Innovation & Forschung

Hocheffizienter Schwermetall-Filter

ETH-Forscher entwickeln ein neuartiges Wasserfiltersystem, das bisherigen Systemen in vielerlei Hinsicht überlegen ist: Es entfernt aus dem Wasser höchst effizient verschiedene giftige Schwermetall-Ionen und radioaktive Substanzen und lässt sich erst noch für die Wiedergewinnung von Gold nutzen.

04.02.2016

Brasilien erlebte im November 2015 ein Umwelt-Desaster sondergleichen. Zwei Staudämme einer Eisenerzmine brachen, eine giftige, schwermetallhaltige Brühe ergoss sich in den Rio Doce und erreichte nach Tagen den Atlantik. Die Folgen für Natur und Mensch sind verheerend: Unzählige Fische, Vögel, Haustiere starben, eine Viertelmillion Menschen hat kein Trinkwasser mehr.

Der Fall zeigt auf: Wasserverschmutzung ist eines der grossen Probleme dieser Welt. Das Aufbereiten von mit Schwermetallen oder radioaktiven Substanzen verseuchtem Wasser konnte technisch nicht befriedigend gelöst werden. Bisherige Methoden, mit denen etwa Schwermetalle aus dem Wasser entfernt werden, haben mehrere Nachteile: Sie sind entweder zu spezifisch auf ein bestimmtes Element ausgerichtet oder die Filterkapazität ist zu klein. Zudem sind bisherige Lösungen oft auch zu teuer.

Das verunreinigte Wasser (verfärbtes Wasser in Fläschchen) wird mit Unterdruck durch die Hybridmembran gesogen, die Schwermetall-Ionen (rote Kugeln) binden dabei an die Proteinfasern.
Das verunreinigte Wasser (verfärbtes Wasser in Fläschchen) wird mit Unterdruck durch die Hybridmembran gesogen, die Schwermetall-Ionen (rote Kugeln) binden dabei an die Proteinfasern.

Schwermetalle effizient filtern

Abhilfe schaffen könnte nun eine neuartige Hybrid Filtermembran, die im Labor von Raffaele Mezzenga, Professor für Lebensmittel und weiche Materialien der ETH Zürich, entwickelt wurde. Diese Technologie ist nicht nur denkbar einfach aufgebaut, sondern besteht darüber hinaus aus kostengünstigen Rohstoffen wie Molkeproteinfasern und Aktivkohle. Schwermetallionen lassen sich bereits mit nur einem Durchgang durch die Filtermembran fast vollständig aus dem Wasser entfernen.

"Dieses Projekt könnte etwas vom Wichtigsten sein, was ich bisher in meinem Leben gemacht habe", freut sich der ETH-Professor über die neue Entwicklung aus seinem Labor. Daran gearbeitet haben nur er und sein Mitarbeiter Sreenath Bolisetty. Ihre Publikation ist jetzt in Nature Nanotechnology erschienen.

Molke und Aktivkohle benötigt

Kern des Filtersystems ist eine neuartige Hybridmembran aus Aktivkohle und steifen, zähen Fasern aus Molkeprotein. Die beiden Komponenten sind günstig erhältlich und ohne grossen Aufwand herzustellen.

Die Molkeproteine werden zuerst denaturiert. Dadurch strecken sie sich; mehrere von ihnen lagern sich in Form von sogenannten Amyloid-Fibrillen zusammen. Sie werden zusammen mit Aktivkohle (wie sich auch in medizinischen Kohletabletten enthalten ist) auf ein geeignetes Trägermaterial, beispielsweise auf ein Zellstoff-Filterpapier, aufgetragen. Dabei beträgt der Kohleanteil 98 Prozent, nur gerade zwei Prozent entfallen auf das Protein.

Gold-Rückgewinnung dank Filtermembran

Diese Hybridmembran nimmt verschiedene Schwermetalle auf, und zwar unspezifisch. Dazu zählen industriell relevante Elemente wie Blei, Quecksilber, Gold oder Palladium. Sie absorbiert aber auch radioaktive Substanzen wie Uran oder Phosphor-32, die bei radioaktivem Abfall oder für bestimmte Krebstherapien relevant sind.

Überdies eliminiert die Membran hochgiftige Metall-Cyanide aus dem Wasser. Zu dieser Stoffklasse zählt Gold-Cyanid, das die Elektronikindustrie häufig für die Herstellung von Leiterbahnen auf Platinen braucht. Das Edelmetall lässt sich dank dieser Membran herausfiltern und auf einfache Weise zurückgewinnen. Damit könnte das Filtersystem dereinst auch einen wichtigen Beitrag zum Gold-Recycling leisten. "Der Gewinn, der mit dem zurückgewonnenen Gold erzielt wird, überwiegt die Kosten für die Hybridmembran um das 200-fache", betont Mezzenga.

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Zahlreiche Bindungsstellen für Giftstoffe

Das Verfahren zur Filtration ist denkbar einfach: Verunreinigtes Wasser wird mithilfe eines Vakuums durch die Membran gesogen. "Ein genügend großes Vakuum könnte man auch mit einer einfachen Handpumpe erzeugen", sagt Mezzenga, "dadurch kann das Filtersystem auch ohne Strom betrieben werden." Zudem ist das System fast beliebig skalierbar, sodass auch große Wassermengen kostengünstig filtriert werden könnten.

Die giftigen Substanzen bleiben beim Durchsaugen des Wassers hauptsächlich an den Proteinfasern "kleben". Letztere haben zahlreiche Bindungsstellen, an denen einzelne Metall-Ionen andocken können. Doch auch die Aktivkohle mit ihrer grossen Oberfläche kann große Mengen von Giftstoffen absorbieren. Dies verschiebt die Sättigungsgrenze der Membran nach oben. Darüber hinaus verleihen die Proteinfasern der Membran ihre mechanische Stärke und erlauben bei hohen Temperaturen die chemische Umwandlung der gefangenen Ionen in wertvolle metallische Nanopartikel.

Unübertroffenes Absorptionsvermögen

Von der Filterkapazität der Hybridmembran ist Mezzenga begeistert: Bei Tests mit Quecksilberchlorid etwa sank die im Filtrat vorhandene Quecksilberkonzentration um mehr als 99,5 Prozent. Noch effizienter absorbierte die Hybridmembran eine giftige Kalium-Gold-Cyanid-Verbindung oder Blei-Salze: Erstere wurden zu 99,98 Prozent in der Membran gebunden, letztere zu 99,97 Prozent. Vom radioaktiven Uran wurden durch die Filtration 99,4 Prozent der ursprünglichen Konzentration gebunden. "Diese hohen Werte erzielten wir mit nur einem Durchgang", betont Miterfinder Bolisetty.

Auch über mehrere Durchläufe hinweg filtert die Hybridmembran Giftstoffe sehr zuverlässig heraus. Zwar stieg die Quecksilber-Konzentration im Filtrat nach zehn Durchläufen auf das Zehnfache, von 0,4 ppm auf 4,2 ppm (parts per million). Die eingesetzte Menge Protein war jedoch extrem klein. Um insgesamt einen halben Liter verschmutztes Wasser zu filtrieren, verwendeten die Forscher eine Membran, die gerade mal ein zehntel Gramm wog, davon entfielen sieben Gewichtsprozent auf die Proteinfasern.

"Mit einem Kilo Protein lassen sich 90‘000 Liter Wasser – in etwa der lebenslange Bedarf eines Menschen - reinigen", sagt der ETH-Professor. Das heisst aber auch, dass die Effizienz der Filtermembran nach Bedarf weiter gesteigert werden kann, indem ihr Proteingehalt entsprechend erhöht wird. "Das zeigt, wie flexibel der gewählte Ansatz ist", ergänzt Mezzenga.

Grosses Potenzial

Mezzenga ist zuversichtlich, dass seine Technologie den Weg auf den Markt finden wird. "Anwendungen dafür gibt es viele, und das Wasserproblem ist eines der drängendsten unserer Zeit", sagt er, gerade auch mit Blick auf die Schlammflutwelle in Brasilien. Der ETH-Professor hat denn auch seine Technologie patentieren lassen und wurde im März 2015 hierfür für den Spark Award der ETH Zürich nominiert. Weil aber die wissenschaftliche Publikation einen neunmonatigen Review-Prozess durchlaufen musste, können Bolisetty und Mezzenga ihre Erfindung erst jetzt der Öffentlichkeit vorstellen.

Quelle: UD/fo
 

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