Migrantenkinder in Mittelamerika: Ausgebeutet, vergewaltigt, versklavt
Auf dem Weg in die USA sind unbegleitete Minderjährige aus Mittelamerika oft sexueller Gewalt und Ausbeutung ausgesetzt. „Auf sich alleine gestellt, werden sie leicht Opfer von skrupellosen Menschenhändlern und Schleusern, die sie vergewaltigen, wie Sklaven verkaufen oder zur Prostitution zwingen“, sagt Nicolas Alfaro, Leiter der SOS-Kinderdörfer in Honduras. „Manche von ihnen verschwinden.“
20.11.2018
Allein in den letzten drei Wochen wurden laut Alfaro über 2.100 Kinder an der Grenze zwischen Honduras und Guatemala aufgegriffen und zurückgeschickt. Mindestens zehn Prozent wurden dabei von ihren Familienangehörigen getrennt. „Kinder und Jugendliche auf der Flucht und in der Migration haben ein Recht auf besonderen Schutz und Hilfe“, sagt Alfaro. „Doch tatsächlich werden diese Rechte immer wieder ignoriert.“ Deshalb betreibt die Hilfsorganisation seit Kurzem Notunterkünfte in Mexiko, El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua. „Unbegleitete Minderjährige finden dort eine sichere Bleibe und wir versuchen, ihre Eltern ausfindig zu machen und die Familien zusammenzuführen“, so Alfaro weiter.
Die Gründe für die Flucht aus ihren Heimatländern sind vielfältig: Bewaffnete Gewalt, Bandenkriminalität, aber auch Armut und Perspektivlosigkeit zwingen die Kinder auf die gefährliche Reise. „Ich bin geflohen, weil meine Familie in El Salvador bedroht wurde. Ein Bandenmitglied wollte meine 15-jährige Tochter heiraten - gegen ihren Willen. Wir hatten große Angst, weil diese Person zuvor einen Mitschüler von ihr ermordet hatte“, erklärt die alleinerziehende Mutter von drei Kindern den Grund für ihre Flucht aus El Salvador. Oder ein 17-jährige Junge aus Honduras in einer Notunterkunft in Mexiko: „Die Maras haben gedroht, mich umzubringen, wenn ich mich ihnen nicht anschließe. Da bin ich zusammen mit meinem Bruder von zu Hause weggelaufen, um in den USA ein neues Leben zu beginnen.“
Bekämpfung der Fluchtursachen
Diese beiden Geschichten sind nur zwei von vielen ähnlich traumatischen Erfahrungen, welche die SOS-Kinderdörfer dokumentieren. Über 7.000 Migranten befinden sich aktuell gemeinsam auf dem Marsch in Richtung der Vereinigten Staaten. „Gemeinsam fühlen sie sich sicherer, aber der Schein trügt, überall lauern Gefahren“, sagt Alfaro. „Krankheiten und Wassermangel bei der großen Hitze schwächen die verzweifelten Menschen zusätzlich.“ Zudem hat US-Präsident Donald Trump im vergangenen Monat rund 17.000 Migranten an der Grenze zu Mexiko festnehmen lassen – das entspricht einem Anstieg von über 30 Prozent im Vergleich zum Vormonat. „Das erhoffte Asyl bleibt den meisten verwehrt und so bleiben sie im wahrsten Sinne auf der Strecke - ohne Geld, Aufenthaltsgenehmigung, Hoffnung. Zurück können sie nicht, denn in ihrer Heimat ist die Zivilgesellschaft zusammengebrochen“, so Alfaro weiter. „Wenn sich die Situation in den Heimatländern nicht ändert, werden die Jugendlichen erneut versuchen, in die USA zu gelangen.“
Deshalb müssten auch die Ursachen für die Flucht bekämpft werden. Die SOS-Kinderdörfer nehmen auf regionaler und nationaler Ebene Einfluss auf Politik und Öffentlichkeit, um mehr Bewusstsein für die Problematik zu schaffen, und wirken beim Aufbau von Kapazitäten staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen mit. Die Maßnahmen umfassen psychotherapeutische Hilfe, Einkommensförderung sowie Selbsthilfeinitiativen, um die Rechte und den Schutz von Kindern, Jugendlichen und Familien zu gewährleisten. Das Projekt wird in fünf Ländern der Region umgesetzt und vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert.