Die Intellektuellen und der Sozialismus
"Die Intellektuellen und der Sozialismus" ist ein Aufsatz Friedrich August von Hayeks, der ursprünglich in der Frühjahrsausgabe 1949 der Zeitschrift University of Chicago Law Review erschien. Das Ludwig von Mises Institut Deutschland veröffentlicht die deutsche Neuübersetzung dieses Aufsatzes in drei Teilen auf seiner Internetpräsenz www.misesde.org. Im zweiten Teil ergründet Hayek, der 1974 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt, weshalb so viele Intellektuelle sozialistischen Ideen so offen gegenüber stehen.
21.09.2015
Für das Verständnis des Verhältnisses zwischen den Intellektuellen und dem Sozialismus ist es wichtig zu begreifen, wie sie generell Themen einordnen und zu ihren Werturteilen über jene gelangen. Neue Ideen werden von Intellektuellen nämlich in der Regel nicht nach ihrem Wert an sich beurteilt, sondern danach, wie sie sich in das schon bestehende Weltbild der Intellektuellen einfügen. Dabei orientieren sie sich bei der Bildung ihre Meinung nicht nur am schon bestehenden "Meinungsklima", sondern häufig genug daran, was ihnen als die wichtigsten Aspekte wissenschaftlichen Fortschritts erscheinen.
Daher spielt die Tatsache, dass der Mensch ab dem 19. Jahrhundert anfing, systematisch die Kräfte der Natur zu organisieren, eine besondere Rolle. Denn aus den Natur- und Ingenieurswissenschaften lies sich logisch ebenso einsichtig wie falsch ableiten, dass die gesellschaftlichen Kräfte ebenfalls zentral analysiert, geplant und organisiert werden könnten. Gerade diese große Vision, "das weitläufige Verständnis der Gesellschaftsordnung als Ganzes, die ein planwirtschaftliches System verspricht", stieß auf die Begeisterung der meisten Intellektuellen.
Für die liberale Tradition war genau dieser Mangel an Vision der Todesstoß. Deren Vertreter nämlich hatten es versäumt, eine allumfassende philosophische Grundlage des Liberalismus zu schaffen. Stattdessen beschäftigten sie sich, nachdem die meisten liberalen Forderungen grundlegend umgesetzt waren, mit Details. In der Folge besaßen alleine die Sozialisten ein Programm der gesellschaftlichen Entwicklung, auf das sie unaufhörlich hinarbeiten. Obwohl dieses Programm unüberbrückbare innere Widersprüche birgt und sich in der Realität niemals behaupten kann, sind die Sozialisten doch die einzigen, die dank dieses Programms die Intellektuellen inspirieren können. Denn, so schreibt der Nobelpreisträger Hayek, die Sozialisten besitzen "die einzige konkrete und umfassende sozialpolitische Philosophie, hinter der eine große Gruppe steht - das einzige System oder die einzige Theorie, die neue Fragen aufwirft und neue Horizonte öffnet."
"In der Tat ist dies, neben der mangelnden Geschlossenheit, das gravierendste Problem der Liberalen", fügt Andreas Marquart, Vorstand des Ludwig von Mises Instituts an. "Viel zu lange haben wir über kleine Details des Liberalismus gestritten und dies zumeist auch noch untereinander, in kleinen Gruppen ohne jede gesellschaftliche Resonanz. Mit Debatten über moderate Steuersenkungen oder etwas weniger staatlicher Überwachung aber werden wir die Menschen nicht für die Idee der Freiheit begeistern können. Wir müssen den Liberalismus wieder als ein allumfassendes Projekt begreifen, das sich an alle Menschen und alle Bereich der Gesellschaft richtet. Nur dann können wir der Idee der Freiheit zum Durchbruch verhelfen", so Marquart.