„Wir können zukünftig nur mit Nachhaltigkeit punkten“
Ein schönes Produkt achtet auf Nachhaltigkeit – davon ist Nicole Werner-Hufsky überzeugt. Sie ist CSR-Managerin bei Europas führendem Papiergroßhandel Antalis. Wir sprachen mit ihr über harten Preiskampf, die Rolle der Chinesen und warum Papier auch in Kindle-Zeiten nicht ausstirbt.
05.02.2020
UmweltDialog (UD): Klimaschützer sagen: Papiervermeidung sollte an erster Stelle stehen. Bedroht das nicht Ihr Geschäftsmodell?
Nicole Werner-Hufsky: In gewisser Hinsicht schon: Letztendlich ist einer unser Geschäftsbereiche, Papier zu verkaufen. Andererseits ist der Papierhandel auch ein Geschäftszweig, der relativ schnell nachhaltig handeln kann. Und da ist in der letzten Zeit sehr, sehr viel bei der Frage der Rohstoffgewinnung passiert. Wir haben den Vorteil, mit einem Rohstoff zu arbeiten, der relativ schnell wächst. Hier können wir steuern, womit wir das Papier herstellen: Ob kurzfaseriges Holz, Tannenholz etwa, oder langsam wachsende Hölzer wie die gute alte deutsche Eiche. Letztere geht übrigens meistens direkt in die Möbelindustrie. Ein zweiter Vorteil ist, dass unser Rohstoff, so lange, bis wir ihn fällen und verarbeiten, ein natürlicher Beitrag zur CO2-Speicherung ist. Selbst Papier ist noch ein CO2-Speicher, das wir wiederverwenden können oder irgendwann in die thermische Energiegewinnung geben.
Die Frage ist außerdem: Was ist die Alternative zum Papier? In der Regel reden wir alle dann über Digitales. Wenn wir die Lebensdauer und den Rohstoffeinsatz von einem Rechner oder einem Handy betrachten, dann sind wir mit Papier eigentlich in einer sehr komfortablen Lage. Von daher sind wir in einer Branche, wo ich auch mit Klimaschützern immer wieder gerne diskutiere. Wir sind uns in solchen Diskussionen schnell einig, dass wir – egal, welchen Rohstoff wir auf der Erde nutzen –, dies gut und ressourcenschonend tun müssen. Holz ist dabei ein Rohstoff, den man guten Gewissens nachhaltig produzieren kann. FSC oder PEFC stehen als Siegel dafür.
UD: Blicken wir auf das Marktumfeld: Das Pulp and Paper-Business ist hart umkämpft, die Margen spitz kalkuliert. Wie entwickelt sich hierbei der Markt für Umweltpapiere?
Werner-Hufsky: Der Anteil an Recycling-Papieren steigt jedes Jahr. Dennoch sind wir noch nicht da, wo wir vielleicht auch als Antalis gerne sein würden. Wir sollten den Markt aber differenzieren: Wenn wir uns den Commodity-Bereich anschauen, also zum Beispiel Kopierpapier, dann sehen wir den Trend, dass je größer das Unternehmen ist, desto eher auf nachhaltiges Papier mit einem Label gesetzt wird. Hier greifen die internen CSR-Vorschriften für den Einkauf.
Schwieriger wird es tatsächlich im Bereich der Druckerzeugnisse. Hier zählt meist der Preis, nicht die Herkunft der Papiere. Denken Sie da etwa mal an die ganzen Werbeflyer, die uns jede Woche ins Haus flattern. Ich arbeite mit vielen Druckereien zusammen, die alle Umweltpapiere im Portfolio haben, und da ist es ganz oft so, dass der Endkunde sich dann letztendlich doch oft wieder für die Andere Alternative entscheidet, weil sie im Endeffekt 10 Prozent günstiger ist.
In diesem Bereich stagniert der Marktanteil, gerade auch was Recycling-Papiere angeht. Das hat auch damit zu tun, dass es auf dem Markt jüngst eine Verknappung gab, weil ein ganz großer Hersteller von Recycling-Zellstoff und Papier insolvent gegangen ist. Das heißt, es gab in letzter Zeit auch eine Situation, dass schlicht kein Recycling-Papier verfügbar war, weil es keiner hergestellt hat und der Recycling Zellstoff nicht zur Verfügung stand.
UD: Ist das Problem nicht, dass Endverbraucher oftmals eher auf den Preis als die Performance schauen?
Werner-Hufsky: Genau. Deshalb gibt es mittlerweile Druckereien, die erklären, wir nehmen diese Herausforderung an, indem wir sagen, bei uns gibt es diese Wahl gar nicht. Wir sind eine Druckerei, die sich auch dafür interessiert, nachhaltig zu arbeiten. Und wir nutzen deshalb nur Papiere mit entsprechenden Zertifikaten wie FSC, PEFC, Blauer Engel oder EU Eco Label.
Ich kann aber auch Druckereien verstehen, denen das schwerfällt, denn der Nachweis ist ein erheblicher Aufwand, sowohl an Arbeit als auch finanziell. Die meisten schreckt der Arbeitsaufwand, der dahinter steckt, ab. Vor allem wenn die Druckerei dann feststellen muss, dass die Kunden diesen Mehraufwand, der sich auch im Preis widerspiegelt, nicht bereit sind zu zahlen.
UD: Blicken wir auf die Papierhersteller: Die größten kommen aus China und Japan. Spielt bei denen Nachhaltigkeit eine Rolle?
Werner-Hufsky: Bei der Klimakonferenz im vergangenen Dezember in Madrid haben wir gesehen, dass die Chinesen gar nicht diejenigen waren, die alles blockiert haben. Sie sind da schon weiter, als man denkt. Die Chinesen haben den Vorteil gehabt, dass sie bestimmte Industriezweige, und dazu gehört auch die Papierindustrie, relativ spät intensiv aufgebaut und somit natürlich einen ganz anderen Standard haben, als bei uns manch alte, technisch überholte Papierfabrik. Das sieht man auch an den Zertifikaten oder den Nachweisen, die sie uns liefern. Fabriken, mit denen wir zusammenarbeiten, haben bei uns keine Chance, wenn sie uns nicht nachweisen können, dass sie nachhaltig arbeiten. Das können wir nur über ISO-Normen und andere Zertifikate prüfen, weil wir nicht in der Machtposition sind, hinzufahren und wirklich selber zu kontrollieren. Dazu arbeiten wir mit dem TÜV oder SGS und anderen Prüfstellen zusammen. Und die meisten Fabriken in China arbeiten tatsächlich besser und sauberer, als manch alte Fabrik aus dem 19. Jahrhundert irgendwo in Portugal oder in England, die irgendwie mit Ach und Krach neue Standards einhält.
UD: Inwieweit können Sie als Papierhändler auf die Herstellungsprozesse in den dortigen Papierfabriken Einfluss nehmen? Was sind hier die wichtigsten Hebel aus Sicht der Nachhaltigkeit?
Werner-Hufsky: Wir in Europa sind uns als Papierhändler grundsätzlich unserer Verantwortung, was die Nachhaltigkeit angeht, im Klaren. Wir können zukünftig nur mit Nachhaltigkeit punkten. Ansonsten haben wir gegenüber den digitalen Medien sofort verloren. Wenn man bei uns jetzt auch noch feststellen würde, dass unser Papier mit Fasern aus nicht genehmigter Waldrodung gespeist wäre, dann hätten wir ganz schnell ein Problem. Dann würden nämlich viele, die jetzt noch auf Papier setzen und sagen, ich lese lieber ein Buch, dann auch zum Kindle oder Tolino greifen. Das heißt, wir haben nur eine Chance, und die heißt nachhaltig zu arbeiten. Und da ziehen alle Papierhändler an einem Strang und fordern unisono bestimmte Standards wie FSC oder PEFC. Wir fordern alle Umwelt-Managementsysteme in den Fabriken mit entsprechenden Zertifikat-Nachweisen. Und auch die Papierhersteller wissen das: Denen ist ganz klar, dass sie ohne Zertifikate kaum ein Blatt nach Europa verkaufen können und deswegen diese Standards auch einführen und uns auch nachweisen.
UD: Ist das die Zukunft? Auf der einen Seite digitale Produkte, dann Hauptsache-günstig-Flyer von der Online-Druckerei, und als dritte Säule Papiere, Bücher, Publikationen, die auf Qualität setzen und deshalb nachhaltiges, hochwertiges Papier nutzen?
Werner-Hufsky: Ja, das ist der Trend. Ein Fotograf, der einen schönen Bildband gestalten möchte, hört heutzutage nicht dabei auf, zu sagen, das sind meine Fotos und das ist das Arrangement, sondern er mischt sich mittlerweile auch ein, worauf das gedruckt wird, welche Farben verwendet werden, welche Alternativen es gibt. Ein schönes Produkt achtet auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Ich weiß von dem Sänger Clueso zum Beispiel, dass er seine CD-Cover unbedingt auf einem Umweltpapier gedruckt haben möchte. Die CD-Hüllen sollen aus einem nachhaltigen Rohstoff und nicht aus Plastik sein.
Viele große Verlage setzen ebenfalls auf Umwelt, weil sie Angst vor einer Stichproben-Prüfung durch Greenpeace oder andere haben, wo dann vielleicht rauskommt, dass im Kinderbuch XY Tropenhölzer drin sind. Das sind ja Schlagzeilen, auf die Verbraucher sehr sensibel reagieren. Und dann haben wir tatsächlich den Endkonsumenten, der jetzt vielleicht sein Fotobuch für Weihnachten gedruckt hat und darauf besteht, nachhaltig zu handeln.
UD: Dennoch ist Nachhaltigkeit kein Selbstläufer…
Werner-Hufsky: Nein, absolut nicht. Es gibt preisorientierte Menschen und Unternehmen, und die wird es, glaube ich, auch noch eine ganze Zeit geben, bis sie dann irgendwann merken, dass „billig“ tatsächlich auch Nachteile hat, die sie auch irgendwann selber spüren.
UD: Die Papierbranche ist im Umbruch: Digitalisierung und veränderte Lebensgewohnheiten lassen die Nachfrage nach Schreib- und Druckpapier sinken. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Kartons. Wie stellt sich Antalis darauf ein?
Werner-Hufsky: Wo der Markt im Moment hingeht, ist ganz klar das Packaging, also Verpackungen. Und der zweite Trend ist der Bereich Visual Com, also großformatige Innen- und Außenwerbung und Dekoration. Plakate, Aufsteller, gebrandete Tapeten, Bodenfolien, Luftballons, flatternden Fahnen, schöne Leuchtreklame in Schaufenstern. Das ist schon noch was, was Menschen anders anspricht und quasi ein weiterer Geschäftszweig ist, der tatsächlich bei uns boomt und wächst, weil er tatsächlich von Kunden bespielt wird, die wir eh schon haben. Das heißt, auch Druckereien stellen sich natürlich um, weil sie das gleiche Problem haben, dass der Papieranteil zurückgeht. Das heißt, auch sie überlegen, was bedrucken wir denn zukünftig? Das betrifft das Packaging: Versandverpackungen werden so individuell als auch nachhaltig wie möglich. Und eben den Bereich Visual Com: Kann ich Werbung und Kommunikation noch anders an den Kunden bringen, indem ich Autos beklebe oder ganze Gebäude verkleide, Hauswände plakatiere oder Innenräume gestalte , oder wie auch immer?
UD: Wenn ich mir die Druckerei-Fachmesse DRUPA in Düsseldorf anschaue, dann spielt das Thema Visual Com tatsächlich eine sehr große Rolle. Aber Nachhaltigkeit eher nicht – vielmehr geht es um irgendwelche Sonderfarben, Metalldrucke und andere Dinge, die alle nicht gerade umweltfreundlich sind.
Werner-Hufsky: Was man vordergründig erlebt, ist zunächst einmal Marktwachstum. Die zweite Beobachtung ist, dass Nachhaltigkeit hier im Moment eher hersteller- und händlergetrieben ist. Auf der Seite wird durchaus jetzt schon an Nachhaltigkeit gedacht. Es gibt zum Beispiel Außenmaterialien, die ein Trägermaterial auf Holzbasis haben und bereits FSC und PEFC zertifiziert sind. Es gibt Alternativen zu PPC und PVC, was heute noch Standard ist, wie etwa Maisfolien. Andere experimentieren mit Soja und Gras. Und jetzt nicht experimentieren im Sinne, wir seien noch im Laborstadium, sondern schon im Anwenderstadium. Wenn man das dann den Endkunden – der Druckerei, dem Siebdrucker, dem Copyshop – anbietet, dann ist da oft auch Interesse da, weil es etwas ist, womit man beim Kunden punkten kann. Bei Visual Com ist der Preis auch noch nicht so das Problem. Ein Aufsteller kostet einmalig ein bisschen mehr Geld, dafür hält das Roll-up zwei Jahre und ist nicht nach zwei Messen schon wieder kaputt. Ein Trend zu Nachhaltigkeit ist also auch in diesem Geschäftsbereich zu verspüren, wenn auch oft eher hinter den Kulissen.
UD: Kehren wir noch mal auf das Papier zurück. Gibt es hier eigentlich noch größeres Innovationspotenzial?
Werner-Hufsky: In Großbritannien wird schon lange – und das ist auch ganz im Sinne von Papiervermeidung und Ressourceneinsparung – am Thema Grammaturen geforscht. Es geht darum, den Fasermix so zu verändern, dass man auch bei geringeren Grammaturen (Papiergewicht) eine gewisse Opazität hat, einen gewissen Weißegrad und eine gewisse Stabilität in der Hand. Der deutsche Kunde ist ein klassischer 80-Gramm-Kunde. Hier spart man natürlich schon eine Menge ein, wenn man da auf 75 oder 70 Gramm geht. Was in den Jahren noch kommen wird, sind außerdem alternative Rohstoffe zu Holz, die vielleicht noch schneller wachsen und noch weniger die Umwelt belasten. Gras zum Beispiel. Im Kreativpapierbereich gibt es Experimente mit Kuh- und Elefantendung. Es gibt da sehr ausgefallene Ideen…
UD: Vielen Dank für das Gespräch!