Bericht zeigt die Fortschritte im Kampf gegen Sklaverei
In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 wurde die Sklaverei verboten. Dennoch existiert sie weiter – in moderner Form als Zwangsarbeit und Menschenhandel etwa. Ein neuer Anti-Sklaverei-Bericht klärt über die aktuelle Lage auf und zeigt, welche Unternehmen hierbei am besten abschneiden.
28.06.2017
Heute fristen so viele Menschen ihr Dasein als Sklaven wie nie zuvor. Laut Global Slavery Index (GSI) sollen es 35,8 Millionen Menschen sein, ein großer Teil davon Kinder. Wie ist das möglich, wenn Sklaverei weltweit geächtet ist? Sie lebt versteckt inmitten der hochtechnisierten und vernetzten Welt weiter. Zum Menschenhandel werden moderne Infrastrukturen genutzt, Händler profitieren von den billigen Preisen, und intransparente Lieferketten verschleiern die dahinterliegenden Prozesse. Wie viele Produkte aus Sklavenarbeit finanziert der Verbraucher am Ende gar aus eigener Tasche? Mit nicht minder beklemmenden Fragen eröffnet das Vorwort den Bericht zur Anti-Sklaverei-Studie 2016, die Development International e.V. mit Unterstützung des Software- und Nachhaltigkeitsspezialisten iPoint-systems auf den Weg gebracht hat. Die Studie wirft ein Schlaglicht auf die aktuelle Performance von Unternehmen im Kampf gegen Sklaverei und Menschenhandel.
Verbesserungen an allen Fronten
In der Studie wurden Unternehmen auf ihr gesetzeskonformes Verhalten in Bezug auf den California Transparency in Supply Chains Act (CA-TISCA) untersucht. Das Gesetz betrifft alle Unternehmen, die im US-Bundesstaat Kalifornien Produkte vertreiben, Geschäfte machen und globale Jahresbruttoeinnahmen von über 100 Millionen Dollar verzeichnen. CA-TISCA fordert von diesen Unternehmen die Offenlegung der Maßnahmen, die sie ergriffen haben, um moderne Formen der Sklaverei und des Menschenhandels in ihren Lieferketten zu unterbinden. 2016 waren insgesamt 3.336 Unternehmen von dem Gesetz betroffen, von denen 1.909 Unternehmen – also mehr als 57 Prozent – eine CA-TISCA-Offenlegungserklärung veröffentlicht haben. Diese 1.909 Unternehmen, worunter sich auch 16 Unternehmen aus Deutschland befinden, standen im Mittelpunkt der Studie.
Im Vergleich zur ersten, 2015 erschienenen CA-TISCA-Benchmarking-Studie lassen sich für das Jahr 2016 Verbesserungen nahezu aller Scores und Ratings verzeichnen: „Mehr Unternehmen haben eine Erklärung zu ihrer CA-TISCA-Compliance veröffentlicht, mehr Unternehmen haben die gesetzlichen Anforderungen erfüllt, und es wurden mehr proaktive Maßnahmen gegen Sklaverei und Menschenhandel ergriffen als im Jahr 2015“, bemerkt Dr. Chris Bayer, Untersuchungsleiter bei Development International und Ko-Autor der Studie. Sichtbare Verbesserungen hinsichtlich der Offenlegungspflicht gab es in den Bereichen Risikobeurteilung, Audits, Supplier-Überprüfung, interne Rechenschaftspflicht und Training. In diesen Feldern hat es in der vergangenen Zeit einige neue Regularien gegeben, etwa auch den „Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte“ der Bundesregierung. Der Bericht macht deutlich, welche Zusammenhänge zwischen den Verbesserungen und diesen Regularien bestehen können. Der in der Studie untersuchte Grad der proaktiv implementierten Anti-Sklaverei-Maßnahmen hat sich im Vorjahresvergleich ebenfalls um zwei Prozentpunkte auf 33 Prozent verbessert. Die Dimension der Transparenz wurde 2016 erstmals in der Studie beleuchtet. Hier zeigte sich, dass bislang nur eine Minderheit der Unternehmen die Methoden und Ergebnisse offenlegen, die sie bei der Implementierung ihrer Anti-Sklaverei-Programme angewandt und erzielt haben. So haben zum Beispiel nur 1% der untersuchten Unternehmen ihre Methoden des Supply Chain-Mapping beschrieben, lediglich 12% diskutierten die Methoden, die sie bei der Auditierung ihrer Zulieferer bzw. Lieferkette angewandt haben, und nur 27 Prozent der untersuchten Unternehmen haben eine entsprechende Policy bzw. einen Verhaltenskodex veröffentlicht und referenziert. Dies darf dennoch nicht über das gute Gesamtergebnis hinwegtäuschen und über die Tatsache, dass bei vielen der untersuchten Unternehmen im Vorjahresvergleich große Fortschritte im Kampf gegen Sklaverei in ihren Liefer- und Serviceketten aufgezeigt werden konnten.
Von Transparenz zu Transformation
Unternehmen spielen die Hauptrolle bei der Bekämpfung von moderner Sklaverei. Gleichzeitig können sie zu deren Fortbestehen beitragen, wenn sie das Thema nicht in ihren Liefer- und Serviceketten adressieren und mit entsprechenden Maßnahmen angehen. Als wichtiger politischer Schritt, um diese Dynamik zu durchbrechen, wurden in den vergangenen Jahren rechtliche Rahmenverordnungen für mehr Transparenz etabliert. Ohne Offenlegungspflicht über ihre Tätigkeiten sei es sonst sogar möglich, dass Unternehmen das Narrativ in die falsche Richtung fortschreiben und völlig legal verschweigen würden, dass sie Sklaverei innerhalb der Lieferketten tolerieren, betont Julia Ormond im Vorwort des Anti-Sklaverei-Berichts. Sie hat als Gründerin und Präsidentin der Alliance to Stop Slavery and End Trafficking (ASSET) dazu beigetragen, dass CA-TISCA im Jahr 2010 verabschiedet wurde. Es ist eines von mehreren neuen Gesetzen, die das Thema Menschenrechte in den Mittelpunkt stellen. Im EU-Raum zählen dazu insbesondere der UK Modern Slavery Act (2015) und auch die EU-Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung (2014/95/EU).
Zu den Unternehmen mit Top-Bewertungen zählen zum Beispiel American Eagle Outfitters, Hewlett-Packard Company, Altera Corp, Intel Corp, Burberry Group PLC, Brooks Sports Inc., Patagonia Inc, GAP Inc, Vans und Apple. „Es gibt hier definitiv Vorzeigeunternehmen und -branchen. Ermutigenderweise verabschieden immer mehr Länder entsprechende Gesetze, um des Problems Herr zu werden“, bemerkt Jörg Walden, Geschäftsführer von iPoint-systems. „Um Sklaverei und Menschenhandel wirklich aus der Welt zu schaffen, bedarf es aber gemeinsamer Anstrengungen und der Bereitschaft, voneinander zu lernen und lieferkettenweit zu kooperieren. Branchenübergreifende Lösungen wie das electronic Labor Rights Template (eLRT) spielen dabei eine zentrale Rolle.“
Die besten Unternehmen innerhalb des Studien-Rankings zeigen, wie eine Transformation innerhalb der Wertschöpfung gelingen kann. Die „Leaders“ der Studie können zwar nicht im Alleingang das System verändern, wohl aber die nötigen Schritte hin zu einer nachhaltigen Veränderung aufzeigen. Der erste Schritt bestehe darin, selbst darzulegen, welchen Sklaverei-Risiken ihre Lieferketten ausgesetzt seien, sagt Ormond. Als Zweites seien branchenspezifische und branchenübergreifende Partnerschaften nötig, mit deren Hilfe Unternehmen neue Lösungen und Anti-Sklaverei-Maßnahmen gemeinsam entwickeln und umsetzen können, so Ormond weiter. Die Studie liefert damit eine Vergleichsbasis der Unternehmensleistungen und eine Ausgangslage, um die Transparenz- und Transformationsziele für die Zukunft zu stecken.
iPoint hat mit Stakeholdern ein Anti-Sklaverei-Template entwickelt
Um Unternehmen bei der Einhaltung weltweiter Gesetze zur Bekämpfung der Sklaverei und des Menschenhandels zu unterstützen, hat iPoint mit Development International und einem Stakeholder-Forum ein Tool entwickelt: das electronic Labour Rights Template (eLRT – ausgesprochen wie engl. „alert“ = Alarm). Es ist ein kostenloses Excel-basiertes Template, das die Sammlung, Analyse und Berichterstattung der relevanten Informationen über Anti-Sklaverei- und Anti-Menschenhandels-Maßnahmen erleichtert, die Unternehmen in ihren Liefer- und Serviceketten gemäß geltender gesetzlicher und firmenspezifischer Anforderungen umsetzen. Das Template beinhaltet 21 Indikatoren-Sets, die neben CA-TISCA sechs weitere einschlägige Gesetze aus dem Vereinigten Königreich, der Europäischen Union und den USA berücksichtigen. Außerdem können Unternehmen zusätzliche „Red-Flag“-Indikatoren auswählen, die von Sklaverei-relevanten Berichtsstandards, -tools und -rahmenwerken stammen. Alle Indikatoren sind nach dem international anerkannten fünfstufigen Due Diligence-Framework der OECD angeordnet. Das Excel-basierte eLRT-Tool kann gratis auf der Webseite www.elrt.org heruntergeladen werden.