Lieferkette

Vom Lieferkettengesetz profitiert jeder

Noch immer sind viele Produkte, die wir aus den deutschen Supermärkten kennen, eng verbunden mit Menschenrechts- und Umweltproblemen entlang ihrer Lieferketten. Zu diesen Problemen zählen unter anderen in Armut lebende Erzeugerinnen und Erzeuger, gerodete Wälder und Kinderarbeit. Deutsche Unternehmen müssen dafür Sorge tragen, dass die von ihnen angebotenen Produkte mit Rücksicht auf Mensch und Natur hergestellt werden.

10.11.2020

Vom Lieferkettengesetz profitiert jeder

von Kim Schoppink, Global Advocacy Lead bei der Rainforest Alliance

Viele Unternehmen sind sich dieser Verantwortung bewusst: Sie kaufen zertifizierte Rohstoffe oder unterstützen Projekte, die die Zustände in den Problemgebieten verbessern sollen. Doch bislang geht dieses Engagement noch nicht weit genug – Wenn wir wirklich verändern wollen, wie die Welt produziert und konsumiert, müssen sich alle Unternehmen voll und ganz dazu verpflichten, Verantwortung für diese Herausforderungen in ihrer Lieferkette zu übernehmen. Hierfür ist ein entsprechendes Gesetz erforderlich. Ein Gesetz, das Unternehmen in die Verantwortung nimmt und Richtlinien vorschreibt, an denen sich alle Marktteilnehmer orientieren können. Nur mit einem solchen Gesetz lassen sich wirklich alle Unternehmen an Bord holen. Und die Unternehmen, die sich bereits mit Initiativen oder Programmen für ein solches Ziel einsetzen, werden in Ihren Bemühungen noch weiter bestärkt.

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Produkte wie Kakao, Kaffee und Tee werden von Hunderttausenden von Kleinfarmerinnen und -farmern produziert, die jeweils nur sehr kleine Parzellen bewirtschaften. Meist ist der Lebensunterhalt der gesamten Familie abhängig von dem Farmbetrieb. Genau diese Farmerinnen und Farmer sowie die Natur, auf die sie angewiesen sind, müssen mit einem Lieferkettengesetz unterstützt werden. Mit den Kaufentscheidungen in deutschen Supermärkten können Verbraucherinnen und Verbraucher zwar die Grundlagen für ein besseres Miteinander legen. Denn dadurch können die Erzeugerinnen und Erzeuger in den Anbauländern ein angemessenes Einkommen erzielen, Kinder die Schule besuchen und Wälder geschützt werden. Aber es reicht nicht, diese Verantwortung alleine auf die Schultern der KonsumentInnen zu legen.

Die Vorteile liegen auf der Hand

Wird ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, müssen Farmerinnen und Farmer zukünftig sozial und ökologisch verantwortlich wirtschaften. Dies beinhaltet aber auch einige Risiken – denn der Umstieg erfordert einige Investitionen und eine gezielte Ausbildung, die die Farmerinnen nd Farmer nicht alleine stemmen können. Der Schlüssel zu einer Gesetzgebung für die Versorgungskette liegt also darin, dass die Umsetzung nicht allein den Farmerinnen und Farmern auferlegt wird, sondern von allen Stakeholdern entlang der gesamten Lieferkette gemeinsam getragen wird. Die Händler, die Hersteller und die Supermärkte müssen die Farmerinnen und Farmer dabei unterstützen, nachhaltig zu produzieren.

Ein Lieferkettengesetz bedeutet für die Unternehmen aber nicht nur zusätzliche Arbeit, Verantwortung und Kontrollen. Mit einer entsprechenden Rechtsprechung bieten sich auch viele Chancen. Es würden vor allem die Unternehmen profitieren, die bereits Initiativen und Programme gestartet haben, um Nachhaltigkeitsfragen entlang der Lieferkette anzugehen. Dafür haben sie Investitionen getätigt, die direkte Konkurrenten vielleicht nicht erbracht haben. Ein Lieferkettengesetz würde auch Nachzügler dazu bewegen, endlich das Heft in die Hand zu nehmen und ihre Lieferketten nachhaltiger zu gestalten. Dadurch entsteht wieder ein fairer Wettbewerb.

Arbeiter beim Sortieren von Kaffebohnen

Gemeinsame Verantwortung

Unsere Arbeit und Verantwortung endet jedoch nicht an dem Tag, an dem das Lieferkettengesetz in Kraft tritt. Dies wäre zwar ein enorm wichtiger Schritt, aber noch lange kein Allheilmittel auf dem Weg zu einer vollständig nachhaltigen Produktwirtschaft. Viele der Probleme, die wir mit unserer Arbeit adressieren, sind tief in den sozioökonomischen Systemen der Anbauländer verwurzelt und sind nicht immer im direkten Umfeld der Lieferketten angesiedelt. Diese dürfen wir jedoch auf keinen Fall aus den Augen verlieren. Die sozialen und ökologischen Probleme können durch eine entsprechende Regulierung zwar abgemildert werden – es wird aber auch weiterhin freiwillige Verpflichtungen und Programme von Unternehmen und bilaterale Kooperationen zwischen den Ländern nötig sein. So kann beispielsweise Kinderarbeit nicht alleine dadurch verhindert werden, dass sie im Kakao-, Kaffee- oder Bekleidungssektor bekämpft wird. Dies würde oft dazu führen, dass Kinder in anderen Sektoren noch stärker als Arbeitskräfte eingebunden werden oder, dass Kinderarbeit noch gezielter vor Kontrolleuren versteckt wird. Um hier einen Hebel zu finden, müssen auch die Regierungen in den jeweiligen Anbauländern eingebunden werden, damit Kinderarbeit in alle Sektoren bekämpft und das Schulsystem verbessert wird. Deutschland und andere europäische Länder können diesen Regierungen finanzielle und logistische Unterstützung bieten, um Probleme langfristig zu beheben.

Die Rainforest Alliance steht voll hinter dem geplanten Lieferkettengesetz. Seit der Gründung vor über 30 Jahren machen sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Mitglieder des Zertifizierungsprogramms dafür stark, die Probleme entlang der globalen Lieferketten zu bekämpfen. Und obwohl die Organisation in diesem Bereich schon große Erfolge erzielen konnte, gibt es noch immer viel zu tun. Das liegt zum einen daran, dass die Zertifizierungsprogramme alleine nicht alle Probleme lösen können, die es entlang der Lieferketten zu bekämpfen gilt. Zum anderen ist die Nachfrage nach zertifizierten Produkten weltweit und auch in Deutschland noch nicht hoch genug. Zwar geben viele Verbraucherinnen und Verbraucher an, beim Einkauf auf Nachhaltigkeit zu achten (71 Prozent tun dies zumindest gelegentlich), die Absatzzahlen der Supermärkte decken sich aber nicht unbedingt mit diesen Angaben.

Rainforest Alliance: Vom Lieferkerrengesetz profotiert jeder

Die Entscheidung fällt am Regal

Zertifizierungsprogramme helfen den Farmerinnen und Farmern dabei, nachhaltiger zu wirtschaften. Damit sich dieser Aufwand und die Investitionen für die Erzeugerinnen und Erzeuger aber auch lohnen, müssen die entsprechend zertifizierten Produkte auch von den Konsumentinnen und Komsumenten angenommen werden. Dazu bedarf es zum einen der fortlaufenden Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher über die verschiedenen Programme und deren Inhalt. Zum anderen bedarf es einer konsequenten Gesetzgebung, die die Unternehmen noch mehr in die Verantwortung nimmt, soziale und ökonomische Ungerechtigkeiten entlang ihrer Lieferketten zu adressieren. Durch ein Lieferkettengesetz wären die großen Marken in der Pflicht, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen, entsprechende Programme in Auftrag zu geben und Kooperationen mit passenden Organisationen suchen. Dadurch werden Lebensmittel nachhaltiger hergestellt, bessere Löhne ausgezahlt, Kindern eine Schulbildung ermöglicht und die verheerende Abholzung eingedämmt.

Von einem solchen Lieferkettengesetz würde wirklich jeder profitieren. Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher an den deutschen Supermarktregalen – denn dadurch hätten sie endlich Gewissheit, dass die Hersteller des Produkts endlich verantwortlich gemacht werden können für nachhaltigere Lieferketten. Natürlich könnten einige Produkte dadurch etwas teurer werden. Aber die paar Cent, die ein Schokoriegel oder eine Banane hier mehr kostet, kann in den Anbauländern schon einen riesigen Unterschied ausmachen.

Kim Schoppink, Global Advocacy Lead bei der Rainforest Alliancezoom

Über die Autorin

Kim Schoppink ist Global Advocacy Lead bei der Rainforest Alliance. Sie ist verantwortlich für die Advocacy-Arbeit in den Sektoren Tee, Kaffee und Kakao auf globaler, regionaler und lokaler Ebene. Fokus ihrer Arbeit ist es durch die Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungsträgern nachhaltigere Lieferketten im öffentlichen und privaten Sektor zu schaffen.

Quelle: UD
 

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