Offshore-Windparks beeinflussen lokales Klima
Mehr als 500 Offshore-Windenergieanlagen sind allein 2015 in Deutschland ans Netz gegangen. Wie Windparks sich untereinander beeinflussen und sich möglicherweise auf das lokale Klima auswirken, ließ sich bislang nur mit Modellen annähern. Der großflächige Ausbau macht es nun erstmals möglich, diese Effekte in der Realität zu untersuchen: Sie sind Gegenstand des Forschungsprojekts „WIPAFF – Windpark-Fernfeld“, das Klimaforscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) koordinieren und mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft umsetzen. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, den weiteren Ausbau der Windkraftnutzung in der Nordsee möglichst effizient und umweltverträglich zu gestalten.
06.04.2016
Offshore-Windparks stellen auf der relativ glatten Meeresoberfläche Hindernisse für den Wind dar: Die Windräder bremsen ihn ab, Turbulenzen, also Luftunruhen, nehmen zu. „Je nach Wetterlage – das heißt abhängig etwa von Windrichtung, Lufttemperatur und Eigenschaften der Wasseroberfläche – erreicht die Windgeschwindigkeit manchmal erst nach zehn bis 100 Kilometern wieder ihren ursprünglichen Wert“, sagt Projektleiter Professor Stefan Emeis vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU) des KIT. Zudem sei es möglich, dass Luftmassen um große Windparks herum zur Seite oder nach oben abgelenkt werden. „Das kann etwa dazu führen, dass Windparks sich gegenseitg abschatten. Wir können auch nicht ausschließen, dass sich dadurch das Klima lokal verändert, bis hin zu Änderungen bei Temperatur-, Wolken- und Niederschlagsverteilung über der Nordsee und den angrenzenden Küstengebieten.“
Untersuchungen im Nachlauf – also in dem Bereich hinter der Anlage mit geringerer Windgeschwindigkeit – von Offshore-Windparks in der Nordsee sind Gegenstand des Forschungsprojekts WIPAFF, welches das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in den nächsten drei Jahren mit rund 1,75 Millionen Euro fördert. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzen dabei eine Reihe unterschiedlicher Methoden. Beispielsweise kombinieren sie für detaillierte Messungen des Windfeldes, der Wetterbedingungen und der Wellen auf der Meeresoberfläche vor und hinter Windparks die Daten von Instrumenten auf Plattformen in der Nordsee und aus einem Forschungsflugzeug mit der Auswertung von Satellitendaten.
Berechnung der Windkraftverhältnisse
Ziel der Forscherinnen und Forscher des KIT ist die Modellierung des Windfeldes für den Bereich zwischen zehn und 100 Kilometern hinter großen Windparks. Dazu passen sie ein bestehendes numerisches Windfeldmodell (WRF) auf die Seegangsbedingungen in der Nordsee an. „Ein solches Windfeldmodell ist mit einem Wettervorhersagemodell vergleichbar. Normalerweise wird in Windfeldmodellen die Rauigkeit der Meeresoberfläche nur in Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit vorgegeben. Wir wollen hier mit einem Wellenmodell die Wellen berechnen und daraus die Rauigkeit der Meeresoberfläche genauer bestimmen und damit näher an die Realität kommen“, erläutert Stefan Emeis vom IMK-IFU des KIT. Er und sein Team fügen dem Modell außerdem eine Beschreibung (Parametrisierung) für große Windparks hinzu, die auf der Leistung des Parks und der Höhe der Anlagen basiert: Die Parametrisierung gibt an, wieviel Energie ein Windpark in welcher Höhe über der Meeresoberfläche der Luftströmung entzieht. Mit dem so erweiterten Modell lassen sich die von den Projektpartnern ausgewerteten Plattform-, Flugzeug- und Satellitenmessungen dann nachvollziehen und ergänzen.
Mehr Niederschlag ein möglicher Effekt von Windparks
In nachfolgenden Szenarienrechnungen spielen die Wissenschaftler dann die Auswirkungen der verschiedenen Ausbaustufen für die Windkraftnutzung in der Nordsee durch und berechnen die Auswirkungen auf die Windverhältnisse in der Nordsee und die damit eventuell möglichen Einflüsse auf das regionale Klima. „Ein Effekt könnte sein, dass die Windparks die Luftströmung bremsen und sie zwingen, nach oben auszuweichen. Beim Aufsteigen kühlt die Luft ab, dadurch kann es zu vermehrter Wolkenbildungen und teilweise sogar zu Niederschlag kommen“, so Stefan Emeis.
Weitere Partner neben dem KIT sind die Technische Universität Braunschweig, die Eberhard Karls Universität Tübingen, das Helmholtz-Zentrum Geesthacht und die UL International GmbH (vormals DEWI deutsches Windenergie-Institut).