Lebensmittel

Deutschland immer abhängiger von Fischimporten

Auch in diesem Jahr wird in Deutschland viel mehr Fisch gegessen als heimische Fischer in den europäischen Gewässern fangen können. Weil die Nachfrage das Angebot immer stärker übersteigt, wächst die deutsche Abhängigkeit von Fischimporten. Bereits jetzt ist der so genannte "Fish Dependence Day" erreicht, der Tag, von dem an bis zum Ende des Jahres jeder hierzulande konsumierte Fisch rechnerisch aus dem Ausland stammt. Darauf machen die Mitgliedsverbände der Kampagne OCEAN2012 aufmerksam.

24.04.2012

Foto: arne.list/flickr.com
Foto: arne.list/flickr.com
"Die Fischereigewässer der EU könnten zu den reichsten der Welt gehören - doch überwiegend werden sie verantwortungslos bewirtschaftet", sagt Nina Wolff, die Meeresschutz-Expertin der Deutschen Umwelthilfe und Koordinatorin von OCEAN2012 in Deutschland. "Wie wir dieser zerstörerischen Tendenz entgegenwirken können, liegt auf der Hand: Die europäischen Fischbestände müssen endlich wieder so weit aufgebaut werden, dass sie nachhaltig befischt werden können."

Ab dem 20. April 2012 ist Deutschland statistisch gesehen für den Rest des Jahres vollständig auf den Import von Fisch und Meeresfrüchten angewiesen. Der Befund ergibt sich aus einem gemeinsamen Bericht der englischen New Economics Foundation (nef) und OCEAN2012. Die Studie ermittelt für die Europäische Union und jeden einzelnen Mitgliedstaat das Maß der Selbstversorgung. Der auf Kalendertage umgerechnete Eintritt der Abhängigkeit von Einfuhren wird als "Fish Dependence Day" des jeweiligen Staates bezeichnet.

"Der Bericht zeigt: In der Debatte um unseren wirtschaftlichen Gesundungskurs wird die Bedeutung unserer natürlichen Ressourcen vernachlässigt", erklärt Rupert Crilly von der New Economics Foundation und OCEAN2012, der den Bericht mitverfasst hat. "Die Bundesrepublik ist damit beschäftigt, die wirtschaftliche Schräglage in Europa gerade zu rücken. Es ist Zeit, sich auch um die Bilanz der natürlichen Ressourcen zu kümmern. Für das Wohl Deutschlands und Europas ist es unerlässlich, dass die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik die notwendige Sanierung der europäischen Fischbestände bewirkt."

Die EU insgesamt ist während der Hälfte des Jahres auf Fisch von außerhalb angewiesen. Seit dem Jahr 2000 rückt das errechnete Datum der EU-weiten Abhängigkeit von Fischimporten kontinuierlich im Kalender nach vorne. Heute wird der Fish Dependence Day fast einen Monat früher erreicht als noch zur Jahrtausendwende - was unsere zunehmende Abhängigkeit von Fischen aus auswärtigen Gewässern unterstreicht. "Um unseren wachsenden Appetit auf Fisch zu stillen, exportieren wir die Überfischung in andere Teile der Welt", kritisiert Francisco Mari, Fischereiexperte des Evangelischen Entwicklungsdienstes. "Die Hälfte der europäischen Fischimporte stammt aus Gewässern von Entwicklungsländern, wo die Menschen auf Fisch als wichtige Eiweißquelle und als Grundlage für ihren Lebensunterhalt angewiesen sind." In den Kühltheken der Supermärkte ist die Überfischung für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht sichtbar, auch weil die Importe aus Drittstaaten dazu beitragen, die Schrumpfung heimischer Bestände zu verschleiern. "Jeder Einzelne kann sich mit der Wahl von Fisch aus heimischen und nachhaltigen Beständen aktiv am Erhalt der Meeresökosysteme beteiligen", sagt Dr. Ursula Hudson, die amtierende Vorsitzende von Slow Food Deutschland. "Zugleich dürfen wir nur so viel verbrauchen, wie wir den Beständen nachhaltig entnehmen können."

Im Rahmen der Reform der europäischen Fischereipolitik fordert OCEAN2012 die Überfischung und destruktive Fischfangmethoden zu beenden. Der Zusammenschluss von Organisationen setzt sich darüber hinaus für eine angemessene und gerechte Nutzung der Fischbestände ein.
Quelle: UD / na
 
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