Innovation & Forschung
Das Ende des Homo Oeconomicus
Jahrelang galt den Ökonomen der Mensch als egoistisch handelndes Wesen. Nun hat der Volkswirt Prof. Dr. Axel Ockenfels diese Ansicht von Grund auf in Frage gestellt. Seine These: Unter bestimmten Voraussetzungen tendiert der Mensch eher zu kooperativem als zu eigensinnigem Handeln. Eine Entdeckung, die maßgeblich für das Design neuer Märkte sein könnte. Für seine Arbeiten wurde der 38jährige Ökonom in diesem Jahr mit dem Philip Morris Forschungspreis ausgezeichnet.
05.09.2007
Über 200 Jahre lang prägte der Begriff vom Homo Oeconomicus, dem
Menschen als profitorientierten Wesen, das Menschenbild der
Wirtschaftswissenschaftler. Als Grundlage diente den Ökonomen die vom
britischen Volkswirtschaftler und Moralphilosophen Sir Adam Smith
begründete klassische Nationalökonomie, in der Arbeit und
Arbeitsteilung als Quelle allen Wohlstands angesehen wurden. Smiths
Vision war eine freie, von keinerlei staatlichen Eingriffen gehemmte
Wirtschaft, in der die „unsichtbare Hand“ des Marktes egoistische
Motive quasi von selbst in soziale Taten umwandle. Nach dem Motto: Wen
jeder an sich denkt, ist an alle gedacht.
Ein 38jähriger Ökonomieprofessor hat diese berühmte Theorie nun ins Wanken gebracht: Professor Axel Ockenfels von der Universität zu Köln. Ockenfels konnte in verschiedenen Laborexperimenten wissenschaftlich nachweisen, dass Menschen sich nicht grundsätzlich so opportunistisch und rational verhalten, wie es Smiths Theorie vom Homo Oeconomicus besagt. Vielmehr tendieren die meisten Menschen unter bestimmten Umständen zu fairer Kooperation.
„Angenommen, Sie leben in einer Welt, in der alle 100.000 Euro verdienen. Und Sie können sich jetzt entscheiden, in eine andere Welt zu gehen, in der Sie 120.000 Euro verdienen, aber alle anderen 140.000 Euro. Welche würden Sie bevorzugen?“, stellte der 38jährige in einem Interview mit der Managerzeitschrift Capital ein Gedankenbeispiel zur Diskussion. „Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die meisten Befragten für die 100.000 Euro entscheiden, obwohl sie woanders mehr verdienen könnten“, erläutert Ockenfels seine Theorie. Das Motiv, welches hinter diesem Verhalten steckt, ist folglich oft weniger das Streben nach Reichtum, sondern das Ziel, nicht hinter andere zurück zu fallen. Allerdings: Unter gewissen Umständen, wie etwa in Wettbewerbssituationen, bleibt auch den eigentlich fair eingestellten Menschen oft nichts anderes übrig als sich egoistisch zu verhalten. Egoismus und Fairness ist nicht nur ein Resultat individueller Motivation, sondern vor allem eine Frage der institutionellen Rahmenbedingungen.
Auch gesellschaftliche Anerkennung zählt
Bereits im Jahre 2000 entwickelte Ockenfels zusammen mit seinem Kollegen Gary Bolton von der Penn State University in den USA diese in der Forschung als "ERC“-Modell bezeichnete Theorie. Derzufolge liegt bei den meisten Menschen ab einem gewissen Einkommen der Fokus weniger auf dem Geld als auf dem relativen Status. Zwar orientiert sich der Mensch weiterhin an seinem persönlichen Nutzen, aber eben auch an der relativen Position in der Gesellschaft. Letztlich hängt es von der Qualität der Anreize ab, ob wir uns eher fair und kooperativ oder wettbewerbsorientiert verhalten.
Ockenfels ist es dabei wichtig zu betonen, dass faires Verhalten nicht irrational oder chaotisch sondern systematisch prognostizierbar ist. „Die Forschung legt nahe, dass das Verhalten des Staates eine wichtige Rolle spielt“, so der 38jährige. Je mehr dieser eingreife, desto höher sei die Gefahr, dass langfristig die intrinsische, sprich aus eigenem Antrieb entwickelte Motivation zu Fairness und Vertrauen verdrängt werde. „Ein Beispiel: Ein Bürger füllt seine Steuererklärung seit Jahren vernünftig und ehrlich aus. Nun gibt es einige schwarze Schafe. Das veranlasst den Gesetzgeber, stärker zu reglementieren, mehr zu kontrollieren und härter zu bestrafen. Folge: Auch der eigentlich ehrliche Bürger schaut mehr auf die Schlupflöcher. Er handelt immer weniger aus intrinsischen, sondern aus selbstsüchtigen finanziellen Gründen“, erklärt Ockenfels.
Faire Märkte gestalten
Diese Erkenntnis bildete die Grundlage für eine weitere Überlegung: dem Design neuer Märkte. Wenn das menschliche Verhalten von dem jeweiligen institutionellen Umfeld abhängt, so müssten sich folglich auch Fairness- und Kooperationsbereitschaft sowie der allgemeine Wettbewerb durch kluge Marktregeln und andere Anreize steuern lassen. „Eine wichtige Herausforderung des Designs von Anreizstrukturen besteht darin, eine Balance zwischen moralischem und vertrauensvollem Verhalten, der Bestrafung von Verfehlungen und der Belohnung von Kooperation zu finden“, so Ockenfels.
Eins der vielen Anwendungsbeispiele von Ockenfels ist das aktuelle Bewertungssystem im Online-Auktionshaus eBay, das er mitgestaltet hat. Dabei können sich Käufer und Verkäufer nach abgewickelten Transaktionen gegenseitig bewerten. Aus diesen Bewertungen ergeben sich Verkäuferprofile, die für alle einsehbar sind. Da niemand als Betrüger gelten will und sich zudem mit einem guten Leumund bessere Geschäfte machen lassen, verhält sich der Großteil der Aktionäre korrekt. Das Beispiel zeigt, dass Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit durchaus das Resultat von klugen Marktregeln sein können.
Zur Person:
Prof. Dr. Axel Ockenfels wurde 1969 in Rheydt geboren und studierte von 1989 bis 1994 Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn. Unterbrochen von Forschungsaufenthalten an der Penn State University und in Harvard promovierte und habilitierte er an der Universität Magdeburg. 2003 wurde er zum Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaft an die Universität zu Köln berufen. Für seine Arbeiten wurde Ockenfels bereits mit diversen Preisen ausgezeichnet. Als bisher einziger Ökonom hat er den Leibniz-Preis erhalten, eine Art deutscher Nobelpreis.
Zum Philip Morris Forschungspreis:
Mit ihrem Forschungspreis fördert die Philip Morris Stiftung seit 25 Jahren herausragende natur- und geisteswissenschaftliche Forschungsleistungen, die innovativ und zukunftsweisend sind, moderne Technologien verantwortungsvoll nutzen oder marktgerechte Lösungen bieten. Der mit 100.000 Euro dotierte Preis gehört zu den anerkanntesten wissenschaftlichen Auszeichnungen in Deutschland.
Ein 38jähriger Ökonomieprofessor hat diese berühmte Theorie nun ins Wanken gebracht: Professor Axel Ockenfels von der Universität zu Köln. Ockenfels konnte in verschiedenen Laborexperimenten wissenschaftlich nachweisen, dass Menschen sich nicht grundsätzlich so opportunistisch und rational verhalten, wie es Smiths Theorie vom Homo Oeconomicus besagt. Vielmehr tendieren die meisten Menschen unter bestimmten Umständen zu fairer Kooperation.
„Angenommen, Sie leben in einer Welt, in der alle 100.000 Euro verdienen. Und Sie können sich jetzt entscheiden, in eine andere Welt zu gehen, in der Sie 120.000 Euro verdienen, aber alle anderen 140.000 Euro. Welche würden Sie bevorzugen?“, stellte der 38jährige in einem Interview mit der Managerzeitschrift Capital ein Gedankenbeispiel zur Diskussion. „Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die meisten Befragten für die 100.000 Euro entscheiden, obwohl sie woanders mehr verdienen könnten“, erläutert Ockenfels seine Theorie. Das Motiv, welches hinter diesem Verhalten steckt, ist folglich oft weniger das Streben nach Reichtum, sondern das Ziel, nicht hinter andere zurück zu fallen. Allerdings: Unter gewissen Umständen, wie etwa in Wettbewerbssituationen, bleibt auch den eigentlich fair eingestellten Menschen oft nichts anderes übrig als sich egoistisch zu verhalten. Egoismus und Fairness ist nicht nur ein Resultat individueller Motivation, sondern vor allem eine Frage der institutionellen Rahmenbedingungen.
Auch gesellschaftliche Anerkennung zählt
Bereits im Jahre 2000 entwickelte Ockenfels zusammen mit seinem Kollegen Gary Bolton von der Penn State University in den USA diese in der Forschung als "ERC“-Modell bezeichnete Theorie. Derzufolge liegt bei den meisten Menschen ab einem gewissen Einkommen der Fokus weniger auf dem Geld als auf dem relativen Status. Zwar orientiert sich der Mensch weiterhin an seinem persönlichen Nutzen, aber eben auch an der relativen Position in der Gesellschaft. Letztlich hängt es von der Qualität der Anreize ab, ob wir uns eher fair und kooperativ oder wettbewerbsorientiert verhalten.
Ockenfels ist es dabei wichtig zu betonen, dass faires Verhalten nicht irrational oder chaotisch sondern systematisch prognostizierbar ist. „Die Forschung legt nahe, dass das Verhalten des Staates eine wichtige Rolle spielt“, so der 38jährige. Je mehr dieser eingreife, desto höher sei die Gefahr, dass langfristig die intrinsische, sprich aus eigenem Antrieb entwickelte Motivation zu Fairness und Vertrauen verdrängt werde. „Ein Beispiel: Ein Bürger füllt seine Steuererklärung seit Jahren vernünftig und ehrlich aus. Nun gibt es einige schwarze Schafe. Das veranlasst den Gesetzgeber, stärker zu reglementieren, mehr zu kontrollieren und härter zu bestrafen. Folge: Auch der eigentlich ehrliche Bürger schaut mehr auf die Schlupflöcher. Er handelt immer weniger aus intrinsischen, sondern aus selbstsüchtigen finanziellen Gründen“, erklärt Ockenfels.
Faire Märkte gestalten
Diese Erkenntnis bildete die Grundlage für eine weitere Überlegung: dem Design neuer Märkte. Wenn das menschliche Verhalten von dem jeweiligen institutionellen Umfeld abhängt, so müssten sich folglich auch Fairness- und Kooperationsbereitschaft sowie der allgemeine Wettbewerb durch kluge Marktregeln und andere Anreize steuern lassen. „Eine wichtige Herausforderung des Designs von Anreizstrukturen besteht darin, eine Balance zwischen moralischem und vertrauensvollem Verhalten, der Bestrafung von Verfehlungen und der Belohnung von Kooperation zu finden“, so Ockenfels.
Eins der vielen Anwendungsbeispiele von Ockenfels ist das aktuelle Bewertungssystem im Online-Auktionshaus eBay, das er mitgestaltet hat. Dabei können sich Käufer und Verkäufer nach abgewickelten Transaktionen gegenseitig bewerten. Aus diesen Bewertungen ergeben sich Verkäuferprofile, die für alle einsehbar sind. Da niemand als Betrüger gelten will und sich zudem mit einem guten Leumund bessere Geschäfte machen lassen, verhält sich der Großteil der Aktionäre korrekt. Das Beispiel zeigt, dass Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit durchaus das Resultat von klugen Marktregeln sein können.
Zur Person:
Prof. Dr. Axel Ockenfels wurde 1969 in Rheydt geboren und studierte von 1989 bis 1994 Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn. Unterbrochen von Forschungsaufenthalten an der Penn State University und in Harvard promovierte und habilitierte er an der Universität Magdeburg. 2003 wurde er zum Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaft an die Universität zu Köln berufen. Für seine Arbeiten wurde Ockenfels bereits mit diversen Preisen ausgezeichnet. Als bisher einziger Ökonom hat er den Leibniz-Preis erhalten, eine Art deutscher Nobelpreis.
Zum Philip Morris Forschungspreis:
Mit ihrem Forschungspreis fördert die Philip Morris Stiftung seit 25 Jahren herausragende natur- und geisteswissenschaftliche Forschungsleistungen, die innovativ und zukunftsweisend sind, moderne Technologien verantwortungsvoll nutzen oder marktgerechte Lösungen bieten. Der mit 100.000 Euro dotierte Preis gehört zu den anerkanntesten wissenschaftlichen Auszeichnungen in Deutschland.
Quelle: UD