ThyssenKrupp und Reaktionen auf die Stahlkrise
Vom Rekord- zum Katastrophenjahr: Nach Jahren boomender Stahlnachfrage mit rasant steigenden Gewinnen, meldet die Stahlindustrie 2009 Verluste in Milliardenhöhe. Der weltweite Konjunktureinbruch hat die Branche hart getroffen. Mit welchen Maßnahmen Stahlkonzerne auf diese Krise reagieren und welchen Herausforderungen sie gegenüber stehen, zeigt das Beispiel ThyssenKrupp.
04.02.2010
Der Stahlboom der letzten Jahre ist vorbei. Wichtige Abnehmer der Branche, wie Automobilzulieferer, Werften und Maschinenbauer, hat die weltweite Wirtschaftskrise tief in die Rezession gestürzt - und mit ihnen die Stahlanbieter. Quasi über Nacht sind im Herbst 2008 die Aufträge eingebrochen. Hohe Lagerbestände erschwerten die Situation. Die Stahlpreise fielen rasant. Weltweit kürzten Unternehmen die Produktion. Allein in Deutschland wurden 6 der 15 Hochöfen vorübergehend abgeschaltet. Die Stahlproduktion sank damit auf den niedrigsten Stand seit über 40 Jahren. Zum Höhenpunkt der Krise im April 2009 lag die Kapazitätsauslastung bei unter 50 Prozent und rund die Hälfte aller deutschen Stahlarbeiter arbeitete kurz. Ekkehard Schulz, Vorstandsvorsitzender des größten deutschen Stahlunternehmens ThyssenKrupp, bezeichnet 2009 als ein „Katastrophenjahr“. Zum ersten Mal seit der Fusion von Thyssen und Krupp 1999 machte das Unternehmen Verluste: Minus 2,4 Milliarden Euro waren es am Ende des Geschäftsjahres 2008/2009.
Reaktion auf die Krise: Konzernumbau und Einsparungen
Die Düsseldorfer Stahlhersteller reagierten mit drastischen Maßnahmen: Seit Beginn des neuen Geschäftsjahres 2009/2010 zeigt sich die Konzernstruktur von ThyssenKrupp radikal erneuert. Dies sei nötig um das Unternehmen trotz der Krise ökonomisch am Markt halten zu können und den Konzern für „die wirtschaftlichen Herausforderungen der kommenden Jahre“ zu stärken, heißt es im aktuellen Geschäftsbericht. Die Aktivitäten der bislang fünf Konzernsparten - Steel, Stainless, Technology, Elevator und Services - sind nun in den zwei Bereichen - Materials und Technologies - gebündelt. Die beiden neuen Divisionen unterstehen mit ihren acht „Business Areas“ direkt der Konzernleitung. Durch diese Zentralisierung werde ThyssenKrupp „schlanker, besser und schneller“, ist Schulz überzeugt. Nun könne man nicht nur „marktnäher agieren“ und strategische Maßnahmen direkter umsetzen, sondern auch Kosten senken, führt er fort. Das Einsparvolumen bei Sach- und Personalkosten beziffert der Konzern auf bis zu 500 Millionen Euro jährlich. Neben dieser organisatorischen Neuordnung und den damit verbundenen Einsparungen in der Verwaltung, sollen Kostenersparnisse vor allem durch Restrukturierungen und Portfolio-Optimierungen erzielt werden. Das Unternehmen zieht sich beispielsweise größtenteils aus dem Schiffbau zurück, die Industrieservicesparte wurde bereits veräußert und Verkäufe weiterer Tochtergesellschaften stehen an. Dadurch soll bis Ende 2010 die Zahl der Mitarbeiter weltweit um 20.000 auf 167.000 reduziert werden. Außerdem konzentriere sich ThyssenKrupp damit wieder stärker auf die „zwei strategischen Kompetenzfelder“ des Konzerns: Werkstoffe und Technologien, so Schulz. Darüber hinaus habe das Unternehmen alle Investitionen geprüft und wenn möglich gekürzt oder verschoben.
Ebenso wie ThyssenKrupp haben auch andere Konzerne mit massiven Sparprogrammen auf die Nachfrageschwäche reagiert. Weltmarktführer Arcelor-Mittal hat beispielweise seine Produktion um 40 Prozent zurückgefahren und bis Ende September 2009 über 29.000 Stellen gestrichen. Und auch Corus die europäische Tochter der indischen Tata-Gruppe ging auf Sparkurs.
Verhaltene Zuversicht und neue Herausforderungen
Die Aussichten für das Jahr 2010 sind verhalten optimistisch. Auch wenn die Talsohle des Nachfragerückgangs durchschritten sei, reiche diese „langsame konjunkturelle Belebung“ für einen „selbsttragenden Aufschwung“ der relevanten Absatzmärkte nicht aus, so die Einschätzung des ThyssenKrupp-Chefs zur aktuellen Lage. Nach dem Absturz 2009 rechnet Schulz vielmehr mit einer „längeren Durststrecke“ für den Konzern. Es werde noch bis 2012 dauern, bis das Unternehmen wieder das Niveau des Jahres 2007 erreicht habe, führte er fort. Dennoch prognostiziert er im aktuellen Geschäftsbericht für 2010 nicht nur eine Stabilisierung des Umsatzes sondern auch ein „positives Konzernergebnis vor Steuern“.
Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, gibt sich optimistischer: Die Stahlproduktion in Deutschland werde in 2010 wieder wachsen. „Wir erwarten eine Zunahme zwischen zehn und 15 Prozent“, fügte er hinzu. Trotzdem blieben die Rahmenbedingungen für Stahlanbieter auch im kommenden Jahr „herausfordernd“. Risiken sehen die Experten unter anderen auf dem Rohstoffmarkt. Schwankende Preise und Spekulanten ließen hier „nach der Immobilienblase jetzt eine Rohstoffblase“ entstehen, warnt Schulz in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Auch Konzentrationen auf dem Eisenerzmarkt sehen die Stahlanbieter skeptisch. Mit dem geplanten Zusammenschluss der Bergbau-Konzerne BHP Billiton und Rio Tinto entstünde mit dem brasilianischen Anbieter Vale ein „Duopol“, das einen Marktanteil von fast 70 Prozent auf sich vereine, so Kerkhoff. „Höhere Preise und das Ausbleiben wichtiger Kapazitätserweiterungen sind die Folge“, fügt er hinzu. Daneben wächst weltweit die Sorge vor einer bevorstehenden Stahlschwemme aus China. Dort läuft die Stahlproduktion dank eines riesigen staatlichen Konjunkturprogramms weiter auf Hochtouren. Ein Anziehen billiger chinesischer Exporte sei daher möglich, prognostiziert Kerkhoff. Erschwerend komme der zunehmende Protektionismus einiger Märkte hinzu. Der "Buy American Act" der USA schreibt beispielsweise vor, für öffentliche Infrastrukturmaßnahmen des US-Konjunkturprogramms ausschließlich US-Stahl zu verwenden.
CO2-Einsparungen wichtiges Zukunftsthema
Für Ekkehard Schulz ist „das Thema CO2 ein potentielles Problem“ der deutschen Standorte. Die indirekten Kosten des europäischen Emissionsrechtehandels durch steigende Strompreise würden die deutsche Stahlindustrie mindestens 365 Millionen Euro im Jahr treffen, errechnet auch Kerkhoff. Die Mehrkosten für die deutschen Hütten schätzt er ab 2020 auf bis zu 900 Millionen Euro pro Jahr. Die Stahlunternehmen arbeiten daher bereits verstärkt daran die CO2-Emissionen in der Produktion zu reduzieren. ThyssenKrupp, Arcelor-Mittal und Corus wollen beispielsweise gemeinsam ein Verfahren testen, bei dem CO2 am Hochofen abgeschieden und anschließend wieder in die Produktion eingespeist wird. ThyssenKrupp zeige mit Projekten wie diesen, dass das Unternehmen trotz Rezession nicht nur in die laufenden Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen der eigenen Werke, sondern weiter in „innovative Produkte und Prozesse“ investiere, so das Unternehmen. Denn auch wenn die Aussichten für das Jahr 2010 noch verhalten sind, ist Schulz sich sicher: Die Stahlindustrie birgt „ein riesiges Innovationspotential“, das genutzt werden müsse.
Reaktion auf die Krise: Konzernumbau und Einsparungen
Die Düsseldorfer Stahlhersteller reagierten mit drastischen Maßnahmen: Seit Beginn des neuen Geschäftsjahres 2009/2010 zeigt sich die Konzernstruktur von ThyssenKrupp radikal erneuert. Dies sei nötig um das Unternehmen trotz der Krise ökonomisch am Markt halten zu können und den Konzern für „die wirtschaftlichen Herausforderungen der kommenden Jahre“ zu stärken, heißt es im aktuellen Geschäftsbericht. Die Aktivitäten der bislang fünf Konzernsparten - Steel, Stainless, Technology, Elevator und Services - sind nun in den zwei Bereichen - Materials und Technologies - gebündelt. Die beiden neuen Divisionen unterstehen mit ihren acht „Business Areas“ direkt der Konzernleitung. Durch diese Zentralisierung werde ThyssenKrupp „schlanker, besser und schneller“, ist Schulz überzeugt. Nun könne man nicht nur „marktnäher agieren“ und strategische Maßnahmen direkter umsetzen, sondern auch Kosten senken, führt er fort. Das Einsparvolumen bei Sach- und Personalkosten beziffert der Konzern auf bis zu 500 Millionen Euro jährlich. Neben dieser organisatorischen Neuordnung und den damit verbundenen Einsparungen in der Verwaltung, sollen Kostenersparnisse vor allem durch Restrukturierungen und Portfolio-Optimierungen erzielt werden. Das Unternehmen zieht sich beispielsweise größtenteils aus dem Schiffbau zurück, die Industrieservicesparte wurde bereits veräußert und Verkäufe weiterer Tochtergesellschaften stehen an. Dadurch soll bis Ende 2010 die Zahl der Mitarbeiter weltweit um 20.000 auf 167.000 reduziert werden. Außerdem konzentriere sich ThyssenKrupp damit wieder stärker auf die „zwei strategischen Kompetenzfelder“ des Konzerns: Werkstoffe und Technologien, so Schulz. Darüber hinaus habe das Unternehmen alle Investitionen geprüft und wenn möglich gekürzt oder verschoben.
Ebenso wie ThyssenKrupp haben auch andere Konzerne mit massiven Sparprogrammen auf die Nachfrageschwäche reagiert. Weltmarktführer Arcelor-Mittal hat beispielweise seine Produktion um 40 Prozent zurückgefahren und bis Ende September 2009 über 29.000 Stellen gestrichen. Und auch Corus die europäische Tochter der indischen Tata-Gruppe ging auf Sparkurs.
Verhaltene Zuversicht und neue Herausforderungen
Die Aussichten für das Jahr 2010 sind verhalten optimistisch. Auch wenn die Talsohle des Nachfragerückgangs durchschritten sei, reiche diese „langsame konjunkturelle Belebung“ für einen „selbsttragenden Aufschwung“ der relevanten Absatzmärkte nicht aus, so die Einschätzung des ThyssenKrupp-Chefs zur aktuellen Lage. Nach dem Absturz 2009 rechnet Schulz vielmehr mit einer „längeren Durststrecke“ für den Konzern. Es werde noch bis 2012 dauern, bis das Unternehmen wieder das Niveau des Jahres 2007 erreicht habe, führte er fort. Dennoch prognostiziert er im aktuellen Geschäftsbericht für 2010 nicht nur eine Stabilisierung des Umsatzes sondern auch ein „positives Konzernergebnis vor Steuern“.
Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, gibt sich optimistischer: Die Stahlproduktion in Deutschland werde in 2010 wieder wachsen. „Wir erwarten eine Zunahme zwischen zehn und 15 Prozent“, fügte er hinzu. Trotzdem blieben die Rahmenbedingungen für Stahlanbieter auch im kommenden Jahr „herausfordernd“. Risiken sehen die Experten unter anderen auf dem Rohstoffmarkt. Schwankende Preise und Spekulanten ließen hier „nach der Immobilienblase jetzt eine Rohstoffblase“ entstehen, warnt Schulz in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Auch Konzentrationen auf dem Eisenerzmarkt sehen die Stahlanbieter skeptisch. Mit dem geplanten Zusammenschluss der Bergbau-Konzerne BHP Billiton und Rio Tinto entstünde mit dem brasilianischen Anbieter Vale ein „Duopol“, das einen Marktanteil von fast 70 Prozent auf sich vereine, so Kerkhoff. „Höhere Preise und das Ausbleiben wichtiger Kapazitätserweiterungen sind die Folge“, fügt er hinzu. Daneben wächst weltweit die Sorge vor einer bevorstehenden Stahlschwemme aus China. Dort läuft die Stahlproduktion dank eines riesigen staatlichen Konjunkturprogramms weiter auf Hochtouren. Ein Anziehen billiger chinesischer Exporte sei daher möglich, prognostiziert Kerkhoff. Erschwerend komme der zunehmende Protektionismus einiger Märkte hinzu. Der "Buy American Act" der USA schreibt beispielsweise vor, für öffentliche Infrastrukturmaßnahmen des US-Konjunkturprogramms ausschließlich US-Stahl zu verwenden.
CO2-Einsparungen wichtiges Zukunftsthema
Für Ekkehard Schulz ist „das Thema CO2 ein potentielles Problem“ der deutschen Standorte. Die indirekten Kosten des europäischen Emissionsrechtehandels durch steigende Strompreise würden die deutsche Stahlindustrie mindestens 365 Millionen Euro im Jahr treffen, errechnet auch Kerkhoff. Die Mehrkosten für die deutschen Hütten schätzt er ab 2020 auf bis zu 900 Millionen Euro pro Jahr. Die Stahlunternehmen arbeiten daher bereits verstärkt daran die CO2-Emissionen in der Produktion zu reduzieren. ThyssenKrupp, Arcelor-Mittal und Corus wollen beispielsweise gemeinsam ein Verfahren testen, bei dem CO2 am Hochofen abgeschieden und anschließend wieder in die Produktion eingespeist wird. ThyssenKrupp zeige mit Projekten wie diesen, dass das Unternehmen trotz Rezession nicht nur in die laufenden Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen der eigenen Werke, sondern weiter in „innovative Produkte und Prozesse“ investiere, so das Unternehmen. Denn auch wenn die Aussichten für das Jahr 2010 noch verhalten sind, ist Schulz sich sicher: Die Stahlindustrie birgt „ein riesiges Innovationspotential“, das genutzt werden müsse.
Quelle: UD