Neuer Brennstoff aus Alt-Kunststoff und Biomasse
Glaubt man Medienberichten, beträgt das Durchschnittsalter von Autos in Deutschland etwas über acht Jahre. Das schließt aber nicht aus, dass es noch wesentlich ältere fahrtaugliche Karossen im Straßenverkehr gibt. Fest steht jedoch: Die Lebenszeit von Automobilen ist begrenzt. Irgendwann werden selbst der flotteste Flitzer und der zäheste Dauerläufer aus dem Verkehr gezogen. Dann steht die Entsorgung an. Dabei sollten laut Altautoverordnung rund 95 Prozent der Bestandteile einer Wiederverwendung bzw. Wiederverwertung zugeführt werden. Für ganz viele Auto-Bestandteile ist Recycling bereits möglich.
13.01.2014
Das Projekt mit dem Kürzel „ReGran“ ist am 1. November 2013 offiziell angelaufen. Finanziert wird es nicht zuletzt vom Bundeswirtschaftsministerium über die Arbeitsgemeinschaft Industrieller Forschungseinrichtungen (AiF) und deren Initiative „Zukunftsinnovation Mittelstand“ (ZIM). 175.000 Euro erhält die Universität Siegen für die Dauer von zwei Jahren. Auch das beteiligte Unternehmen erhält besagte Summe, muss diese aber aus Eigenmitteln verdoppeln, so dass insgesamt mehr als eine halbe Mill. Euro zur Verfügung stehen.
Das ins Auge gefasste Verfahren hört sich erst einmal simpel an, hat es aber bei genauem Hinsehen in sich. Die zu entsorgenden Kunststoffteile sind durch Schreddern stark zerkleinert, wobei auch ein erheblicher Anteil aus faserigen Flusen besteht. Diese Flusen werden dann gemeinsam mit einem organischen Brennstoff - Waldrestholz, Sägespäne, Braunkohlestaub, Gummimehl aus Altreifenverwertung, zerkleinerte Energiepflanzen wie Miscantus oder ähnliches Material - in einen beheizten Eirich-Intensivmischer gegeben. In der Versuchsanlage, die Anfang 2014 an der Universität Siegen aufgebaut wird, erfolgt das Beheizen des Mischers mit elektrischem Strom. Entsprechende orientierende Vorversuche wurden bereits im Technikum der Firma Eirich in Hardheim durchgeführt. Im industriellen Betrieb werden später größere Mischer mit Abwärme beheizt. Krumm: „Wir brauchen ein Temperaturniveau von etwa 200° C.“ Der Mischer selbst dreht sich; in seinem Inneren befinden sich Werkzeuge, die sich ebenfalls drehen. Unter der Wärmeeinwirkung schmelzen die Kunststofffasern auf und verbinden sich durch Drehung von Mischbehälter und -werkzeug mit den anderen zugeführten Brennstoffen. So entsteht kugelförmiges Granulat. Dieses wird aus dem Mischer gekippt und erkaltet. Das Granulat, dessen Größe mithilfe von Parametern wie Temperatur, Drehgeschwindigkeit von Mischbehälter und -werkzeug und Kunststoff-Biomasse-Mischung eingestellt werden kann, soll als Brennstoff in Zementdrehöfen oder in Kraftwerken zum Einsatz kommen. Krumm: „Wir haben dann einen definierten Brennstoff mit bestimmten Brenneigenschaften.“
Bis dahin liegt aber noch viel Forschungsarbeit vor Prof. Krumm und seinem Team. Krumm: „Wir müssen erst herausfinden, ob die biogenen Energieträger wirklich nach unseren Vorstellungen eingebunden werden können, wie das optimale Mischverhältnis zwischen Kunststoffflusen und Biomasse aussieht, wie es um die optimale Temperatur im Mischer bestellt ist und um dessen optimale Drehgeschwindigkeit. Kurz: „Eine Vielzahl von Parametern muss stimmen und aufeinander abgestimmt sein, um ein möglichst gutes Ergebnis hinsichtlich der Stabilität und der Verbrennungs- und Vergasungseigenschaften des Brennstoffs zu erzielen.“ Einen ganz besonderen Vorteil besitzt dieser neue Brennstoff aus Sicht der Wissenschaftler: „Wir können Additiva zugeben.“ Will heißen: Durch die Beigabe von Zusatzstoffen wie beispielsweise Kalkstein erhoffen sich die Forscher, die Schadstoffbildung bei der Verbrennung reduzieren zu können.
Ist der Brennstoff erst entwickelt, geht die Forschungsarbeit weiter. Krumm: „Wir müssen herausfinden, welche Brenneigenschaften er hat, und ob sich durch Vergasung qualitativ hochwertiges Produktgas gewinnen lässt, das einerseits als Erdgasersatz Verwendung finden oder aus dem andererseits Wasserstoff abgetrennt werden kann.“ Auch die bereits erwähnte Verminderung von Schadstoffen durch Additiva wird in vorhandenen Festbett-und Wirbelschichtreaktoren, die sich im Technikum auf dem Campus Adolf-Reichwein-Straße befinden, getestet und gegebenenfalls weiter optimiert.