Klimafreundlichere Autoproduktion
Koordiniert vom Helmholtz-Zentrum Hereon arbeiten Forschung und Industrie gemeinsam an einer umweltfreundlicheren Herstellung von Leichtbauteilen für die Automobilindustrie. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderte Verbundprojekt „S3-ALU“ wird den Ersatz von reinem Aluminium durch recyceltes Aluminium testen, welches den CO2-Fußabdruck pro Fahrzeug um 55 Prozent senken könnte.
23.08.2023
22.000 Tonnen CO2 – das ist der Fußabdruck der täglichen in Deutschland produzierten SUVs. Ein Teil davon geht auf das verwendete Material zurück: Aluminium beziehungsweise Primäraluminium. Diese reine Form des Aluminiums wird direkt aus dem Rohstoff Bauxit hergestellt und ist dank ihrer Vorteile in Bezug auf Gewicht und Korrosionseigenschaften der Hauptbestandteil von Legierungen in der Automobilproduktion. Ein Zusammenschluss aus Forschung und Industrie untersucht jetzt die Möglichkeit, das bisher verwendete Primäraluminium durch Sekundäraluminium, also unreineres, recyceltes Aluminium, zu ersetzen – ohne die vorteilhaften Eigenschaften zu verlieren.
Das Einsparpotential ist dabei enorm: Um eine Einheit Sekundäraluminium herzustellen, werden nur fünf Prozent der Energie verbraucht im Vergleich zur Herstellung von Primäraluminium. Übertragen auf die Automobilproduktion bedeutet das eine Einsparung von 0,7 Tonnen CO2 pro Fahrzeug beziehungsweise 700.000 Tonnen CO2 für die SUV-Jahresproduktion in Deutschland. Aluminium wird immer häufiger in elektrischen Fahrzeugen verwendet, um beispielsweise das Gewicht der Batterie auszugleichen. Das verschärft die Notwendigkeit, klimafreundlichere Alternativen wie Sekundäraluminium hinsichtlich seiner Anwendung zu untersuchen und zu optimieren. Aktuelle Prognosen zeigen, dass das Einsparpotenzial bei aluminiumintensiven Bauweisen bei bis zu 1,7 Tonnen CO2 pro Fahrzeug liegt.
Der digitale Zwilling
Mithilfe eines digitalen Zwillings sollen verschiedene Zusammensetzungen von Sekundäraluminium modelliert werden, um den bestmöglichen Ersatz für das Original zu finden. So müssen die vielen Materialvarianten nicht alle in Experimenten durchgetestet werden, sondern werden zeit- und ressourcensparend im Modell erforscht. Vorherige Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass kleine Verunreinigungen des Primäraluminiums auftreten und dennoch für den sicheren Einsatz des Werkstoffs akzeptabel sind. Die Frage ist jedoch, wie groß kann bzw. darf der Anteil von recyceltem Aluminium werden und in welcher Zusammensetzung? Die Antwort kann der digitale Zwilling liefern.
„Die Entwicklung eines digitalen Zwillings, also einer mehrskaligen physikalischen Abbildung des zu untersuchenden Materials – der Alu-Sekundärlegierung – wird die experimentellen Bemühungen deutlich verkürzen und es ermöglichen, die zur Verfügung stehenden Schrotte uneinheitlicher Qualität in Bezug auf den möglichen Einsatz in der Materialherstellung beziehungsweise der Produktion zu bewerten“, erklärt Eugen Gazenbiller, Doktorand am Hereon-Institut für Oberflächenforschung.
Das Verbundprojekt „S3-ALU: Simulationsmethodiken zur Bewertung von Bauteilen und Systemen für nachhaltigen Leichtbau mit Sekundär-Aluminium“ wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) über drei Jahre mit 2 Millionen Euro gefördert. Projektpartner aus der Forschung sind das Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE), Access e. V. und das Helmholtz-Zentrum Hereon, dessen Institut für Oberflächenforschung das Projekt koordiniert. Aus der Industrie sind die Volkswagen AG, Bode – die Tür GmbH und LGL Bad Langensalza GmbH beteiligt
Hintergrund: Digitaler Zwilling
Ein digitaler Zwilling ist eine virtuelle Darstellung eines realen Prozesses, Objekts oder Materials mit einer wechselseitigen Verbindung. Das heißt, dass Änderungen am realen Objekt nahezu in Echtzeit in den digitalen Zwilling einfließen. Im nächsten Schritt kann der digitale Zwilling unterschiedlichen Rahmenbedingungen ausgesetzt werden und so wiederum potenzielle „Was-wäre-wenn"-Szenarien des realen Objekts darstellen. So können zum Beispiel Materialien und Werkstücke zunächst digital in verschiedenen Situationen getestet werden, ohne Durchlauf des vollständigen Produktionsprozesses.