Satelliten finden nachhaltige Energie in Städten
Unterirdische Wärmeinseln in Städten bergen ein enormes geothermisches Potenzial. Aus dem erwärmten Grundwasser lässt sich nachhaltige Energie zum Heizen und Kühlen gewinnen. Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben nun eine neue Methode entwickelt, die unterirdischen Wärmeinseln aufzuspüren: Sie schätzen die Grundwassertemperatur anhand der satellitengestützt gemessenen Oberflächentemperatur und der Bebauungsdichte. In der Zeitschrift „Environmental Science & Technology“ berichten sie darüber.
22.12.2015
In größeren Städten liegen die Temperaturen üblicherweise deutlich höher als im ländlichen Umland. Diese sogenannten urbanen Wärmeinseln entstehen durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren wie dichte Besiedlung, Flächenversiegelung, Wärmeabstrahlung von Gebäuden, Industrie und Verkehr sowie fehlende Vegetation. Betroffen von dem Phänomen sind Atmosphäre, Oberfläche und Untergrund in modernen Städten.
Chancen für Energieversorgung und Klimaschutz
Die Temperaturanomalien können zu regionaler Luftverschmutzung und zu einer erhöhten Sterblichkeit während sommerlicher Hitzeperioden beitragen. Erhöhte Grundwassertemperaturen beeinflussen die Ökosysteme im Untergrund und können das Wachstum von Krankheitserregern im Grundwasser begünstigen. Die Wärmeinseln im Untergrund bergen aber auch große Chancen für Energieversorgung und Klimaschutz: So lässt sich die Energie aus oberflächennahen Grundwasserschichten mithilfe von Erdwärme- und Grundwasserwärmepumpen zum Heizen im Winter und zum Kühlen im Sommer einsetzen. Würde dieses geothermische Potenzial genutzt, ließe sich damit ein Teil des wachsenden Energiebedarfs der Städte decken. Dies würde auch die Emission von Treibhausgasen reduzieren und damit wiederum der Erwärmung entgegenwirken.
Oberirdische und unterirdische Wärmeinseln sind vor allem durch Wärmeleitung miteinander verbunden. Bisher untersuchte die Forschung die einzelnen Wärmeinseln meist getrennt voneinander, sodass über die Prozesse und das Verhältnis von ober- und unterirdischen Temperaturen wenig bekannt war. Eine Gruppe von Wissenschaftlern vom Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) und vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Spurengase und Fernerkundung (IMK-ASF) des KIT sowie von der ETH Zürich haben nun ober- und unterirdische Wärmeinseln in vier deutschen Großstädten in ihrem Verhältnis zueinander untersucht. Über die Ergebnisse berichten sie in der Zeitschrift „Environmental Science & Technology“.
Die Wissenschaftler griffen auf satellitengestützte Messungen der Oberflächentemperatur zurück, über die sich die zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten von oberirdischen Wärmeinseln leicht erschließen lassen. Schwieriger ist die Beschreibung der Wärmeinseln im Untergrund. Die Interpolation von Messungen der Grundwassertemperatur an existierenden Monitoringstationen ist zeitaufwendig und teuer. Daher sind andere Methoden gefragt. Die Forscher aus Karlsruhe und Zürich verglichen ober- und unterirdische Wärmeinseln in den vier Städten Berlin, München, Köln und Karlsruhe. Dabei stellten sie eine räumliche Korrelation bis zu 80 Prozent fest. Die Übereinstimmung ist in den älteren Städten wie Köln größer als im verhältnismäßig jungen Karlsruhe, da je älter die Stadt, desto ausgeprägter die Erwärmung des Untergrundes. In 95 Prozent der untersuchten Gebiete war allerdings die Grundwassertemperatur höher als die Oberflächentemperatur, was die Wissenschaftler auf zusätzliche unterirdische anthropogene Wärmequellen wie Gebäudekeller, Abwasserkanäle oder Reinjektion von Kühlwasser zurückführen.
Die satellitengestützt gemessene Oberflächentemperatur allein reicht also nicht aus, um die Grundwassertemperatur zuverlässig zu schätzen: Daher zogen die Forscher zusätzlich Bebauungsdichte und Kellertemperatur heran. So gelang es ihnen, die regionalen Grundwassertemperaturen mit einem mittleren absoluten Fehler von 0,9 Kelvin zu schätzen. „Diese Methode ermöglicht eine erste Bewertung der unterirdischen Wärmeinseln und damit der ökologischen Bedingungen im Grundwasser und des geothermischen Potenzials, ohne dass dafür aufwendige Grundwassertemperaturmessungen und Interpolationen erforderlich sind“, erklärt Philipp Blum, Professor für Ingenieurgeologie am AGW des KIT.