Interface: Ein Vierteljahrhundert Nachhaltigkeit
Schon seit 1994 hat sich der Bodenbelagshersteller Interface der Nachhaltigkeit verschrieben. Heute hat das Unternehmen beachtliche Erfolge erzielt, auf dem Weg alle negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu vermeiden – „Mission Zero“ nennen sie das. Den langen Weg dorthin hat Interface in einem Leitfaden für nachhaltiges Wirtschaften festgehalten. Auch um Inspiration und Wegweiser für andere Unternehmen zu sein.
05.12.2019
Die lange Reise begann mit einer einfachen Frage: „Was tut ihr für die Umwelt?“, wollte ein Kunde von Interface wissen. Diese Überlegung ließ Firmengründer Ray Anderson nicht mehr los. 1994 startete er die „Mission Zero“ und gab dem Unternehmen eine neue Ausrichtung: Bis 2020 sollte Interface keine negativen Auswirkungen mehr auf die Umwelt haben – Nachhaltigkeit wurde zum Business Case. Das Ziel der „Mission Zero“ erreichte Interface schon dieses Jahr. Jeder Bodenbelag ist seit 2019 über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg CO2-neutral. Der Hersteller von modularen Bodenbelägen bestätigt damit seine Position als Nachhaltigkeitspionier der Branche.
Nachhaltigkeit ist schon längst kein Nischenthema mehr, denn für Unternehmen lohnt es sich, diese in ihre Management-Prozesse zu integrieren. Ein sparsamer Umgang mit Ressourcen wie beispielsweise Strom oder Verpackungen senkt Kosten, erklärt Prof. Dr. Anabel Ternès von Hattburg, Unternehmerin und Leiterin des Instituts für Nachhaltiges Management (IISM) Berlin, in einem Interview. Eine gute CSR-Strategie wirkt sich auch auf das Unternehmensimage aus: „Ein nachhaltiges Management reduziert nicht nur die Arbeitsausfälle, sondern kommt auch bei den gesuchten Fachkräften, den Kunden und den Geschäftspartnern sehr gut an. Mitarbeiter- und Kundenbindung profitieren davon.“
Ein Leitfaden für nachhaltiges Wirtschaften
Der Weg dorthin ist für viele Unternehmen aber nicht leicht, auch Interface stieß auf einige Herausforderungen. Mit dem Leitfaden für nachhaltiges Wirtschaften „Lektionen für die Zukunft“ dokumentiert der Bodenbelagshersteller nun nicht nur seine eigene Nachhaltigkeitsreise – er soll anderen Unternehmen auch als Orientierung und Inspiration dienen. So heißt es zum Beispiel in Lektion drei: „Jede Vision braucht einen Plan“. Für Interface bedeutete das, für ihre „Mission Zero“ verschiedene Programme und ein entsprechendes Rahmenwerk zu schaffen. Dieses basiert auf der Methodik von „The Natural Step“ (TNS). Die gemeinnützige Organisation bietet wissenschaftlich fundierte Instrumente zur Operationalisierung von Nachhaltigkeit. Außerdem erstellte Interface eigene Metriken (EcoMetrics), mit denen sich die Fortschritte messen und kommunizieren lassen.
Seine Mitarbeiter holte der Bodenbelagshersteller ebenfalls mit ins Boot, denn die sind laut Lektion fünf besonders wichtig, wenn man seine Ziele erreichen möchte. Um das Bewusstsein der Kollegen für „Mission Zero“ zu schärfen, entwickelte das Unternehmen ein dreistufiges Programm. Jeder Mitarbeiter, der alle drei Stufen dieses Programms absolviert hat, wird als Botschafter von Interface anerkannt. Diese dürfen dann auch eigene Programme, die die Nachhaltigkeit in ihrem Arbeits- und Verantwortungsbereich verbessern, selbst umsetzen. Seit 2018 führt das Unternehmen zusätzlich weltweit Onboarding-Programme für neue Mitarbeiter durch, um diese gleich von Anfang an für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren.
Fehler können auch zum Erfolg führen
Doch trotz guter Planung lief nicht immer alles glatt, wie wir in Lektion sechs erfahren. Viele Innovationen stellte Interface wieder ein – zum Beispiel, weil die Produktqualität litt. „Rückschläge sind Teil des Weges. Wir haben gelernt, die Lernerfahrungen aus diesen Experimenten für die Entwicklung der nächsten Lösung zu nutzen“, erklärt der Bodenbelagshersteller. Manchmal kann ein Fehlschlag später sogar zum Erfolg führen, wie im Falle von „Fair-Works“. Im Rahmen dieser Initiative entstand eine neue Produktlinie aus umweltfreundlichen, gewebten Gras- und Bambusfliesen. Handwerkliche Weber in Indien stellten sie her. Der Verkauf des Sortiments lief allerdings schlecht: Die Kunden waren laut Interface der Meinung, dass diese Produkte schwerer zu pflegen seien, weil sie aus ungewöhnlichen Materialien bestanden. „Fair-Works“ musste mangels guter Verkaufszahlen eingestellt werden.
Die Erfahrungen aus der gescheiterten Idee halfen Interface aber später bei der der Umsetzung von „Net-Works“. Ziel des Programmes ist es, ausrangierte Fischernetze als recyceltes Polyamid in den Produkten von Interface weiterzuverarbeiten. Dorfbewohner auf den Philippinen sowie in Kamerun und Indonesien sammeln dazu alte Fischernetze ein. Bezahlt werden die Menschen vor Ort dann für den Nettomaterialgewinn. Das Programm ist ein Erfolg: Seit „Net-Works“ startete wurden bereits etwa 224 Tonnen ausrangierter Fischernetze gesammelt und in Bodenbelägen wiederverwendet.
Lektion acht: Gemeinsam zu mehr Nachhaltigkeit
Als Nachhaltigkeitspionier in der Branche beeinflusste Interface mit seinen Ideen und Lösungen auch andere Unternehmen. Ein Beispiel: Der Hersteller von modularen Teppichfliesen ermutigte seinen Garnlieferanten, Nylon aus recycelten Fasern herzustellen. Damit sollte der CO2-Fußabruck der Produkte verringert werden. Das recycelte Nylon verkaufte der Garnlieferant schließlich auch an andere Unternehmen – Interface hatte einen Dominoeffekt erzielt. „Um einen echten Einfluss auf die Welt zu haben, müssen Sie andere beeinflussen, sodass sie Ihrem Beispiel folgen und Ihnen helfen, anderen den Weg zu weisen. So kann der Dominoeffekt eine ganz eigene Kraft entwickeln und die positiven Auswirkungen auf ein Maß erhöhen, das alleine nie zu erreichen gewesen wäre“, rät Interface in seinem Leitfaden. Messen lassen sich diese Dominoeffekte übrigens auch: Zum Beispiel mit der SHINE Handprint Methodology, die Gregory A. Norris von der Harvard School for Public Health entwickelt hat.
Den gesamten Leitfaden von Interface können Sie hier abrufen.
Gipfel erreicht – und nun?
Interface ruht sich auf seinem Erfolg nicht aus. Das nächste Ziel hat sich das Unternehmen schon im Jahr 2016 gesetzt: Mit „Climate Take Back“ will der Bodenbelagshersteller die globale Erwärmung nicht mehr nur aufhalten, sondern sogar rückgängig machen. Der erste Schritt war die Entwicklung des Prototyps der Teppichfliese Proof Positive. Sie speichert CO2 und hat dadurch einen negativen CO2-Fußabdruck. 2018 kam dann noch eine Rückenkonstruktion mit ebenfalls negativer CO2-Bilanz auf den Markt: „Wir haben noch viel zu tun, bis wir ein vollständig CO2-negatives Produkt herstellen können“, weiß Interface, „aber dieser Durchbruch war ein kraftvoller erster Schritt auf unserem neuen Weg.“