Gülle liefert Mineraldünger und Bodenverbesserer
Der Problemstoff Gülle wird zu einem wertvollen Rohstoff, wenn seine Bestandteile zu definierten Düngerkomponenten aufbereitet werden. Seit einem Jahr produziert eine unter der Federführung des Fraunhofer IGB gebaute Pilotanlage zur Gülleaufbereitung mineralische Stickstoff- und Phosphordünger sowie organische Bodenverbesserer. Am 14. Juni 2016 zeigen die Partner des EU-Projekts BioEcoSIM mit einer Live-Demonstration der Anlage ihre Ergebnisse.
09.05.2016
Drei direkt in der Landwirtschaft einsetzbare Produkte präsentiert Fraunhofer-Forscherin Dr. Jennifer Bilbao in sauberen Glasschälchen: Das erste ist reines Ammoniumsulfat, ein weißes Salz, feinkörniger noch als Kochsalz. Das zweite Schälchen ist mit feinen, sandfarbenen Kristallen gefüllt. Es ist ein Gemisch verschiedener Phosphatsalze: Calciumphosphat, Magnesiumammoniumphosphat, Magnesiumphosphat. Im dritten Schälchen gepresste dunkelbraune, an Erde erinnernde Pellets – humusbildende Bodenverbesserer.
Die Produkte hat Projektleiterin Bilbao aus Kupferzell mitgebracht. Hier, beim Projektpartner Agro Energie Hohenlohe, hat das Konsortium des von der EU geförderten Projekts BioEcoSIM die Pilotanlage zur Gülleverwertung aufgebaut. Pro Stunde verarbeitet die Anlage beispielhaft und zur Demonstration 50 Kilogramm Schweinegülle: zu etwa 500 Gramm mineralischem Phosphatdünger, 500 Gramm mineralischem Stickstoffdünger sowie 900 Gramm organischer Biokohle. 15 Partner aus fünf Ländern haben drei Jahre getüftelt, um aus dem Problemstoff einen wertvollen Rohstoff zu machen. Geleitet wird das Projekt, das bis Dezember 2016 läuft, vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB.
Problemstoff Gülle
Jedes Jahr produzieren Schweine, Rinder und Geflügel in Europa etwa 1800 Millionen Kubikmeter Gülle. Laut Landwirtschaftszählung 2010 sind es alleine in Deutschland 160 Millionen Kubikmeter, davon 36 Millionen Kubikmeter Schweinegülle. Ein Großteil der Gülle fällt in den großen Schweinemastbetrieben an, die sich vor allem in Regionen Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens angesiedelt haben. Doch gibt es dort, wo die Gülle entsteht, bei weitem nicht genug Ackerflächen, um sie umweltgerecht auszubringen. Mehr als die Hälfte wird daher in weniger belastete, oft mehrere hundert Kilometer entfernte Gebiete transportiert, mit Millionen von Tanklasterfuhren.
Dabei besteht Gülle zu 90 Prozent aus Wasser. Wertvolle Pflanzennährstoffe, vor allem Stickstoff und Phosphor, und unverdauliche Futterreste wie Pflanzenfasern sind weitere Bestandteile. Damit ist Gülle an sich für die landwirtschaftliche Düngung gut geeignet. Wird aber mehr Gülle auf die Felder ausgebracht als die Böden binden und die Wurzeln der Pflanzen aufnehmen können, gefährdet der Stickstoff als Nitrat das Grundwasser. Vielerorts mischen daher bereits Wasserversorger nitratbelastetes mit unbelastetem Wasser, um die Grenzwerte der Trinkwasserversorgung einzuhalten.
Auch überschüssiges Phosphat belastet die Gewässer. In Deutschland wird, anders als in den Niederlanden oder Belgien, die Überdüngung mit Phosphat momentan gesetzlich noch nicht geregelt.
Kombinierte Verfahren für die Gülleaufbereitung
Für die Aufbereitung von Gülle sind verschiedene Verfahrensschritte notwendig. Im Rahmen des Projekts ist es den Fraunhofer-Forschern und ihren Projektpartnern gelungen, alle Verfahren als separate Module in eine einzige Anlage zu integrieren. Damit wird es möglich, die Gülle direkt am Ort ihres Entstehens zu den drei Produkten aufzuarbeiten.
In umfangreichen Untersuchungen und Feldstudien haben die Forscher gezeigt, dass die aus Gülle aufbereiteten mineralischen Düngemittel und organischen Bodenverbesserer direkt als gut verfügbare Dünger und humusbildende Substrate in der Landwirtschaft eingesetzt werden können. »Wir können unsere Produkte auch zu einer je nach Pflanzenart und Bodenbeschaffenheit abgestimmten Nährstoffzusammensetzung vermischen«, erläutert Dr. Jennifer Bilbao.
»Eine Überdüngung der Böden würde so vermieden. Zudem sparen unsere Produkte synthetische Dünger ein. Die Herstellung synthetischer Stickstoffdünger benötigt sehr viel Energie; synthetische Phosphordünger werden mit aufwendigen Prozessen aus Rohphosphaten gewonnen«. Schließlich macht die Masse der entwässerten und aufbereiteten Produkte nur noch etwa vier Prozent der ursprünglichen Güllemenge aus. Die Zahl der Lastwagenfuhren für den Gülletransport könnten drastisch reduziert werden.