Effiziente Vertragsgestaltung in der Lieferkette
CSR-Vereinbarungen sind ein gutes Mittel unternehmerischer Sorgfalt, sagt der Jurist Robert Grabosch und erläutert, wie Verträge entsprechend gestaltet werden können.
02.03.2017
Die Anforderungen an die unternehmerische Sorgfalt steigen. Das betrifft alle vier Themen des UN Global Compact. Die Sorgfalt darf sich in allen Geschäftsfeldern nicht mehr auf die unmittelbaren Geschäftspartner des Unternehmens beschränken. Sie muss − wo angezeigt − auch tiefer in die Wertschöpfungskette hineinreichen. Ausweislich der neuen CSR-Berichtspflichten betrifft dies alle verschiedenennichtfinanziellen Belange. Gleichzeitig zeigen Investoren und Kunden im Falle eines Skandals immer weniger Geduld. Dass in der Lieferkette Probleme auftreten können, ist keine neue Erkenntnis. Der hilflose Einwand, man könne für das Verhalten von Lieferanten oder deren Geschäftspartner keine Verantwortung übernehmen, wirkt heute eher unbeholfen denn glaubwürdig. Kann ein Unternehmen im Skandalfall nicht angemessen handeln, erwägen inzwischen selbst solche Investoren einen Ausstieg, die sich Nachhaltigkeit nicht ausdrücklich auf die Fahne geschrieben haben.
Umso wichtiger wird es, Informationsrechte und Einflussmacht in Verträgen zu gestalten. Dazu sollten mit den sorgfältig ausgewählten Geschäftspartnern klare Absprachen getroffen werden. Dass Geschäftspartner rein mündlich formulierte oder gar stillschweigende Erwartungen erfüllen, ist nicht ernsthaft zu erwarten. Es gilt der Grundsatz: Was wichtig ist, wird schriftlich fixiert. Aber nicht alle Probleme lassen sich durch klare Verhaltensregeln vermeiden. Deswegen ist in Vertragswerken auch festzuhalten, wie die Vertragspartner mit Problemfällen umgehen werden. Nur so vermeiden Geschäftsführer und Vorstände es, in Skandalfällen handlungsunfähig zu sein und sich in peinliches Schweigen hüllen zu müssen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick darüber, welche Vereinbarungen mit Lieferanten in Betracht kommen. Die neuen CSR-Berichtspflichten auf Grundlage der EU-Richtlinie vom 22.10.2014 sollten den mit CSR-Aufgaben betrauten Mitarbeitern Anlass bieten, die Vertragswerke gemeinsam mit internen oder externen Rechtsberatern auf Verbesserungspotential zu prüfen.
CSR in Verträgen thematisieren
Nicht wenige Unternehmen erwarten von ihren Geschäftspartnern schlicht, dass sie ihren Verhaltenskodex zur Kenntnis nehmen und bestätigen. Ob damit aber irgendeine rechtliche Verbindlichkeit einhergeht und wie mit möglichen Verstößen gegen den Kodex umgegangen werden soll, bleibt zwischen den Vertragspartnern ungeklärt.
Wer zeigen will, dass er es mit der Unternehmensverantwortung ernst meint, muss sie in seinen Vertragswerken thematisieren. Vereinbarungen zum Umgang mit CSR-Belangen sind heutzutage in den Geschäftsbeziehungen großer Unternehmen bereits weit verbreitet. Doch häufig erschöpfen sie sich in vagen Wunschvorgaben oder gar apodiktischen Behauptungen. So heißt es etwa in den allgemeinen Einkaufsbedingungen eines großen deutschen Einzelhändlers, der Lieferant „versichert, dass die gelieferte Ware weder durch ausbeuterische, gesundheitsschädigende oder sklavenartige Arbeit noch durch Kinderarbeit, Zwangsarbeit oder sonst die Menschenwürde verletzende Gefängnisarbeit hergestellt worden ist.“ Doch was genau bedeutet das beispielsweise für Hersteller von Lebensmitteln mit Zutaten aus Kolumbien oder für Lieferantenvon Non-Food-Waren aus Pakistan? In welcher Form und auf welcher Grundlage „versichern“ sie all diese Umstände? Wann ist Arbeit überhaupt „ausbeuterisch“? Genauere Vorgaben für die wichtigsten Produktarten und Geschäftsregionen lassen die Vertragswerke häufig vermissen. Es ist kein Wunder, wenn Lieferanten derartige Klauseln mehr oder weniger bewusst übersehen.
Das Unternehmen kann dann im Konfliktfall noch nicht einmal verlangen, dass der Geschäftspartner sich an die getroffene Vereinbarung hält. Wegen Unklarheiten bei der Formulierung ist nämlich schon zweifelhaft, ob die jeweilige CSR-Klausel überhaupt rechtlich wirksam ist. Denn Vertragswerke, die für eine mehrfache Verwendung vorformuliert worden sind, behandelt das Gesetz als „Allgemeine Geschäftsbedingungen“. AGB müssen einige gesetzliche Anforderungen erfüllen − auch wenn sie ausschließlich für den Geschäftsverkehr mit Unternehmen gedacht sind. Klauseln müssen klar formuliert sein, vom gesetzlichen Leitbild nicht zu sehr abweichen und den Geschäftspartner nicht unangemessen benachteiligen. Auch darf eine CSR-Klausel nicht am Ende einer ganz anderen ausführlichen Regelung − etwa der Liefermodalitäten − „versteckt“ werden. In all diesen Fällen ist die CSR-Klausel unwirksam.
Relevante Inhalte konkretisieren
CSR-Klauseln müssen aber auch nicht bis hin zur lästigen, unnötigen Kleinlichkeit ausgedehnt werden. Welche Themen sind es, die besonders genau geregelt werden sollten? Das zeigen die Ergebnisse der Umfeld- und Geschäftspartneranalysen, die selbstverständlich auch im Hinblick auf die vier Gebiete des UN Global Compact durchzuführen sind. Aus dem vielfältigen Bestand an Standards für verschiedene Branchen können passende ausgewählt werden. In den allermeisten Fällen bedarf es keiner Neuerfindung von Standards und Zertifizierungssystemen. Die Grundzüge eines passenden Standards werden dann im Vertrag beschrieben, ggf. wesentliche Inhalte hervorgehoben, und ihr Text als Anlage dem Vertrag beigefügt, falls er nicht bereits als bekannt vorausgesetzt werden kann.
Jedenfalls für große kapitalmarktorientierte Unternehmen und deren Geschäftspartner sind auch die neuen CSR-Berichtspflichten auf Grundlage der europäischen Richtlinie 2014/95 wichtig. Damit die Controlling-Abteilung die nichtfinanziellen Berichte vorbereiten kann, muss die Geschäftsleitung relevante qualitative und quantitative Informationen bestimmen. Die Sammlung der Informationen bei den Geschäftspartnern, ggf. gar durch die Lieferkette hinweg, sollte durch vertragliche Verpflichtungen zur Selbstauskunft gesichert werden.
Die im deutschen Vertragsrecht anerkannte Gestaltungsfreiheit ermöglicht außerdem vielfältige Vereinbarungen zugunsten Dritter, die selbst nicht Vertragspartner sind. Derartige Klauseln können zum Beispiel betroffene indigene Bevölkerungen oder Arbeiter auf Plantagen unmittelbar ermächtigen, gesundheitsschützende Maßnahmen oder Schadensersatz vom Lieferanten zu verlangen. Es kommt dann nicht mehr darauf an, ob derartige Ansprüche in der dortigen (ausländischen) Rechtsordnung vorgesehen sind oder vom Lieferanten gegenüber seinen Arbeitnehmern zugesagt worden sind.
Einflussmacht durch Kontrollinstrumente
Wichtig ist es auch, Kontrollinstrumente zwecks Überprüfung der Einhaltung der ausgewählten Standards zu vereinbaren. Andernfalls ist kein Verlass darauf, dass der Lieferant an Kontrollen mitwirkt oder auch nur Auskunft über Betriebsvorgänge erteilt und ggf. bei Dritten einholt. Hier sind die Vor- und Nachteile von Zertifizierungen, Audits und Besuchen bei Lieferanten durch eigenes Personal abzuwägen. Audits sind zwar weit verbreitet, aber nicht ohne Weiteres zuverlässig. Wie den Auditoren zusätzliche Anreize für eine gründlichere Prüfung gesetzt werden kann, sollte im Verhältnis zum Audit-Unternehmen bei der Verhandlung der Auftragsbedingungen bedacht werden.
Weitergeleitete CSR-Vereinbarungen
Durch eine Vereinbarung mit dem Lieferanten können nicht unmittelbar auch dessen Vor-Lieferanten Pflichten auferlegt werden. Damit auch Vor-Lieferanten in die Pflicht genommen werden können, muss der Lieferant verpflichtet werden, die Inhalte der CSR-Klauseln an die Vor-Lieferanten zu berichten und sich bestmöglich darum zu bemühen, diese entsprechend zu verpflichten und die Einhaltung der Pflichten regelmäßig zu prüfen.
Folgen von Verstößen
Verstöße gegen die vereinbarten Standards lassen sich nie ganz ausschließen, auch nicht durch höchste Sorgfalt bei der Auswahl zuverlässiger Lieferanten. Bisher verlassen sich Unternehmen überwiegend darauf, dass der Lieferant in Problemfällen von sich aus Maßnahmen weitgehend tolerieren wird, um seine Geschäftsbeziehung zu erhalten. Nur durch geeignete Klauseln zum Informationsfluss und Krisenmanagement sichert sich das Unternehmen jedoch seine Handlungsfähigkeit. Stehen ihm vereinbarte Anreiz- und Sanktionsinstrumente zur Verfügung, kann es zügig angemessene Maßnahmen einleiten und seine Geschäftspartner zur Mitwirkung bei der Problemlösung zwingen. CSR-Probleme müssen dann nicht mehr in Blamagen enden.
Ebenso wie Belohnungen, z. B. Bonuszahlungen, für die Erreichung prüfbarer Indikatoren gewährt werden können, lassen sich auch Schadensersatzpflichten und Vertragsstrafen in Fällen festgestellter Verstöße vereinbaren.
Für Fälle festgestellter Verstöße sollte sich das Unternehmen auch eine Auswahl an praktisch sinnvollen Konsequenzen sichern. Inwiefern muss sich der Lieferant an einer Krisenbewältigung beteiligen und wann ist eine außerordentliche Kündigung des Liefervertrages möglich? Die meisten der bisherigen Kündigungsklauseln in Verhaltenskodizes sind nicht rechtswirksam, denn sie stellen nicht darauf ab, ob der Lieferant hinreichend Möglichkeit hatte, den Verstoß zu verhindern oder zu beseitigen.
Zusammenfassung
Eine effiziente Vertragsgestaltung macht andere Maßnahmen unternehmerischer Sorgfalt nicht überflüssig. Vielmehr setzt sie eine gründliche Risikoanalyse voraus und ergänzt andere Maßnahmen wie Monitoring-Systeme, Multi-Stakeholder-Initiativen, Schulungen u.s.w. So verstanden und umgesetzt sichern CSR-integrierte Verträge die unternehmerische Handlungsfähigkeit in Problemsituationen und sind die Grundlage für ein vorbildliches Krisenmanagement. Gerade in Regionen mit niedrigen Lebensstandards und in typischerweise gefahrgeneigten Branchen können so beachtliche Erfolge erzielt werden. Das Unternehmen hat dann in jeder Problemsituation die Chance, seine angemessene Risikovorsorge unter Beweis zu stellen.
Im Original ist der Text im Jahrbuch "Global Compact Deutschland 2016" erschienen.
Über den Autor
Robert Grabosch ist Rechtsanwalt & Wirtschaftsmediator bei der deutsch-niederländischen Anwaltskanzlei Grabosch Timmermans. Diese berät Unternehmen auf dem Gebiet des Zivilrechts sowie der Corporate Responsibility.