Mobilität & Logistik

Teufelswerk Diesel?

Der Diesel ist böse. Abgrundtief. Ohne jeden Zweifel. Darin scheinen sich Kommentatoren, Politiker und Aktivisten derzeit einig. Und so fliegt der erste Stein und der zweite und der dritte. Fakt ist: Die Kritik am Diesel ist in der Tat in vielen Punkten berechtigt, die Undifferenziertheit der Debatte allerdings beschämend, wenn nicht sogar beängstigend.

01.08.2017

Teufelswerk Diesel? zoom

Wir haben uns in den letzten Jahren daran gewöhnt, eine hohe Erregungsspannung in der öffentlichen Diskussion zu halten. Alles ist immer maximal dramatisch. Lösungen müssen, typisch deutsch, immer grundsätzlicher, prinzipieller Natur sein. In unserer multimedialen Welt gilt das noch viel mehr: Im Moment des Ereigniseintritts muss bereits die Bewertung des selbigen vorliegen, und nur wer hier richtig auf die Trommel haut, bekommt Aufmerksamkeit.

Das zeigt die derzeitige Diesel-Debatte. „Abgase sind gefährlicher als Attentäter“, sagt Stefan Kühl, Professor für Organisationssoziologie an der Universität Bielefeld, und schiebt nach, es gebe „kein Grundrecht auf Individualverkehr“. Der ARD-Journalist Jürgen Döschner twittert erregt: „Deutsche Automafia vergast jedes Jahr 10.000 Unschuldige“. Erst als der Arbeitgeber einschreitet, löscht er diese Verbalentgleisung.

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Solches Sprücheklopfen hilft in der Diskussion nicht weiter. Es disqualifiziert nur das Niveau. Deshalb an dieser Stelle ein kurzer Faktencheck:

1. Ist der Diesel verantwortlich für Tausende Stickoxid-Tote?

Zahlengrundlage ist eine Berechnung der Beratungsfirma „Environmental Health Analytics“ in Washington. Ihrer Studie zur Folge sterben weltweit 107.000 Menschen jährlich an Stickoxiden und Stickdioxiden. Würden die Autobauer die Auflagen einhalten, wäre die Zahl der Toten weltweit um 38.000 Menschen geringer. Alleine in der EU sterben laut der Studie von Susan Anenberg und Patrick Kinney demnach 11.400 Menschen, weil die Autos in Wirklichkeit mehr verbrauchen als in Tests angegeben.

Doch nicht alle Experten gehen d´accord damit, dass Stickoxid-Opfer automatisch Dieselopfer sind. Der Dresdner Verkehrswissenschaftler Prof. Matthias Klingner beispielweise sieht das anders. „Wir haben sehr große Daten-Mengen aus Messnetzen ausgewertet und dabei festgestellt, dass es noch sehr viele andere Einflussfaktoren gibt. Abgesehen von Regen und dessen Nachwirkungen gibt es auch einen ganz klaren Zusammenhang zur Sonne. Ein großer Teil der gemessenen Feinstaub-Immissionen ist natürlich verursacht und durch den Tagesgang der Sonne geprägt,“ sagt er im Interview mit den Dresdner Neuesten Nachrichten.

Ungeachtet der Klauberei um diese Zahlen, ist menschgemachter Stickoxid-Ausstoß gesundheitsgefährdend und muss begrenzt werden. Hier hat der Autogipfel am Mittwoch in Berlin zu liefern.

2. Brauchen wir den Diesel für den Klimaschutz?

Das kommt drauf an. Fakt ist: Diesel-Kraftstoff hat eine höhere Energiedichte als Otto-Kraftstoff. Deshalb stößt ein Dieselmotor bis zu 20 Prozent weniger schädliches CO2 aus. Dafür ist allerdings der Anteil an giftigen Stickoxiden höher. Diese müssen technisch und kostenmäßig aufwändig herausgefiltert werden. An dieser Stelle setzen bekanntlich die Software-Tricksereien ein. Dennoch: 20 Prozent weniger schädliches CO2 – darauf setzt die Autobranche und die Politik, wenn es um Klimaschutz geht. „Wer den Diesel verbieten will, stellt sich auch gegen den Klimaschutz“, sagte VDA-Chef Matthias Wissmann.

Doch der Vorteil schwindet. „Auf Flotten-Ebene - über alle Fahrzeugsegmente hinweg - sind die durchschnittlichen CO2-Emissionen neuer Diesel- und Benzinfahrzeuge nahezu identisch“, erklärt Peter Mock von der Umweltforschungsgesellschaft ICCT gegenüber der Presse. So liegt der durchschnittliche CO2-Wert bei Dieseln heute bei 119 Gramm je Kilometer, bei Benzinern bei 123 Gramm. Mock weiter: „Die Effizienzvorteile werden häufig durch eine höhere Motorleistung und höheres Gewicht der Dieselfahrzeuge aufgezehrt.“

Übrigens ist die Politik an den aktuellen Abgaswerten nicht ganz unschuldig, wie Matthias Klingner meint: „So sind beispielsweise ältere Diesel-Modelle hinsichtlich der Stickoxid-Werte im realen Betrieb mitunter sauberer als Euro-5-Fahrzeuge. Bei denen wurde zwar das vermeintliche Partikelproblem gelöst, das Stickoxid-Problem aber weitgehend außer Acht gelassen. Die Abwrackprämie hat diesen Prozess massiv verstärkt, denn da sind ja vor allem Euro-5-Autos gekauft worden.“

3. Wie schnell wäre eine Alternative machbar?

Immer mehr Staaten erklären den Verbrennungsmotor für Geschichte. Den Anfang machte Norwegen, wo ab 2025 keine reinen Diesel oder Benziner mehr zugelassen werden. Großbritannien und Frankreich wollen 2040 nachziehen. Diese Vorgaben sind sportlich, aber durchaus machbar. Deutsche Autobauer tun gut daran, den Wandel ernst zu nehmen, sonst fahren wir in Zukunft halt Tesla und Toyota. Doch der komplette Switch von heute auf morgen, wie es ein richterliches Fahrverbot beinhaltet, ist populistisch. So schreiben 25 führende Antriebs-Experten von deutschen, österreichischen und Schweizer Universitäten in eine gemeinsamen Positionspapier: „Die Wissenschaftliche Gesellschaft für Kraftfahrzeug- und Motorentechnik WKM verfolgt diese Entwicklung mit großer Sorge. Insbesondere bewertet die WKM die Entwicklung kritisch, dass anstelle einer nüchternen, faktenbasierten Information eine überwiegend voreingenommene und sehr emotionale Berichterstattung zu beobachten ist.“ Die Forscher plädieren für die Nutzung alternativer Kraftstoffe, halten aber eine komplette Abkehr vom Verbrennungsmotor derzeit weder für sinnvoll noch machbar: „Der Verbrennungsmotor war und ist Motor der Mobilität, des Güterverkehrs und der mobilen Arbeitsmaschinen. Diese Rolle wird durch elektrische Antriebe ergänzt, jedoch nicht ersetzt.“

Quelle: UD
 

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