Lieferkette

Due Diligence: Französisches Gesetz als Vorbild für Deutschland und die EU?

Während in Deutschland noch über das Sorgfaltspflichtengesetz, auch als Lieferkettengesetz bekannt, debattiert wird, existieren in anderen Ländern bereits Regelungen zur Due Diligence. Vor allem das französische Gesetz „Loi sur le devoir de vigilance“ gilt als vorbildlich. Was es beinhaltet, hat eine von iPoint-systems in Auftrag gegebene Studie untersucht.

21.05.2021

Von Dr. Katie Boehme, Head of Corporate Communications & Sustainability bei iPoint-systems

An Arbeiter an einem Gerüst

Die Europäische Union will im Zuge des European Green Deal und des Corona-Rettungspakets auch gesetzliche Regelungen erlassen, die Unternehmen ab 2021 zu menschenrechtlicher und ökologischer Sorgfalt (Due Diligence) in ihren Lieferketten verpflichten EU-Justizkommissar Didier Reynders informierte unter anderem in einem Online-Seminar im April 2020 über das Vorhaben. Damit schließt sich die EU bestehenden Bestrebungen an, die beispielsweise in Frankreich mit der „Loi sur le devoir de vigilance“ oder in den Niederlanden mit dem „Wet Zorgplicht Kinderarbeid“ bereits Gesetzeskraft erlangt haben, berichten Dr. Chris N. Bayer und Juan Ignacio Ibañez im iPoint-Blog.

Auch in Deutschland wird aktuell über ein Sorgfaltspflichtengesetz entlang der Wertschöpfungskette diskutiert. Dies sei dringend nötig, weil nur etwa ein Fünftel der deutschen Unternehmen überhaupt die Einhaltung der Menschenrechte in ihren Lieferketten überprüften, berichtet die NGO „Initiative Lieferkettengesetz“ anlässlich des Monitorings der Bundesregierung im Rahmen des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Vor drohenden massiven Belastungen der Wirtschaft durch das auch von den Bundesministern Hubertus Heil (SPD) und Gerd Müller (CSU) befürwortete Gesetz warnt hingegen der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Lars Feld, in der FAZ.

Derweil gilt vielen das französische Sorgfaltspflichtengesetz als Vorbild für eine etwaige EU-weite Regelung. In Frankreich müssen Unternehmen ab einer Größe von 5.000 Mitarbeitern Pläne aufstellen, umsetzen und evaluieren, wie sie die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter in ihren Zulieferunternehmen schützen und auch den Umweltschutz vor Ort gewährleisten. Zudem müssen sie direkte und indirekte Risiken über schädliche Auswirkungen ihrer Lieferbeziehungen identifizieren und Vorkehrungen zu ihrer Verhinderung treffen. Auch darüber muss jährlich berichtet werden.

Ob das französische Gesetz in der Praxis wie erwartet funktioniert, hat die Berliner gemeinnützige Forschungsagentur „Development International e.V.“ in einer vom Softwarehaus iPoint-systems in Auftrag gegebenen Studie untersucht. Darin wurden die Sorgfaltspflichtberichte von 134 französischen Unternehmen anhand von 42 quantitativen Leistungskennzahlen und weiteren 14 qualitativen Merkmalen auf ihre Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben und ihrer Konformität mit den „UN Guiding Principles on Business and Human Rights“ (UNGP) sowie die Qualität der Offenlegungen geprüft.

Das Gesamtergebnis zeigte, dass die meisten Unternehmen noch deutliches Verbesserungspotenzial gerade bei der Transparenz (hier wurde ein Wert von 36 Prozent Übereinstimmung mit den Kennzahlen ermittelt) und bei der Konformität mit den UNGP-Prinzipien (24 Prozent) aufwiesen. Die Beachtung der Vorschriften sei mit insgesamt 66 Prozent aber bereits zufriedenstellend. Grundsätzlich seien durch das Gesetz Reformprozesse in den französischen Unternehmen angestoßen worden.

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Ein Ziel von Due Diligence liegt darin, das Bewusstsein für die Bedeutung verantwortungsvoller Unternehmensführung zu steigern. Über die Offenlegungspflicht soll außerdem eine Art Pool von Beispielen guter Praxis entstehen, an dem sich auch andere Unternehmen orientieren können. Die Autoren der Studie verweisen in einem Fachbeitrag für iPoint-systems darauf, dass auf dem Weg zu diesen Zielen einige Fallstricke lauern. In ihrer nichtfinanziellen Berichterstattung neigten viele Unternehmen dazu, eher über etwaige Risiken in der Lieferkette und deren Vorbeugung zu berichten als über aktuelle schädliche Auswirkungen der Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen und Lieferanten. Das hat eine 2019 ebenfalls von Development International erstellte und von iPoint geförderte Vergleichsstudie zur nichtfinanziellen Berichterstattung in Deutschland, Österreich und Schweden gezeigt. Dabei zeigten sich länderspezifische Unterschiede: Schwedische Unternehmen berichten nach Ansicht von Bayer und Ibañez besonders offen über den eigenen Impact auf menschenrechtliche, Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen in der Lieferkette.

Als geeignetes Mittel gegen die uneinheitliche Befolgung der menschenrechtlichen und ökologischen Sorgfaltspflicht empfehlen die Autoren eine striktere Gesetzgebung nach französischem Vorbild. Unternehmen würden unter anderem auch deshalb dazu motiviert, ihren Due-Diligence-Verpflichtungen gewissenhaft nachzukommen, weil betroffene Akteure die Unternehmen sogar in Haftung nehmen könnten, falls sie ihnen Verstöße oder auch falsche oder nicht ausreichende Schutzmaßnahmen nachweisen können. Die Diskussion in der EU laufe auf ein solches Modell hinaus, das dann für Unternehmen aller Größen und Sektoren gelten werde, eventuell mit Ausnahmen für kleine und mittlere Unternehmen.

Das Reutlinger Softwarehaus iPoint finanziert regelmäßig Studien und Projekte zu Due Diligence und nichtfinanzieller Berichterstattung. Damit und mit seinen auf dem Ansatz der Circular Economy aufsetzenden Softwarelösungen für Produkt-Compliance, Nachhaltigkeit, Risikomanagement- und Due-Diligence-Prozessen sowie zur Nachverfolgbarkeit des gesamten Produkt-Lebenszyklus und zur Lieferketten-Transparenz leistet iPoint einen Beitrag zu SDG 12 (nachhaltige/r Konsum und Produktion). Vor allem tragen die Lösungen dazu bei, die ökologischen und sozialen Fußabdrücke von Unternehmen und Produkten sichtbar zu machen. Des Weiteren fördern iPoints Softwarelösungen auch die Erreichung von SDG 8 (menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum) und SDG 9 (Industrie, Innovation und Infrastruktur).

Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte

Die UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP) wurden 2011 vom UN-Menschenrechtsrat einstimmig angenommen. Die rechtlich nicht verbindlichen Prinzipien haben gleichwohl ihren Niederschlag in einer Vielzahl weiterer Initiativen und Rahmenwerke gefunden. Die UNGP werden durch drei Säulen bestimmt: Schutz der Menschenrechte, Achtung der Menschenrechte und Zugang zu Abhilfe. Beim Schutz der Menschenrechte wird vor allem der Staat angesprochen, während die zweite Säule sich insbesondere an Unternehmen wendet. Hier findet das Thema Due Diligence seinen Niederschlag. Die dritte Säule geht von einer geteilten Verantwortung von Staaten und Unternehmen aus. Staaten sollen gesetzliche und institutionelle Vorkehrungen treffen, damit Betroffene die Einhaltung der Menschenrechte einfordern können. Auch von Unternehmen wird erwartet, Beschwerdemöglichkeiten zu schaffen und gegebenenfalls auch Möglichkeiten zu schaffen, Wiedergutmachung für begangene Menschenrechtsverletzungen zu leisten.

Dieser Artikel ist im Original im Jahrbuch „Global Compact Deutschland 2020“ zum Thema „20 Jahre UN Global Compact“ erschienen.

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Quelle: UD/cp
 

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