Sind E-Fuels die Lösung für klimafreundliche Mobilität?
Werden Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 verboten? Eine entsprechende Entscheidung des EU-Umweltrates erntete teils massive Kritik von Verbänden und Politik. Diese bemängelten, dass Verbrenner, die mit synthetischen Treibstoffen angetrieben werden, nicht als klimafreundlich anerkannt werden. In diese E-Fuels setzen Kfz-Hersteller wie Porsche aber große Hoffnungen.
18.07.2022
Bis 2035 soll in Europa der Flottengrenzwert für CO2-Emissionen bei Personenkraftwagen auf null sinken. Ab dann werden nur noch Neuwagen zugelassen, die kein Kohlendioxid ausstoßen. Das beschloss der EU-Umweltrat Ende Juni. Dies bedeute „zunächst einmal ein faktisches Verbot des Verbrennungsmotors“, kritisierte der Interessenverband eFuel Alliance. Einwände erhob ebenfalls der deutsche Finanzminister Christian Lindner. Auch nach 2035 würden noch viele Autos mit Verbrennungsmotor fahren, führte der FDP-Politiker aus. Es sei sinnvoll, wenn diese dann mit klimaneutralen Treibstoffen, sogenannten E-Fuels, betankt würden. Derweil hat die EU-Kommission einen Vorschlag angekündigt, wie ab 2035 doch noch außerhalb der Flottengrenzwerte Verbrenner zugelassen werden könnten, die dann mit E-Fuels betrieben werden.
Der EU-Umweltrat bevorzugt mit seiner Entscheidung indessen Kraftfahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb, weil sie beim Betrieb kein CO2 ausstoßen – anders als Autos mit E-Fuel-betriebenen Verbrennungsmotoren. Genau diesen Ansatz kritisiert die eFuel Alliance. Der Beschluss sei „ausschließlich auf die Auspuffemissionen konzentriert“. Die CO2-Neutralität von E-Fuels müsse hingegen in einem größeren Zusammenhang bewertet werden. Die synthetischen Brennstoffe sind nämlich über ihren Lebensszyklus hinweg von der Herstellung bis zur Verbrennung treibhausgasneutral, „wenn man der Atmosphäre genau die Menge an CO2 während des Entstehungsprozesses entzieht, die später, bei der Verbrennung der E-Fuels, wieder ausgestoßen wird. Als Kohlenstoffquelle können beispielsweise Industrieabgase oder die Umgebungsluft genutzt werden“, erklärt der Energiekonzern Total Energies.
Automobilindustrie setzt auf E-Fuels
Große Hoffnungen in die alternativen Brennstoffe setzt seit Längerem die Automobilwirtschaft. So engagieren sich im Verbundprojekt „C3-Mobility“ neben weiteren industriellen und wissenschaftlichen Partnern Kfz-Hersteller wie Hyundai, BMW, Opel, Ford, Daimler und Porsche. Ziel ist es, die Potenziale von insgesamt fünf auf Methanol basierenden synthetischen Kraftstoffen für Diesel- und Ottomotoren zu untersuchen. Dazu werden Versuchsfahrzeuge – vom Motorrad über den Pkw bis hin zum Lkw – zur Erprobung auf die Straße gebracht.
Porsche ist auch darüber hinaus intensiv an der Entwicklung von E-Fuels interessiert. Gerade erst investierte der Sportwagenhersteller 75 Millionen US-Dollar in die HIF Global LLC, einen Projektentwickler für E-Fuel-Produktionsanlagen. Mit weiteren industriellen Partnern stellen die Zufenhausener der mehrheitlich vom chilenischen Konzern Andes Mining & Energy (AME) gehaltenen Gesellschaft zusätzliches Kapital bereit, um in Chile, Australien und den USA industrielle E-Fuel-Produktionsanlagen zu errichten. Bereits im Laufe dieses Jahres soll eine Anlage in Punta Arenas in Chile mit Hilfe von Windenergie E-Fuels aus Wasserstoff und CO2 herstellen. Die produzierten Treibstoffe will Porsche zunächst im Motorsport nutzen.
„Die synthetischen Kraftstoffe sind verkehrssektorübergreifend interessant: Für die Automobilindustrie ebenso wie für die Luftfahrt- und Schifffahrtsindustrie. Zudem ist E-Methanol ein wichtiger Grundstoff für weitere Anwendungen. Etwa in der chemischen Industrie, wo es Rohstoffe fossilen Ursprungs ersetzen kann“, erläutert Michael Steiner, Porsche-Vorstand für Forschung und Entwicklung. Porsche investiert deshalb über das Chile-Engagement hinaus massiv in die Zukunftstechnologie. Beschaffungsvorständin Barbara Frenkel beziffert die Gesamtsumme auf über 100 Millionen US-Dollar.
Synthetik-Treibstoffe sind wenig energieeffizient
Einhellig ist die Begeisterung für E-Fuels allerdings nicht. Gerade für den Personenkraftverkehr seien batteriegetriebene Elektroantriebe wesentlich energieeffizienter als Verbrennungsmotoren mit E-Fuels, sagt etwa Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin und Mitbegründer der „Scientists for Future“. Bereits die Herstellung der synthetischen Treibstoffe verbrauche sehr viel Energie, danach setzten die Verbrennungsmotoren nur geringe Anteile der Treibstoffenergie in Bewegung um, erläuterte er in seinem YouTube-Format „Quaschning Live“. Der ADAC sieht dies ähnlich: „Von der im Prozess eingesetzten Energie bleiben in der ‚Well-to-Wheel‘-Betrachtung am Ende nur zehn bis 15 Prozent übrig. Zum Vergleich: Im Elektroauto kommen 70 bis 80 Prozent der Ausgangs-Energie am Rad an.“ Mit der Leistung eines 3-Megawatt-Windrades könnten 1.600 batterieelektrische Fahrzeuge versorgt werden, aber nur 250 E-Fuel-Personenkraftwagen. Der Automobilclub verweist aber auf Forschungsprojekte, die die Wirksamkeit der E-Fuels auf 60 Prozent bringen wollen.
Anders als Elektroantriebe sind E-Fuels auch noch nicht „serienreif“. Stattdessen existieren einzelne Versuchsanlagen. Eine solche steht an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Bis 2024 sollen dort 250.000 Tonnen synthetisches Benzin hergestellt werden, bis 2030 sogar eine Million Tonnen. Diese Mengen reichen aber bei weitem nicht aus, vor allem auch, weil die für die Produktion benötigten Kapazitäten an erneuerbarer Energie nicht vorhanden sind, meint Volker Quaschning: „Das wird im Einzelfall vielleicht machbar sein, aber in der großen Breite werden wir die Menge an Energie nicht bereitstellen können.“ Die Kapazitätsproblematik unterstreicht auch der Thinktank für emissionsfreie Mobilität „Transport and Environment“ (T&E): „Eigenen Untersuchungen der Kraftstoffindustrie zufolge würde die Menge an E-Kraftstoff ausreichen, um im Jahr 2035 nur drei Prozent des Kraftstoffbedarfs in Europa zu decken.“ Wenn nur zehn Prozent der neuverkauften Autos in der EU mit E-Fuels betankt würden, stiege der Bedarf an erneuerbaren Energien um 26 Prozent.
Attraktiv für Flugzeuge und Schiffe
Angesichts der knappen Ressourcen sollten Wasserstoff- oder auch E-Fuel-Treibstoffe auf die Transportbereiche beschränkt werden, bei denen Batterieantriebe nicht möglich seien, meint T&E. „Gerade für Langstrecken und große Transportvolumen sind synthetische Kraftstoffe ein attraktiver Lösungsansatz“, heißt es dazu auch bei C3-Mobility. Beim Lkw-Verkehr spricht sich T&E allerdings für den Elektroantrieb aus. Tatsächlich zeigtenjüngste Praxisversuche, dass Strom-Brummis bereits über 100 Kilometer Reichweite schaffen und dabei auch Alpenpässe überwinden können. T&E plädiert – wie übrigens auch der ADAC – dafür, wo irgend möglich auf Batterieantriebe zu setzen und synthetische Kraftstoffe nur dort zu tanken, „wo weder ein Elektro- noch ein Brennstoffzellenantrieb in Frage kommt“, wie der Automobilclub schreibt: „Das wäre vor allem in Flugzeugen und Schiffen der Fall. Denn hier müsste man extrem große Batterien bzw. Wasserstofftanks mitführen, so dass vom Transportvolumen zu wenig übrig bliebe.“
Die eFuel Alliance warnt wiederum vor einer zu exklusiven Fokussierung auf Elektromobilität. Diese führe zu neuen Abhängigkeiten bei Batterierohstoffen. Für den Übergang zur klimafreundlichen Mobilität seien E-Fuel-betriebene Autos unverzichtbar. Dem pflichten auch Thorsten Herdan von HIF und Ex-Politiker Friedbert Pflüger in einem Handelsblatt-Beitrag bei: „Ein Verbrenner, der mit erneuerbaren Kraftstoffen – den E-Fuels – angetrieben wird, kann sehr viel klimafreundlicher sein als ein Elektroauto, das zum Beispiel mit 30 Prozent Kohlestrom fährt.“