Mode

Betrug mit Biobaumwolle?

Betreiben die Modehändler C&A, H&M und Tchibo Etikettenschwindel mit Bio-Kleidung? Die Wirtschaftszeitung Financial Times Deutschland (FTD) wirft ihnen das vor. Nach Recherchen der Zeitung sind die Firmen in einen „groß angelegten Betrug“ mit „angeblicher Biobaumwolle“ aus Indien verstrickt. Diese Wolle, so die FTD in der Ausgabe vom 22. Januar, sei gentechnisch verändert und genüge nicht den Bio-Standards. Sie sei aber als Bio-Ware in den Handel gelangt, und das in „erheblichen Mengen“. Geklappt habe der Betrug, weil indische Biobaumwoll-Bauern gemeinsame Sache mit westlichen Zertifizierungsfirmen gemacht hätten - also mit den Unternehmen, die über die Einhaltung des Bio-Standards eigentlich wachen sollten. Taugen die Wächter nichts? Oder müssen sie selbst strenger überwacht werden?

08.02.2010

Foto: Marion Book
Foto: Marion Book

Das Problem ist offenbar komplexer als in dem Zeitungsbericht dargestellt. Grundsätzlich, sagt Elke Gehrke, bei der Stiftung Warentest in Berlin verantwortlich für Produkttests, funktioniere die Zertifizierung bei vielen Waren gut. „In Deutschland, Europa und weltweit gibt es unabhängige Stellen, die die Zertifizierer überwachen.“ Zertifizierungsfirmen etwa, die bei der von Bund und Wirtschaft getragenen Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) gelistet sind, verlieren laut Gehrke ihre Zulassung, wenn sie ihren Prüfpflichten nicht gerecht werden.

Auch Monika Büning, Referentin für Produktsicherheit beim Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin, hält die übliche Zertifizierungspraxis für grundsätzlich sicher, auch wenn sich Betrug in Einzelfällen selbst mit ausgefeilter Überwachung nicht ausschließen lasse. Der Internationale Verband der Naturtextilwirtschaft (iVN) aus Stuttgart hält dagegen, Betrug ergebe für Biobaumwoll-Bauern „keinen Sinn“. Der Bio-Anbau sichere ihre Existenz meist besser als der Anbau konventioneller Wolle. Betrug gefährde ihr Einkommen, denn das „engmaschige Kontrollsystem“ mache ihn nachweisbar, schreibt der Berufsverband von 70 Naturtextil-Firmen. Der iVN vergibt selbst Bio-Label für Textilien, die nach seinen Angaben von C&A und H&M eingesetzt werden.

Das wirkliche Problem, so die iVN-Position, liege in unabsichtlichen Verunreinigungen von Biobaumwolle mit Nicht-Bio-Pflanzen, etwa durch Pollenflug von einem Feld mit gentechnisch manipulierten Pflanzen (GMO) zu einem Bio-Feld. Ob es sich bei der Baumwolle aus Indien um Betrug handele oder um Kontamination, sei nicht nachweisbar. Der heutige Stand der DNA-Analyse lasse diesen Rückschluss nicht zu, so der iNV. Dies wiederum bezweifelt der Molekularbiologe Lothar Kruse. Unbeabsichtigte Kontaminationen, sagt er, könnten dennoch Ursache des angeblichen Betrugs sein. „Es reicht, wenn Biobaumwolle während des Transports neben GMO-Wolle liegt“, so der Laborleiter der auf DNA-Analytik spezialisierten Firma Impetus Bioscience aus Bremerhaven.

Kruse sieht den Kern des Problems in fehlenden Grenzwerten für GMO-Verunreinigungen bei Baumwolle. Bei Futter- und Nahrungsmitteln habe die EU solche Grenzen gezogen. GMO-Spuren von weniger als einem Prozent müssten bei diesen Waren nicht deklariert werden. Sie behielten den Status „GMO-frei“. Bei Baumwolle gelte aber eine Nulltoleranz, so Kruse. Kleinste Kontaminationen führten zum Verlust der Auszeichnung. „Wenig sinnvoll“, findet Kruse das, da sich Verunreinigungen nicht vermeiden ließen. „Strengere Zertifizierungen ändern das auch nicht“. Stattdessen sei der Gesetzgeber gefragt.

Die Verbraucherschützerinnen Büning und Gehrke sehen vor allem die Unternehmen in der Pflicht: „Sie tragen Verantwortung für die ganze Lieferkette und müssen im Verdachtsfall auch bei einzelnen Bauern oder Zertifizierern nachhaken“, so Gehrke. Die kritisierten Modehändler seien zu nachlässig gewesen, und dies räche sich jetzt. C&A und H&M haben indes angekündigt, den Vorwürfen auf den Grund zu gehen. Tchibo teilte mit, dass es keine Baumwolle aus der betreffenden Region beziehe.

Verbraucherinnen und Verbrauchern, die auf glaubwürdige Bio- oder Nachhaltigkeitssiegel für Textilien oder andere Waren zurückgreifen möchten, empfiehlt sich ein Blick in die Broschüre Der Nachhaltige Warenkorb. Einfach besser einkaufen, die der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) im vergangenen Herbst in dritter, vollständig überarbeiteter Auflage vorgelegt hat. Die neue Auflage führt gängige, glaubwürdige Nachhaltigkeitssiegel auf, bewertet deren Aussagekraft hinsichtlich sozialer und ökologischer Kriterien und hilft Verbrauchern, im wuchernden Label-Dschungel die Spreu vom Weizen zu trennen. Dass dabei auch die Politik gefordert ist, unterstreicht der RNE in seiner Ende 2009 vorgelegten Empfehlung für einen nachhaltigeren Konsum. Die Bundesregierung, heißt es darin, müsse die „Verlässlichkeit von Nachhaltigkeitssiegeln erhöhen“. Im Moment, so die Berater der Bundesregierung, würden viele Label „dem nicht immer gerecht“.

Quelle: Rat für Nachhaltige Entwicklung

Quelle: pm-tw
 
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