Im Blickpunkt: E.ON Materialitätsanalyse
Welche CSR-Themen sind für ein Unternehmen wesentlich? In welche Richtung soll es seinen Nachhaltigkeitskompass ausrichten? Wen muss und kann es bei der Beantwortung dieser Fragen berücksichtigen? Aspekte wie diese stehen im Mittelpunkt einer Materialitätsanalyse. Vor dem Hintergrund der neuen GRI Richtlinien und Integriertem Reporting wird das Thema immer wichtiger. UmweltDialog beleuchtet daher beispielhaft die Materialitätsanalyse von E.ON.
27.08.2013
Kunden, Mitarbeiter, Anwohner, Umweltgruppen, Politiker - jedes Unternehmen sieht sich mit den Ansprüchen unterschiedlicher Gruppen konfrontiert. Diese sogenannten Stakeholder haben vielschichtige, teilweise gegensätzliche Interessen. So berichtet E.ON in seinem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht: „Manche stehen im Einklang mit unserer unternehmensstrategischen Ausrichtung - so genießt der Ausbau Erneuerbarer Energien grundsätzlich große Zustimmung in der Bevölkerung. Andere befinden sich dazu im Widerspruch - beispielsweise beurteilen Anwohner den Bau von Windparks in der Nähe ihres Wohnorts häufig kritisch.“
Um solche Forderungen zu erfassen und zu gewichten, nutzt man Materialitätsanalysen. Sie dienen somit vor allem dazu, die Komplexität und Vielfalt an Anforderungen, die an jedes Unternehmen herangetragen werden, zu strukturieren und zu reduzieren. Aleksandra Dobkowski-Joy von der US-Beratungsgesellschaft Framework betont, dass das Instrument sowohl zur strategischen Planung als auch zur Berichterstattung nützt. Es ermögliche die Gewichtung der oft divergierenden Anforderungen und das Setzen von glaubwürdigen Prioritäten. Das macht gerade auch vor dem Hintergrund des neuen CSR-Berichterstattungsstandards G4 von GRI und dem Trend hin zu Integriertem Reporting Sinn. Dazu sagt die bekannte Reporting-Expertin Elaine Cohen, es gehe darum, das „Irrelevante vom Wichtigen, die Inputs von den Impacts und das Triviale vom Materiellen“ zu trennen.
Jährliche Neubewertung
E.ON flankiert seine Nachhaltigkeitsberichterstattung schon seit 2006 mit einer jährlichen Materialitätsanalyse. Dabei gewichtet es Berichtsthemen nach ihrer Relevanz für das Unternehmen beziehungsweise für die Stakeholder, um sie angemessen in der Berichterstattung zu berücksichtigen. Die Befragungsergebnisse stammen aus einer größeren Befragung relevanter externer und interner Stakeholder von Ende 2011. Dabei wurden auch erstmals Standorte in Großbritannien, Schweden, Benelux sowie Italien eingebunden. Außerdem hatte man die Umfragemethodik verfeinert. Anstelle des klassischen Themenrankings fragte E.ON zusätzlich nach der Bewertung der strategischen Handlungsfelder des Arbeitsprogramms sowie von Maßnahmen in den jeweiligen Feldern. E.ON sagt dazu: „Dies bedeutet eine quantitative und qualitative Weiterentwicklung der Analyse - weg von einer reinen Gewichtung der Berichtsthemen.“
Im aktuellen Bericht hat man nun statt einer erneuten Befragung sich darauf konzentriert, die Ergebnisse aus der vorigen Wesentlichkeitsanalyse zu nutzen, um inhaltliche Schwerpunkte in der Nachhaltigkeitsstrategie auszuarbeiten. E.ON begründet dies so: „Gleichzeitig wollen wir das damit verbundene Reporting verbessern und unser Vorgehen beim Thema Nachhaltigkeit besser mit der Unternehmenstätigkeit verknüpfen. Wir haben die im Vorjahr als wesentlich eingestuften Handlungsfelder und Themen entlang der Wertschöpfungskette tiefergehend analysiert.“
Neu in diesem Prozess ist zudem eine systematischere Einbindung verschiedener Mitarbeiter in einem gemeinsamen Prozess. Mitarbeiter aus den Bereichen Einkauf, Personal, Politik, Kommunikation, Strategie und Nachhaltigkeit haben gemeinsam die identifizierten Herausforderungen diskutiert und anschließend nach dem Grad ihrer Dringlichkeit geordnet. Ziel war es, die für E.ON und seine Stakeholder relevanten Themen stärker herauszuarbeiten und daraus Handlungsbedarf gezielter abzuleiten.
Arbeitsprogramm auf dem Prüfstand
Mit den abgefragten Zielen und Maßnahmen wurden zugleich die zentralen Inhalte des CSR-Arbeitsprogramms 2012-2015 bewertet. Dazu fließen die Resultate der Materialitätsanalyse im Stil eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses in die Weiterentwicklung der Strategie ein. Die Ergebnisse des Materialitäts-Prozesses stellt E.ON in seinem Nachhaltigkeitsbericht in Form einer Matrix dar, welche die Relevanz einzelner Themen für das Unternehmen selbst und seine Stakeholder verdeutlicht.
Und was ergab diese Befragung? Mit Abstand das wichtigste Thema ist und bleibt die CO2-Reduktion. In der Materialitäts-Matrix nimmt sie sowohl als Relevanzwert für E.ON als auch für externe Stakeholder die Position „sehr wichtig“ ein. Mit teilweise deutlichen Abstrichen folgen dann Themen wie Umweltschutz und Beschaffung, Technologieentwicklung und Kundenzufriedenheit sowie Arbeitssicherheit. Insbesondere Klimaschutz, Umweltschutz und nachhaltige Beschaffung haben dennoch im Vergleich zu früher an Bedeutung zugenommen. Unbedeutend ist für beide Seiten das Thema gesellschaftliches Engagement sowie Personalverantwortung. Die niedrige Relevanz des Engagement-Themas überrascht und lässt auf eine Einstellungsveränderung aller Beteiligten schließen. In der gängigen CSR-Debatte der letzten Jahre wurde gerade dieser Aspekt, etwa von Politikern, eingefordert. Mit dem „Leuchtpol-Projekt“ hatte sich E.ON daher auch über Jahre mit erheblichen Mitteln engagiert.
Für den aktuellen Nachhaltigkeitsarbeitsplan wird das kommende Jahr 2014 entscheidend: Nämlich nur ein Teil der Arbeitsbereiche ist so angelegt, dass jährlich messbare und nachvollziehbare Fortschritte berichtet werden. Dazu zählen etwa Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz oder Diversity Management. Bei den Kernthemen CO2-Reduktion bei der Stromerzeugung, dem CO2-Fußabdruck sowie Wassermanagement sind dagegen für die ersten beiden Jahre des Arbeitsprogramms, also 2012 und 2013, keine verbindlichen Ziele definiert worden. Diese sollen erst in den letzten beiden Jahren des Programms vorgelegt werden. Man darf daher auf die kommenden Nachhaltigkeitsberichte besonders gespannt sein.