„Unser Unternehmen lebt von Innovationen“
Nachhaltigkeit ist kein Kostenblock, sondern bringt das Unternehmen vorwärts. Das sagt Dr. Katharina Marquardt, die bei Procter&Gamble (P&G) die Wissenschaftskommunikation DACH leitet. Wie die unterschiedlichen Betriebsstandorte diesbezüglich voneinander lernen, was in Sachen Recycling geplant ist und welche Vorteile das neue Verpackungsgesetz bringt, erklärt sie im Interview mit UmweltDialog.
20.11.2018
UmweltDialog: Frau Dr. Marquardt, Procter&Gamble hat Produktionsstandorte in über 70 Ländern und eine Vielzahl unterschiedlicher Marken unter einem Dach. Gerade beim Bereich Ökologie gibt es unterschiedliche länderspezifische Voraussetzungen und Gesetze zum Klima- und Umweltschutz. Wie schwierig ist es also, Nachhaltigkeit in einem multinationalen Konzern zu managen?
Dr. Katharina Marquardt: Der Schutz der Umwelt und des Klimas ist jede Mühe wert. Für uns sind Achtsamkeit und nachhaltiges Handeln zentrale Element der Unternehmenskultur. Ebenso wie Vielfalt. Daher sehen wir die beschrieben Herausforderungen immer auch als große Chance. In unserem weltweiten Produktionsnetzwerk findet ständiger Austausch statt. Das heißt, dass die Werke gegenseitig voneinander lernen. Deswegen können wir auf einer breiten Basis umweltbewusstes Produzieren und umweltbewusstes Managen einführen, so dass die Umwelt auch wirklich davon profitiert.
In diesem Zusammenhang haben die sogenannten Skaleneffekte eben eine große Wirkung. P&G ist ein Unternehmen mit großer Oberfläche und Sichtbarkeit. Wir können und wollen einen Beitrag leisten, damit Wandel zum Positiven möglich wird. Klare Fortschritte bei der Ressourceneffizienz oder bei der Förderung von Recyclingtechnologien zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Zudem ist das Thema Umweltschutz unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig. Hier kann tatsächlich jeder einen Beitrag leisten, gerade weil wir so international aufgestellt sind. Jeder Produktionsstandort weiß, worum es geht und kann sein Wissen in das Netzwerk einfließen lassen.
Sie haben gesagt, dass die unterschiedlichen Regionen voneinander lernen. Was kann Ihnen denn beispielweise der indische Produktionsstandort beibringen und umgekehrt?
Marquardt: Die Menschen in den sich entwickelnden Ländern sind sehr kreativ und offen gegenüber neuen Ansätzen. Gerade, wenn es darum geht, Zero-Waste-Strategien – also Null-Deponie-Abfall-Strategien – umzusetzen. Wir sind immer wieder erstaunt, wie sehr hier nahezu alles als Wertstoff verstanden wird.
Die Fokussierung auf bestimmte Nachhaltigkeitsthemen hängt sicherlich auch von der jeweiligen Gesetzgebung in einem Land ab. Produktionsstandorte in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind daher beim Einsatz erneuerbarer Energien weiter als andere Länder. Beispielsweise arbeiten wir in der DACH-Region schon sehr viel mit Kraft-Wärme-Kopplung etc. Das dabei aufgebaute Wissen können wir dann auf andere Produktionsstandorte übertragen.
Unsere übergeordneten Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele und die daran ausgerichtete Strategie sind allerdings nicht nur von Einzelgesetzen getrieben. Vielmehr stützen sich unsere gesamten Nachhaltigkeitsaktivitäten auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Wir analysieren genau, was die wesentlichen Impact-Faktoren unserer Geschäftstätigkeit auf den ökologischen Fußabdruck sind. Anhand der erhobenen Daten legen wir dementsprechend messbare Kennzahlen fest, setzen uns Ziele und leiten unsere Nachhaltigkeitsstrategie ab. So haben wir unseren Fokus auf die Themen Wasser, Klima und Abfall gelegt und ordnen ihnen alle Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu. Und die Fortschritte überprüfen wir sehr transparent.
Sie sagen, dass für P&G Nachhaltigkeit schon immer ein Impulsgeber für Innovationen war. Bitte erläutern Sie das.
Marquardt: Nachhaltigkeit ist für uns kein Kostenblock. Es ist die entscheidende Art und Weise, unser Unternehmen voranzubringen und zu verbessern, denn von Innovationen lebt unser Unternehmen.
Ressourcenschutz etwa ist für uns nichts wirklich Neues. In den 1950er Jahren wuchs P&G schnell zum größten Waschmittelhersteller weltweit. Das Thema Abwasserreinhaltung hat also bei uns schon seit langer Zeit Priorität. P&G hat schon früh Methoden zu biologischen Abbaubarkeit von Waschmitteln entwickelt. Das zeigt, dass Forschung schon immer ein Treiber unserer Geschäftstätigkeit war und wir dementsprechend die Anforderungen an Nachhaltigkeit als Impulsgeber für Innovation betrachten.
Dieses Prinzip hat auch maßgeblich eines Ihrer letzten Projekte vorangetrieben. Als wir uns das letzte Mal unterhielten, hatten Sie gerade Ihre Head&Shoulders-Plastikflasche mit 20 Prozent recyceltem Strandplastik auf den Markt gebracht. Haben die Kunden die neue Verpackung angenommen?
Marquardt: Ja, die Verpackung ist bei unseren Kunden sehr gut angekommen! Auch die Farbe der Flasche, grau-blau im Gegensatz zu weiß-blau, hat die Kunden nicht gestört. Die Akzeptanz der Verbraucher in diesem Punkt ist für uns sehr wichtig, weil wir Produkte für den Massenmarkt herstellen und nicht nur eine Nische bedienen wollen. Wir wollen nachhaltigen Konsum auf möglichst breiter Basis fördern. Außerdem konnten wir durch das Projekt die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf das Thema Kreislauwirtschaft lenken und verdeutlichen, welche Bedeutung Kunststoff als sekundärer Rohstoff hat.
Aus diesem Grund werden wir dieses Projekt auch weiterverfolgen. Denn wir haben noch weitere Strandplastik-Materialien wie PET vorrätig. Wir planen unter anderem, das recycelte Material in Flaschen für Fairy-Handgeschirrspülmitteln einzusetzen. Außerdem wollen wir diesen Ansatz in weiteren Ländern ausrollen. Man muss dazu sagen, dass das Recyceln von Strandplastik allerdings nur ein Weg sein kann, der unsere Recyclat-Strategie komplementiert. Denn Strandplastik ist mengenmäßig kein Recyclat-Strom, von dem wir alle unsere Flaschen ausrüsten können. Für unsere Verpackungen benötigen wir Tausende Tonnen Recyclat, die das Strandplastik nicht liefern kann.
Derzeit sind wir dabei, eine halbe Milliarde Flaschen im Haarpflege-Portfolio in Europa auf 25 Prozent recycelten Kunststoff umzustellen. Dabei verwenden wir dann Plastik aus der haushaltsnahen Sammlung. Das sind die großen Mengen, die die Kreislaufwirtschaft ankurbeln.
Das neue Verpackungsgesetz gibt vor, dass Entsorger in Zukunft die Preise nach Wiederverwertbarkeit der Plastikverpackungen staffeln sollen. Also, je leichter eine Verpackung zu recyceln ist, zum Beispiel durch Sortenreinheit, desto günstiger wird es für den Hersteller. Was halten Sie davon?
Marquardt: Das finde ich gut! Wir unterstützen die Ziele zur Verbesserung der Kreislaufwirtschaft im neuen Verpackungsgesetz, das ab dem 1. Januar 2019 gilt. Dieses stellt das Recyclingsystem in Deutschland auf eine robustere Basis, z.B. mithilfe der „Zentralen Stelle Verpackungsregister“, die auch die Mindeststandards für Recyclierfähigkeit veröffentlicht hat. Wir befürworten die Staffelung der Entgelte. Denn diese Art der Incentivierung ist eine wirtschaftlich sinnvolle Art, zu einer besseren Kreislaufwirtschaft im Verpackungswesen zu gelangen.
Auch uns trifft die Staffelung, weil wir nicht nur Verpackungen aus Monomaterialien auf den Markt bringen. Heutige Zahnpasta-Tuben, die flexibel sein müssen, können aus technischen Gründen bis dato nicht aus einem einzelnen Material hergestellt werden. Vielmehr bestehen sie immer aus Laminaten.
Wichtig ist: Wir haben uns auf den Weg gemacht. Wir arbeiten daran, dass bis 2030 alle unsere Verpackungen recyclierfähig sind. Das ist eines unserer Umweltziele, die wir im Frühjahr bekannt gegeben haben. Bis dahin müssen wir allerdings noch einiges an Forschungsarbeit leisten. Aber wir schon gesagt: Nachhaltigkeit ist ein Impulsgeber für Innovation.
Vielen Dank für das Gespräch!
Im zweiten Teil des Interviews mit Dr. Katharina Marquardt erfahren Sie nächste Woche, wie kompakte Produkte von P&G den Wasserfußabdruck reduzieren, wie sich das Unternehmen für mehr Nachhaltigkeit in der Palmöl-Lieferkette einsetzt und welche zentralen Maßnahmen die Klimastrategie beinhaltet.