Business Case

„Ein Porsche wird das letzte Fahrzeug sein, das über ein Lenkrad verfügt“

Im Porsche Zukunftslabor sprachen Konzeptentwickler Gernot Döllner und Designchef Michael Mauer mit dem Autokulturmagazins „ramp“ über Kristallkugeln, schwarze Schwäne, Evolution und Hemmungslosigkeit.

02.12.2020

„Ein Porsche wird das letzte Fahrzeug sein, das über ein Lenkrad verfügt“

Wie nähert sich Porsche der Zukunft an?

Gernot Döllner: Das Spannende ist ja, dass ganz, ganz viel zunächst einmal evolutionär passiert. Das ist das Fundament der Veränderung. Der Blick in die Zukunft ist dabei gewissermaßen eine Fortschreibung von dem, was ist, und eine Antizipation dessen, was realistisch erscheint. Ein Blick in die Vergangenheit gehört auch dazu: Welche Werte haben uns dahin gebracht, wo wir sind? Welche davon wollen wir bewahren? Und welche wollen wir gegebenenfalls neu interpretieren und daraus etwas Neues schaffen?

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In Bezug auf Porsche ist das Ingeniöse ja konsequent. Gibt es hier auch eine Vision, die beseelt und prägt? Und wenn ja, wie sieht diese aus?

Michael Mauer: Ich sehe das nicht so streng archetypisch. Das Fortschreibende ist natürlich auch wichtig, aber es ist insofern relativ einfach, weil es faktenbasiert funktioniert: Was verkauft sich? Was nicht? Was wollen die Märkte? Wir dagegen polieren sozusagen die Kristallkugel. Das ist auch etwas, das man hervorheben muss, dass Porsche überhaupt diesen Ansatz verfolgt und Raum dafür schafft, dass wir uns auf diese Weise mit der Zukunft beschäftigen können.

Wie sicher sind Sie sich beim Verlassen dieser Pfade?

Mauer: Sicher kann man nie sein, im gesamten Leben nicht. Aber man kann die richtige Vorgehensweise entwickeln. Wir brauchen Orientierung, aber gleichzeitig so viel Flexibilität, dass wir schnell reagieren können. Ich vergleiche das gern mit einem Kompass: Er gibt die Richtung vor, lässt aber im Gegensatz zu einem Navigationssystem allen den Freiraum, den Weg ans Ziel frei zu wählen. Da ist sozusagen der querdenkende Längsdenker gefordert, der eine Idee davon hat, wo er hinwill, aber auch bereit ist, diese zu hinterfragen. Und der mit einem gewissen Selbstbewusstsein sagen kann: Wo wir stehen, ist vorne.

Döllner: Es gibt natürlich auch ein Stück Sicherheit, dass die Marke über Jahrzehnte bewiesen hat, dass sie neue Wege gehen kann. Wir wissen, welche Veränderungen wir meistern können und welche Sprunggrößen wir dabei beherrschen. Wobei man dazu sagen muss, dass die Sprünge gerade so groß sind wie noch nie: Vor zehn Jahren hatten wir nur reine Verbrennungsmotoren im Angebot, dann waren wir Vorreiter beim Performance-Hybrid und jetzt sind wir vorne dabei bei Batterie-betriebenen Fahrzeugen. Zwei disruptive Technologiesprünge innerhalb von zehn Jahren, das ist schon gewaltig.

Und dann kommt ein schwarzer Schwan in Form eines Virus daher und verändert die Sichtweise noch einmal ...

Mauer: In diesem Fall versuchst du erst einmal alles Negative auszublenden. Das Positive an so einem schwarzen Schwan ist ja, dass er die Dinge auch wieder beschleunigt – und damit Anlass gibt, das Vorhandene noch stärker infrage zu stellen.

Wie wird sich die Idee des Autos weiterentwickeln? Bleibt die Idee des Autos als Freiheitstool erhalten, diese Unabhängigkeitserklärung auf Rädern?

Mauer: Beim Thema Freiheit spielt Mobilität in der Tat eine große Rolle. Die freie Entscheidung, wie ich von A nach B kommen kann, wird von unterschiedlichsten Mobilitätskonzepten unterstützt werden. Darunter werden sich auch weiterhin individuelle Konzepte befinden. Die große Herausforderung dabei wird sicherlich sein, wie ich diese Individualität gestalte – und das dann auch noch für eine Marke wie Porsche, wo das „Von-A-nach-B-Kommen“ nicht im Vordergrund steht. Aber um auf die Frage zurückzukommen: Das Auto wird es weiterhin geben. Und ein Porsche wird das letzte Fahrzeug sein, das über ein Lenkrad verfügt.

Döllner: Das ist auch meine Einschätzung. Der Individualitäts­aspekt wird zumindest in der Zukunft, in die wir schauen, weiterhin eine Rolle spielen. In Zeiten wie diesen mit Corona merkt man aber auch, dass das Auto noch ganz andere Funktionen ausüben kann. Mein Sportwagen ist in dieser Krise verstärkt zum Arbeitsraum geworden. Es kommt aber auch auf das Anwendungsgebiet an. Es kann natürlich sein, dass das Auto im Stadtgebiet an Stellenwert verliert. Was die Verkehrsdichte angeht, ist die U-Bahn hier ungeschlagen. Aber außerhalb der Städte halte ich das Auto nach wie vor für einzigartig in Bezug auf die Individualität der Mobilität.

Quelle: UD/ramp #51
 

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