Digitalisierung + KI

Wischmaschinen verblöden die Welt

"Damit die Digitalisierung nicht zur Verblödung der Welt führt, müssen wir sie besser und bewusster steuern", forderte der Wiener Neurologe und PEN-Vizepräsident Harald Kollegger. "Die zwischenmenschliche Interaktion ist in Gefahr."

07.06.2018

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Die Digitalisierung bietet auch künftig viele Vorteile. Sie muss allerdings menschlich geführt werden. Im Bild (v.l.n.r.): Harald Kollegger (Neurologe), Heide Pichler (Tourismus-Expertin), Thomas Cik (Kleine Zeitung)

Über die Smartphone-Sucht, die zunehmende Digitalisierung der Freizeit, haben Philosophen, Ärzte und IT-Experten zum Abschluss der Europäischen Toleranzgespräche diskutiert. Dabei ließ sich deutlich erkennen, dass die Risiken der emotionalen und sozialen Vereinsamung trotz zunehmender Vernetzung weiter zunehmen. Unter dem Motto "Digitalisierung der Freizeit - Verschlafen wir die Zukunft?" wurde mit Kleine-Zeitung-Redakteur Thomas Cik darüber diskutiert, wie sehr die voranschreitende Digitalisierung den Menschen in seiner Freizeit bestimmt. Die Abhängigkeit von der "Wischmaschine", also dem Smartphone, weist Merkmale einer Sucht auf, erklärte Harald Kollegger: "Die Verleugnung, von etwas abhängig zu sein, ist meist als erstes Zeichen einer Sucht anzusehen", so der Mediziner. Wie Studien belegen, befänden sich heranwachsende Mädchen, denen ihr Smartphone weggenommen wurde, in einem ähnlichen psychischen Zustand, als wenn sie ihr Freund verlassen hätte.

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Aus philosophischer Sicht sei die voranschreitende und gut funktionierende Digitalisierung nicht wirklich verwunderlich: "Digitalisierung ist nicht neu. Sie ist die Zuspitzung dessen, was die Industrialisierung mit sich bringt", erklärte der deutsch-indische Philosoph Pravu Mazumdar. Das Wischen, Klicken und Tippen, das mit der Digitalisierung einhergehe, würde viele Arbeitsprozesse enorm vereinfachen, und sich daher logischerweise durchsetzen, doch fehlt es in der Folge vielerorts an Empathie. Früher, so Mazumdar, haben sich die Menschen in der U-Bahn noch unterhalten, heute kreuzen sich die Blicke nur noch selten, da jeder auf sein Handy schaut. "Die Blicke sind gestorben", fasste der Philosoph zusammen.

Digitalisierung eine Bereicherung

Die Digitalisierung unserer Zeit sei ein großer Gewinn, entgegnete IT-Experte Georg Holzer: "Wikipedia ist die größte Ansammlung von Wissen, die der Mensch je geschaffen hat." Kritiker der sich digitalisierenden Umgebung kämen häufig einfach nicht mit der Entwicklung mit. Auch der Forderung, Menschen sollten ihre Freizeit wieder miteinander gestalten anstatt zu chatten, erteilte Holzer eine Absage: "Wir chatten, um uns zur Freizeitgestaltung zu verabreden. Das ist die Realität." Auch für Tourismusexpertin Heide Pichler überwiegen die positiven Aspekte einer vernetzten Welt, auch wenn sie einschränkte: "Die Bilder im Internet steuern uns zum und im Urlaub. Trotzdem bleibt der persönliche Kontakt und die persönliche Kundenansprache weiterhin wichtiger als der über soziale Medien."

Dass die Digitalisierung nicht aufzuhalten ist, stellte der Präsident des Wirtschaftsforums der Führungskräfte, Gerhard Zeiner, fest. Um Nutzen daraus zu ziehen, forderte er jedoch einen verantwortungsvolleren Umgang mit den neuen Technologien. "In Medizin und Gesundheit haben wir durch die Digitalisierung schon heute enorme Fortschritte gemacht", sagte Zeiner. Was es in Zukunft brauche, sei "Führung im richtigen Umgang mit digitalen Inhalten". Letztlich, so Georg Holzer, sei eine generelle Verteufelung der Digitalisierung nicht zielführend. Auch gäbe es glücklicherweise Dinge, die einfach nicht digitalisierbar seien: "Wenn ich daran denke, wie die Atmosphäre bei einem gemeinsamen Abendessen ist, bin ich der Meinung, dass ein solches Gefühl nie digital vermittelt werden kann."

Quelle: UD/pte
 

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