzugt über den ISO-Prozess, um eine einheitliche Bewertungsgrundlage zu erhalten. Eine Betrachtung des gesamten Lebenszyklus, einschließlich der Verwendung beim Endverbraucher, der Logistik und der vorgelagerten Prozesse in der Landwirtschaft, biete aber Erkenntnisse für erhebliche Optimierungen, die letztlich nicht nur der Umwelt nützen, sondern auch unter wirtschaftlichen Aspekten sinnvoll sind. In dieser Richtung wolle Nestlé intensiv weiter arbeiten.

Dezidiert lehnt Nestlé eine gesetzlich verbindliche Kennzeichnung von einzelnen Umweltaspekten, wie etwa dem CO2-Wert, als nicht praktikabel und ihrer Ansicht nach für den Verbraucher auch wenig aussagefähig ab. Eine Schwierigkeit bei Umweltlabeln sei dabei auch, dass jede Veränderung in den Prozessen eigentlich auch eine Änderung des Labels nach sich ziehen müsse - faktisch eine große Hürde für die Kennzeichnung von Produkten. Nationale Sonderwege sieht man bei Nestlé eher kritisch.

In der Tat bereitet man bei der Internationalen Standardisierungsorganisation (ISO) derzeit auch einen entsprechenden Standard für umfassende Lebenszyklusanalysen (LCA) vor. Diese könnten jedem Verbraucher über die Landesgrenzen hinweg gültige Orientierungspunkte geben. Bei einer Lebenszyklusanalyse werden die Umwelteinflüsse über den gesamten Entstehungs-, Produktions- und Verbrauchszyklus gemessen - also etwa auch bei der Zubereitung beim Verbraucher. Auch solche Messzahlen wird man als Verbraucher zunächst einüben müssen, aber sie gelten dann wenigstens weltweit. Insgesamt ist die Situation in Deutschland für Lebensmittelproduzenten derzeit aber noch recht entspannt. In Frankreich beispielsweise gelten wesentlich verschärfte Regeln für die Umweltkommunikation über Verbrauchsgüter: Dort ist etwa die CO2-Kenneichnung obligatorisch und ein „Offsetting“ respektive eine Klimaneutralstellung von Produkten nicht zulässig.

Quelle: UD
 

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