Innovation & Forschung

Technik im Sinne der Nutzenden gestalten

Bei der Entwicklung von Technologien steht meist die Funktionalität im Vordergrund, weniger die Bedürfnisse der Nutzenden. Ein technisches System, das ökologischen oder moralischen Anforderungen nicht genügt, ist aber für viele ein schlechtes Produkt. Hersteller müssen also über die Funktionslogik hinausgehen. Forschende des KIT wollen Wege für eine reflektierte Technikentwicklung und -gestaltung aufzeigen.

16.03.2022

Technik im Sinne der Nutzenden gestalten
Entwicklerinnen und Entwickler werden von Nutzenden oft durch unvorhergesehene Verwendungsweisen ihrer Produkte überrascht. Forschende am KIT suchen nach Wegen, mögliche Umnutzungen von Technik besser zu antizipieren.

„Wir erarbeiten Werkzeuge und Methoden, um die digitale Revolution einerseits besser zu verstehen und sie andererseits verstärkt im Interesse der Nutzenden und der Gesellschaft zu gestalten“, sagt Dr. Bruno Gransche vom Institut für Technikzukünfte des KIT. „Ein Problem für durchdachte und bewusste Technikgestaltung ist, dass Entwicklerinnen und Entwickler häufig überhaupt nicht voraussehen können, auf welche Art und Weise die Menschen eine Technologie tatsächlich nutzen werden“, sagt der Philosoph. Diese sogenannte Multistabilität von Technik führe zu Umnutzungen und Zweckentfremdungen, aber auch zu Innovationen.

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Unvorhergesehene Verwendung von Produkten

Als Beispiel nennt Gransche die Nutzung autonomer Fahrzeuge: Dass es beim Fahren von A nach B gleichzeitig möglich ist zu arbeiten, Zeitung zu lesen, Videos zu schauen oder zu schlafen, haben die Entwickler beabsichtigt. Das Drehen etwa von Sexfilmen während der Fahrt mit dem Auto-Piloten – so geschehen in einem Videoclip, der vor wenigen Jahren in den Sozialen Medien für Aufmerksamkeit sorgte – dagegen nicht. Diese Verwendung habe auch er nicht abgesehen, kommentierte Elon Musk, Gründer und Chef des amerikanischen Automobilherstellers Tesla, damals auf Twitter: „Es stellt sich heraus, dass es mehr Möglichkeiten gibt, den Autopiloten zu verwenden, als wir uns vorgestellt haben – hätte es kommen sehen sollen.“ „Autonome Autos haben also vielschichtige Auswirkungen auf den Straßenverkehr, den nicht einmal zentrale Technologietreiber durchschauen. Das gleiche gilt etwa für die Verbreitung von Digitaltechnik, KI-Systemen, oder Sprachassistenten“, erläutert Gransche.

Mögliche Umnutzung von Technik besser voraussehen

„Wer Technik gestaltet, ist zwar nicht verantwortlich dafür, welches Verhältnis die Nutzenden zu dieser tatsächlich eingehen, wohl aber dafür, welche Nutzungsmöglichkeiten und Potenziale sich bieten“, so der Experte. Entwicklerinnen und Entwickler müssten also vorab bestimmte Entscheidungen treffen, die nicht nur Nutzungsweisen bestimmten, sondern auch daraus folgende weitreichende Handlungspotenziale beeinflussten. Wer diese Komplexität bewusster und früher berücksichtigen könne, könne besser verantwortliche Innovationsstrategien entwickeln, gezielter die vielschichtigen Ansprüche der Nutzenden berücksichtigen und letztlich vorausschauender gesellschaftlichen Wandel mitgestalten. „Dafür wollen wir ihnen eine möglichst fundierte und dabei konkret handhabbare Grundlage bieten“, sagt Gransche. „Phänomene wie die Multistabilität besser zu verstehen, kann dazu einen wertvollen Beitrag leisten.“

Das Projekt „Lebensformen in Digitalisierten Lebenswelten“, kurz LeDiLe, ist Teil des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 2,75 Millionen Euro geförderten Clusters Integrierte Forschung. Das KIT erhält davon 550 000 Millionen Euro.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Quelle: UD/fo
 

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