Eine zündende Idee
Unter Druck lässt sie sparsame Magermotoren zu Höchstform auflaufen: Die neu entwickelte Zündkerze von FH-Forscher Prof. Dr. Holger Heuermann hat den letzten und entscheidenden Test bestanden.
25.06.2018
„Wir können nunmehr in der Druckkammer bei 25 bar und in der Zukunft bei bis zu 40 bar zuverlässig und sauber zünden“, erläutert der Wissenschaftler. Damit wird der Weg frei für den Einsatz der Zündkerze in Magermotoren. Diese sind auf der einen Seite sehr sparsam, stellen aber auf der anderen Seite wegen des hohen Gasdrucks erhöhte Anforderungen an die Zündung.
Im Zuge von Dieselgate fährt der Ottomotor gerade seinem zweiten Frühling entgegen. Noch vor wenigen Jahren galten benzinbetriebene Aggregate als nicht zukunftstauglich, da der Spritverbrauch höher als bei vergleichbar starken Dieselmotoren war. Die Diskussion um Stickoxid- und Feinstaubemissionen, um Gesundheitsschäden und Fahrverbote hat dem Ottomotor Aufwind verschafft, und damit rückt auch die Aufgabe, diesen Motorentyp sparsamer zu machen, wieder ins Zentrum. Forscher beschäftigen sich schon lange mit der Frage, ob dieses Ziel erreicht werden kann, indem man ein relativ mageres Kraftstoff-Luft-Gemisch zur Verbrennung im Zylinder nutzt. Magermotoren sind in erster Linie wegen des erhöhten Wirkungsgrads interessant. Die Verbrennungstemperatur ist vergleichsweise niedrig, wodurch sich wenig Stickoxide bilden. Außerdem minimiert der hohe Sauerstoffanteil die Bildung von Kohlenmonoxid und unverbrannten Kohlenwasserstoffen.
Anspruchsvollere Zündung
Probleme bereiten Magermotoren allerdings, wenn es um die Zündung geht, da Gasdruck und Temperatur hoch sind und ein mageres Gemisch schwerer zu entzünden ist. Eine herkömmliche elektrische Zündkerze ist hier nicht einsetzbar – der Verschleiß ist infolge der erhöhten Beanspruchung zu groß. Auch der Versuch, Laserzündkerzen zu entwickeln, ist im Sande verlaufen. Hier kommt nun die Zündkerze ins Spiel, die Prof. Heuermann auf der Basis seiner Plasmatechnologie entwickelt hat. Mit dem Begriff Plasma bezeichnet man in der Physik ein Gas, das teilweise oder vollständig aus freien Ladungsträgern, also Ionen oder Elektronen, besteht. 99 Prozent der sichtbaren Materie im Universum besteht aus Plasma. Natürliche Plasmen auf der Erde findet man etwa in Blitzen, auch Flammen sind plasmaähnlich. Bei der Zündkerze wird der Zündfunke eben durch dieses Plasma ersetzt, optisch erkennbar durch ein rosa-violettes Flackern.
„Der Kern unserer Entwicklung ist die Ansteuerelektronik“, erklärt Prof. Heuermann. 2016 war dem FH-Forscherteam der Durchbruch gelungen, als es erstmals gelang, einen vollständigen integrierten Schaltkreis (engl. Integrated Circuit, IC) auf einem gerade einmal zwei mal zwei Millimeter großen Chip unterzubringen. Diese Elektronik wird jetzt auch für die Zündkerze genutzt, sie sorgt dafür, dass die für die Plasmaerzeugung nötigen Frequenzen im Mikrowellenbereich (2,45 Gigahertz) bereitgestellt werden. „Wir können eine Bandbreite von etwa 80 Megahertz innerhalb des Mikrowellenspektrums nutzen“, sagt Prof. Heuermann, „damit kann die Frequenz variiert werden, um eine möglichst hohe Energieaufnahme und damit eine effiziente Plasmaerzeugung zu gewährleisten.“ Die ICs messen die tatsächlich anfallenden Signale und vergleichen sie mit einem Referenzsignal, in einer Rückkopplungsschleife wird die Frequenz angepasst.
Das wirtschaftliche Produkt im Fokus
Das Thema Zündkerze beschäftigt den FH-Forscher seit langem. „Zwölf Jahre hat es gedauert, bis wir das Patent bekommen haben“, erzählt Prof. Heuermann. Zahlreiche Forschungsanträge hat er geschrieben, mehrere Kooperationsprojekte mit Unternehmen aus der Automobil- und Zulieferindustrie wurden gestartet und verliefen doch ohne den gewünschten Erfolg. „Wenn wir in Deutschland bei Innovationen führend sein wollen, dann müssen wir Entwicklungen aus der Forschung schneller zur Marktreife bringen“, meint Prof. Heuermann. Die Initiative von Prof. Dr. Marcus Baumann, Rektor der FH Aachen, zur Gründung einer Deutschen Transfergesellschaft, die sich genau das zum Ziel gesetzt hat, begrüßt er dann auch ausdrücklich. „Das deutsche Innovationssystem weist auf dem Weg von der Erfindung über die Anwendungsidee bis zum innovativen Produkt eine Förderlücke auf. Das Ziel der Innovationsforschung muss das wirtschaftlich nutzbare Produkt sein. Eine unzureichende Förderung dieses letzten und entscheidenden Schrittes gefährdet die Innovationsführerschaft Deutschlands in höchstem Maße. Dabei darf die Steuerung der Innovationsforschung über die Wirtschaft selbst nicht allein ausschlaggebend sein, sondern es bedarf einer wissenschaftsgeleiteten Forschung über die staatliche Finanzierung.“
Bleibt die Frage, wann die Plasmazündkerze in Serie geht. „Mit dem Druckkammertest haben wir bewiesen, dass unsere Zündkerze funktioniert“, sagt der FH-Forscher und verweist auf den jungen Entwicklungsingenieur Simon Bongartz. Es sei denkbar, dass die Technologie in etwa zwei Jahren bereits zum Einsatz komme. Geeignet seien vor allem große stationäre Erdgas-Motoren, etwa in Blockheizkraftwerken. Hier können man einen extremen Magerbetrieb wegen des gleichmäßigen Lastprofils am besten umsetzen. Im Bereich der Automotoren bestehe die Herausforderung darin, dass Drehzahl und Leistung variieren. Somit sei es notwendig, den Magerbetrieb auf unterschiedliche Betriebszustände anzupassen. In der Zukunft könnte die Technologie auch den Weg ebnen für sogenannte „Multi-Fuel“-Lösungen, also den Einsatz verschiedener Brennstoffe in einem Motor.