Die unsichtbaren Datendiebe
Die Verfolgung von Nutzeraktivitäten im Netz, das so genannte "Tracking", ist ein bekanntes Datenschutzproblem. Mittlerweile aber gibt es eine Vielzahl neuer, subtilerer Tracking-Methoden. Der vom Fraunhofer ISI koordinierte Forschungsverbund "Forum Privatheit" analysiert in seinem neuen "White Paper Tracking" diese neuen Tracking-Verfahren.
08.06.2018
Klassische Browsercookies kennen die meisten. Sie werden von Webseitenbetreibern eingesetzt, um Nutzerverhalten aufzuzeichnen. Gegen diese Tracking-Methoden steht eine Vielzahl von Blockern zur Verfügung. „Doch solche Cookies sind nur noch eine Tracking-Methode unter vielen“, meint Dr. Thilo Hagendorff, Wissenschaftler an der Universität Tübingen und Medienethiker im „Forum Privatheit“. „Mittlerweile gibt es weitaus invasivere und intransparentere Verfahren wie etwa das biometrische Tracking, das die Wischbewegungen bei der Smartphone-Nutzung analysiert oder das Tracking mit Ultraschallsignalen, die das menschliche Gehör nicht wahrnehmen kann. Gegen diese gibt es bisher fast keine wirksamen technischen Schutzmechanismen.“
Tracking-Verfahren unbekannt
„Die rechtlichen Grundlagen des Trackings werden mit dem Geltungsbeginn der Datenschutz-Grundverordnung und der geplanten ePrivacy-Verordnung grundlegend geändert, da die Verarbeitung personenbezogener Daten künftig wesentlich strenger reguliert wird“, prophezeit Prof. Dr. Alexander Roßnagel, Sprecher des „Forum Privatheit“ und Rechtswissenschaftler an der Universität Kassel. Insbesondere die rechtliche Zulässigkeit des Ultraschall-Trackings wird im neuen White Paper des Forschungsverbunds „Forum Privatheit“ untersucht. Benjamin Bremert, Jurist am Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein, erläutert: „Die Möglichkeiten des Ultraschall-Trackings sind durch die rechtlichen Anforderungen künftig deutlich eingeschränkt, was das Verfahren aus rechtlicher Perspektive unattraktiv macht - jedoch leider keine Garantie dafür ist, dass es nicht doch eingesetzt wird.“ Eine eigens für das White Paper durchgeführte empirische Studie ergab, dass die Nutzer über diese neuen Tracking-Verfahren auffällig wenig wissen. „Die meisten der untersuchten Verfahren waren dem Großteil der Befragten unbekannt. Wurden die Verfahren erläutert, beurteilte eine Mehrheit der Teilnehmenden die Verfahren als nicht nützlich, als bedenklich und als besorgniserregend“, fasst Medienpsychologin Prof. Dr. Nicole Krämer die Ergebnisse zusammen.
Es braucht einen öffentlichen Diskurs, welche Tracking-Formen legitim sind – und welche nicht
Vor allem die Intransparenz der angewandten Tracking-Verfahren, die hohe Eingriffstiefe in das Private und die Tatsache, dass den Nutzenden keine einfach zugänglichen sowie geeigneten Optionen zur Vermeidung von Tracking zur Verfügung stehen, werden von den Forschenden kritisiert. „Zwar wäre es zu einfach, das Tracking als etwas per se Negatives zu betrachten“, meint der Soziologe und Verbraucherforscher Prof. Dr. Jörn Lamla von der Universität Kassel. „Aber es müsste doch erst einmal eine öffentliche Auseinandersetzung über legitime und illegitime Tracking-Formen geben. Stattdessen wird zumeist in weitgehend intransparenter Weise erstmal alles umgesetzt, was sich technisch realisieren lässt. Die Verbrauchersicht spielt oft erst dann eine Rolle, wenn irgendeine Trackingmethode trotz der Intransparenz erkennbar wird und auf breite Ablehnung stößt – dann wird schnell zurückgerudert. Angemessener wäre es, zu einer grundsätzlichen Verständigung darüber zu kommen, welche Tracking-Methoden als legitim gelten sollen.“
Wettrüsten zwischen Webseitenbetreibern und Tracking-Blockern
Um sich gegen die älteren Methoden des Trackings zu schützen, stehen Internetnutzenden zahlreiche technische Hilfsmittel zur Verfügung, sogenannte Ad- und Tracking-Blocker. Diese Tools werden meist ohne Zusammenarbeit mit Browser- bzw. Betriebssystem-Entwicklern konzipiert und als Browser-Erweiterungen umgesetzt. „Tatsächlich führt die fehlende Mitwirkung der Hersteller populärer Browser und Betriebssysteme bei der Gestaltung möglicher Anti-Tracking-Mechanismen zu suboptimalen Lösungen und somit auch zu einem permanenten Wettrüsten zwischen Trackern bzw. Webseitenbetreibern und Tracking-Blockern“, so Hervais Simo, Privatheitsforscher am Fraunhofer SIT und Mitglied im „Forum Privatheit“. Effektivere und nachhaltigere Gegenmaßnahmen müssten tief im Browser bzw. Betriebssystem verankert und nach den Prinzipien des Privacy-by-Design und Privacy-by-Default – also Datenschutz durch Technikgestaltung und datenschutzfreundliche Voreinstellungen – realisiert werden. „Der Schutz vor Tracking in mobilen Apps und dem Internet der Dinge sind bislang nur wenig untersucht worden.“ Forscher des Fraunhofer SIT arbeiten derzeit am Tool MetaMiner, welches das Tracking durch mobile Apps für die User sichtbar und kontrollierbar machen soll.