Mit der Filtermembran auf den Weltmarkt
ETH-Professor Raffaele Mezzenga und sein Oberassistent Sreenath Bolisetty haben eine Filtermembran entwickelt, die effizient Schwermetalle und andere Schadstoffe aus dem Wasser entfernt. Die weltweite Nachfrage ist so gross, dass sie den ETH-Spin-off BluAct Technologies gegründet haben.
21.06.2017
Die Publikation schlug ein: Im Januar 2016 publizierten die ETH-Wissenschaftler Raffaele Mezzenga und Sreenath Bolisetty in der Fachzeitschrift Nature Nanotechnology eine Studie über eine in ihrem Labor entwickelte Filtermembran. Sie zeigten darin auf, dass diese Membran wirksam Wasser von Schwermetallen, radioaktiven Stoffen oder giftigen Substanzen sowie von Bakterien reinigt. Sie bindet aber auch Ionen von Gold, Platin und Palladium. Dank der Membran können diese Edelmetalle rückgewonnen werden. Dabei ist sie höchst einfach gestrickt: Sie besteht aus einer Mischung von denaturierten Molkeproteinen und Kohle, aufgetragen auf ein Filterpapier.
Mit Anfragen eingedeckt
Medien weltweit griffen die Geschichte auf – und die Forscher wurden in der Folge mit Anfragen eingedeckt. Im Mai 2016 gründeten Mezzenga und Bolisetty deshalb mithilfe eines Investors den ETH-Spin-off BluAct Technologies GmbH. Bolisetty ist dessen CEO und Chefentwickler in Personalunion. Mezzenga ist Aktionär und wissenschaftlicher Berater.
BluAct hat soeben eine erste Lieferung von Prototypmembranen in industriellem Massstab hergestellt. Der Spin-off nutzte das Startkapital dafür, die Membran in 90 Ländern national patentrechtlich schützen zu lassen. Zurzeit ist die Herstellung der Membran an externe Partnerfirmen ausgelagert. BluAct stellt dabei sicher, dass die Qualität des Produkts den Vorgaben entspricht. Als Chief Technical Officer wird Bolisetty die Produzenten überwachen und begutachten. BluAct plant, die Membran in bestehende Druckfiltersysteme einzubauen und bisherige Filter zu ersetzen.
Einen ersten grossen Erfolg haben die ETH-Unternehmer schon verbuchen können: BluAct hat mit der ISL Group einen Vertrag abgeschlossen. Dieser sichert den Vertrieb von Trinkwasser-Filterflaschen mit der neuen Filtertechnologie. Diese Flaschen sollen dann durch Nichtregierungsorganisationen und Behörden in Asien, Afrika und Lateinamerika an Menschen verteilt werden, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. «Das ist ein rein humanitäres Projekt, das uns sehr am Herzen liegt», betont Mezzenga. Damit die Filtermembran auch die Ärmsten erreicht, arbeitet BluAct mit den Behörden zusammen. Im indischen Bundesstaat Andrah Pradesh wurde bereits Land erschlossen, um eine Produktionsstätte zu bauen.
Geld verdienen möchten die beiden Jungunternehmer mit grossen Interessenten, Minengesellschaften etwa oder der Industrie. Denn der Wasseraufbereitung mit dieser Filtermembran sind kaum Grenzen gesetzt. Die drei Millimeter dünne Membran kann im Prinzip beliebig gross fabriziert werden, von der Grösse eines Fünf-Franken-Stücks für den Hausfilter bis hin zu einem Quadratmeter grossen Stück für industrielle Anwendungen. Um grosse Mengen an Wasser zu reinigen, können zudem mehrere Membranen in Serie gereiht werden. So dürfte es möglich sein, pro Stunde 100‘000 Liter Wasser zu reinigen.
Breites Anwendungsfeld
Die BluAct-Gründer stehen derzeit in Kontakt mit einer Minengesellschaft, die ihr Interesse an der Wunderwaffe gegen Schwermetalle angemeldet hat. Bereits in der Testphase befindet sich die Filtermembran bei einer Firma, welche europäische Atomkraftwerke dekontaminiert. Denn die Membran bindet nicht nur Schwermetalle, sondern auch radioaktives Uran. Sie könnte also auch dazu genutzt werden, radioaktiv verseuchtes Wasser zu entgiften.
Weitere Geschäftsfelder von BluAct sind auch die Schwer- und Elektronikindustrie (zur Rückgewinnung wertvoller Metalle), die Landwirtschaft und nicht zuletzt die Trinkwasseraufbereitung für den Hausgebrauch. Denn mit einer neuen Studie haben Bolisetty und Mezzenga aufgezeigt, dass die Membran auch Arsen hocheffizient aus dem Wasser entfernt.
Arsen aus Trinkwasser entfernen
In dieser Studie, die soeben in der Fachzeitschrift Chemical Communications erschienen ist, weisen Bolisetty und Mezzenga nach, dass die von ihnen entwickelte Filtermembran Arsen (in Form von Arsenat und Arsenid) effizient bindet und nahezu restlos aus dem Wasser entfernt. Die Membran lässt überdies mehrere Filtrationszyklen zu, ohne dass die Reinigungskraft nachlässt.
Die ETH-Forscher konnten die Wirksamkeit ihrer Methode anhand von real verseuchtem Trinkwasser nachweisen. Dieses stammt aus der Region des Atitlán-Sees in Guatemala. Die Gegend dort ist vulkanisch geprägt, und das Wasser enthält von Natur aus viel Arsen und Quecksilber. Untersuchtes Trinkwasser von dort kann bis zu 80 Mikrogramm Arsen pro Liter enthalten. Das ist das Achtfache des von der WHO empfohlenen Grenzwerts von 10 Mikrogramm Arsen pro Liter.
Schleichende Arsenvergiftung reduzieren
Für Mezzenga ist diese Studie ein Durchbruch: «Viele bei uns eingegangene Anfragen betrafen Arsen. Dieses Element hatten wir in unseren Laborversuchen bis dahin nicht berücksichtigt. Umso glücklicher sind wir, dass die Membran auch diesen Giftstoff unter Feldbedingungen eliminiert.»
Als nächstes wird die Filtermembran auf regionale Filter angepasst und relativ kostengünstig für die Menschen in der Region Atitlán bereitgestellt. Dazu wird das Labor von ETH-Professor Mezzenga mit der der Universidad del Valle de Guatemala unter der Leitung von Monica Orozco zusammenarbeiten. Die Forschenden hoffen, so die Risiken, die von der schleichenden Arsenvergiftung ausgehen, erheblich reduzieren zu können.