Mobilität & Logistik

Nur Biokraftstoffe ermöglichen CO2-Reduktion im Luftverkehr

Das weltweite Luftverkehrsaufkommen wird sich bei einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 4,5 Prozent in den kommenden 15 Jahren verdoppeln und bis 2050 sogar auf rund drei Billionen transportierte Tonnenkilometer versechsfachen. Der stärkste Boom des Sektors ist in Asien - insbesondere Indien und China - sowie im Nahen Osten zu erwarten. Aktuell zeichnet der Luftverkehr für lediglich zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Bei den erwarteten technologischen Fortschritten und prognostizierten Wachstumsraten wird dieser Anteil in den kommenden Jahrzehnten jedoch unverhältnismäßig zunehmen.

19.05.2011

Foto: Eva Freude/flickr.com
Foto: Eva Freude/flickr.com
Trotz signifikanter technologischer Innovationen bei neuen Flugzeugtypen führt insbesondere die lange Nutzungsdauer der Flugzeuge von 30 bis 40 Jahren dazu, dass sich Effizienzsteigerungen nur langsam auf die Gesamtweltflotte auswirken. Daher ist von einer jährlichen Steigerung des weltweiten Kohlendioxidausstoßes im Flugverkehr um drei Prozent auszugehen. In Folge dessen würden sich bis 2050 trotz der angenommenen Effizienzsteigerungen die CO2-Emissionen dieses Transportsektors mehr als verdreifachen. Das sind zentrale Ergebnisse der aktuellen Studie „Sustainable Aviation", welche die internationale Strategieberatung Booz & Company und das Weltwirtschaftsforum (WEF) vorgestellt haben. Sie beschreibt konzertierte Strategien zur Reduktion klimaschädigender CO2-Emissionen und für ein nachhaltiges Wachstums im Luftverkehr.

Diese Prognosen stehen im krassen Gegensatz zu den ambitionierten kollektiven Klimaschutzzielen, zu denen sich die internationale Luftfahrtbranche 2009 selbst verpflichtet hat. Aufbauend auf einer angestrebten 1,5-prozentigen Treibstoff- und CO2-Effizienzsteigerung pro Jahr bis 2020 möchte die Industrie ab 2020 CO2-neutral wachsen. Für das Jahr 2050 wird gar eine 50-prozentige-Netto-Verringerung der Emissionen gegenüber 2005 angestrebt. „Um sich aus diesem strategischen Dilemma zu befreien, führt für die internationale Luftfahrtindustrie kein Weg vorbei an Biokraftstoffen", so Jürgen Ringbeck, Partner und Luftverkehrsexperte bei Booz & Company."Auch wenn andere Hebel kurz- und mittelfristig weitere Effizienzgewinne bewirken können, besitzen nur hochentwickelte Treibstoffe aus Biomasse das Potenzial, die langfristigen und ambitionierten Industrieziele zu erreichen." Nur mit ihnen lässt sich das Problem der langen Flugzeugnutzungszyklen umgehen, da sie auch der bestehenden Flotte beigemischt werden können. Allerdings befindet sich diese Form der Bioenergie für den Luftverkehr in einem sehr frühen Entwicklungsstadium, das noch erhebliche Risiken birgt. Für die Erreichung der Industrieziele sind im Jahr 2050 13,6 Millionen Barrel nachhaltige Biokraftstoffe der zweiten Generation erforderlich. Diese weisen 80-90 Prozent geringere Lebenszyklus-CO2-Emissionen auf als herkömmliches Kerosin. Dies würde einer etwa 90prozentigen Substitution durch Biokraftstoffe entsprechen.

Die vorgelegte Studie quantifiziert das Ausmaß der notwendigen CO2-Reduktion und skizziert detailliert die Potenziale der notwendigen Hebel. Diese umfassen Maßnahmen wie die operative Exzellenz im Flugbetrieb und eine optimierte Infrastruktur im Bereich der Flugsicherung sowie an Flughäfen, zusätzliche F&E-Investitionen für radikal neuentwickelte, energieeffizientere Flugzeugtypen, Biokraftstoffe, aber auch marktbasierte Mechanismen wie Emissionshandel und -kompensation. Laut Booz & Company spielen für den Markterfolg der ökologischen Flugzeugtreibstoffe als langfristig wichtigstem CO2-Reduktionshebel auch der regulatorische Rahmen, neuartige Kooperationen, innovative Finanzierungskonzepte und eine gezielte Information der Verbraucher eine zentrale Rolle. „Der Umbau des Sektors erfordert massive Investitionen, um einen Quantensprung bei der Technologie und einen nachhaltigen Ausbau der Produktion zu erreichen. Die notwendigen Marktdynamiken entwickeln sich allerdings nur, wenn Industrie und Politik gezielt und gemeinsam fördern sowie die richtigen Anreize setzen", so Ringbeck. Für den Industriestandort Deutschland ergeben sich durch diesen fundamentalen Strukturwandel erhebliche ökonomische Chancen, sich durch geeignete Förder- und Produktionskonzepte für Agrotreibstoffe erfolgreich zu positionieren. Klar ist aber auch: Für einen zukunftsweisenden Ansatz ist ein gemeinsamer Kraftakt aller Beteiligten auf globaler Ebene und entlang der gesamten Wertschöpfungskette erforderlich.

Zusätzlich liegen kurz- und mittelfristig auch große Potenziale im konsequenten Ausbau der Infrastruktur in den Bereichen des Luftverkehrsmanagements und der Flughäfen. Dieser ist insbesondere in Regionen mit hohem Wachstum dringend erforderlich. Werden die notwendigen zusätzlichen Kapazitäten im Luftraum und am Boden nicht geschaffen, droht eine zusätzliche Verschlechterung der CO2-Effizienz des Sektors durch das steigende Verkehrsaufkommen.

Die Studie weist positiven Anreizen ein deutlich höheres Potenzial für die weitere Reduktion des Klimakillers zu, als den aktuell diskutierten staatlichen Umweltabgaben und Steuern. Letztere entziehen der Industrie in signifikantem Umfang Gelder, die so für Investitionen in CO2-reduzierende Maßnahmen fehlen. Marktbasierte Mechanismen wie Emissionshandel und -kompensation bieten zwar die Möglichkeit, Emissionen kosteneffizient zu reduzieren, solange CO2-Einsparungen in anderen Sektoren günstiger zu realisieren sind. Allerdings müssen auch hier die Auswirkungen des Mittelabflusses aus dem Luftverkehrssektor und damit verbundene negative makroökonomische Auswirkungen betrachtet werden. Das mahnende Fazit der Studie: Bei der Umsetzung dieser marktbasierten Mechanismen ist eine deutliche Intensivierung der Zusammenarbeit der Fluggesellschaften und ihres Dachverbandes IATA mit den nationalen Regierungen und der International Civil Aviation Organization (ICAO) zur Definition eines globalen nachhaltigen Ansatzes für den Luftverkehr zwingend erforderlich und langfristig erfolgskritisch für das Erreichen der ambitionierten Klimaziele.
Quelle: UD / na
 
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