Innovation & Forschung

Flammschutz mit unbekannten Folgen

Sie sind in Sofas, Vorhängen, Baumaterialien und elektronischen Geräten zu finden. Und sie reichern sich - da sie schwer abbaubar sind - in verschiedenen Ökosystemen an. Die Rede ist von bromierten Flammschutzmitteln, über deren Auswirkungen auf Mensch und Tier derzeit noch wenig bekannt ist. Eine Doktorarbeit an der Empa, welche das Umweltverhalten derartiger Stoffe untersucht, stieß am Dioxinkongress in Oslo auf viel Interesse und gewann eine Auszeichnung.

17.11.2006

Viele Chemikalien haben einen gravierenden Nachteil: Sie sind hochtoxisch - was bei ihrer Entwicklung nicht immer klar ist. Waren es um 1930 so genannte polychlorierte Naphthaline (PCN), die schon kurze Zeit später aufgrund ihrer Toxizität wieder von der Bildfläche verschwanden, kamen wenig später die polychlorierten Biphenyle (PCB) auf. Die hielten sich zwar länger; 1986 wurden sie dann aber in der Schweiz verboten und 2004 in der Stockholmer Konvention dem "dreckigen Dutzend" - einer Gruppe hochtoxischer, hormonaktiver Chemikalien - zugerechnet und weltweit geächtet. Trotzdem befinden sich noch hunderttausende Tonnen davon in alten Transformatoren und anderen Geräten.
 
Beide gehören zu den schwer abbaubaren organischen Umweltchemikalien, den "Persistent Organic Pollutants" (POP). PCB etwa steht im Verdacht, die Fortpflanzung des Fischotters zu beeinträchtigen und damit in der Schweiz zu seinem Aussterben beigetragen zu haben. Neu zur Familie der POPs hinzugezählt werden auch bromierte Flammschutzmittel, die in ihrer chemischen Struktur und ihren Eigenschaften den PCBs ähneln. Welche Konsequenzen eine Anreicherung der Flammschutzmittel in verschiedenen Ökosystemen mit sich bringt, ist heute allerdings noch weitgehend unklar.
 
Gifte mit Langzeitwirkung
 
In seiner Doktorarbeit analysiert Christian Bogdal an der Empa seit Mai 2005 die Belastung des Thunersees mit Flammschutzmitteln und anderen organischen Stoffen. Der Umweltwissenschaftler von der ETH Lausanne wurde durch eine Ausschreibung auf das Empa-Projekt aufmerksam: "Ich entschied mich dafür, weil mich das Zusammenspiel von Umwelt und Chemie interessierte." Den Auslöser für die Untersuchung des Thunersees bildete eine weit verbreitete Missbildung an den Geschlechtsorganen der dortigen Felchen. Das Aufspüren von Chemikalien, die für die Missbildungen verantwortlich sein könnten, ist denn auch eines der Ziele von Bogdal. Daher analysiert er in der Abteilung "Analytische Chemie" an der Empa Sedimente vom Seegrund, verschiedene Wasserschichten, Zu- und Abflüsse, Proben der Atmosphäre, Ablagerungen an der Wasseroberfläche, Plankton und Fische.
 
Erste Resultate beruhigen nur teilweise und zeigen klaren Handlungsbedarf auf. "Die PCB-Belastung im Sediment des Thunersees über den gesamten untersuchten Zeitraum, also von 1900 bis heute, ist sehr gering und insgesamt stark rückläufig", so Bogdal. Bedenklicher sei dagegen die dramatische Zunahme von bromierten Flammschutzmitteln - "bis jetzt allerdings ohne sichtbare Auswirkungen", wie Bogdal erklärt. Die heute vorkommenden Werte würden von den meisten Fachleuten noch nicht als bedrohlich angesehen. "Problematisch sind aber vor allem mögliche Langzeitwirkungen dieser Stoffe", zeigt sich Bogdal besorgt. Es sei zudem nicht auszuschließen, dass die Missbildungen der Thunersee-Felchen durch derartige Chemikalien verursacht worden seien.
Quelle: UD
 
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