Whistleblowing: Compliance-Verstößen auf der Spur
Zum Schutz von Whistleblowern hat die EU eine neue Richtlinie beschlossen, die unter anderem vorsieht, dass Behörden und Unternehmen Meldesysteme für Hinweisgebende einrichten. Solche Hinweisgebersysteme schützen aber nicht nur Whistleblower, sondern spielen auch im Zusammenhang mit einem ganzheitlichen Compliance-Management eine wichtige Rolle.
14.02.2022
„Whistleblowing“ – also das Melden von Missständen in Unternehmen, Hochschulen, Verwaltungen und so weiter – ist wohl vielen spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden ein Begriff. Der ehemalige US-Geheimdienstler hatte interne Geheimdienst-Dokumente veröffentlicht und so die NSA-Überwachungs-Affäre ausgelöst. Hohe Wellen schlägt auch aktuell wieder der Fall rund um den in den USA wegen Spionage angeklagten WikiLeaks-Gründer Julian Assange. Er hatte unter anderem geheime US-Militärdokumente veröffentlicht und so mutmaßliche Kriegsverbrechen aufgedeckt. Derzeit ist Assange im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh inhaftiert, der Rechtsstreit rund um seine Auslieferung an die USA dauert nach wie vor an.
Doch nicht immer erfolgt Whistleblowing in so einem globalen und politisch brisanten Ausmaß. Das Thema hat vor allem für Unternehmen im Bereich Korruptionsbekämpfung hohe Relevanz: Zahlreiche Delikte und Compliance-Verletzungen kommen nämlich erst durch Hinweisgebende ans Licht oder werden zumindest schneller aufgedeckt, zeigt ein Bericht der WirtschaftsWoche. Bisher waren Whistleblower allerdings rechtlich wenig geschützt und mussten in der Vergangenheit mit weitreichenden Konsequenzen bis hin zur Kündigung rechnen (einige Fälle nachzulesen auch bei ZEIT ONLINE).
EU-Whistleblowing-Richtlinie
Mittlerweile hat die EU eine Richtlinie erlassen, die Whistleblower vor Repressalien bewahren soll und außerdem EU-weit einheitliche Standards schafft. Die EU-Regeln sehen unter anderem vor, dass Unternehmen (juristische Personen des Privatrechts) ab 50 Mitarbeitenden „unabhängig von der Art ihrer Tätigkeiten“ entsprechende interne Meldekanäle für Hinweisgebende einrichten müssen (Artikel 48). Das gilt auch für öffentliche Unternehmen und Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Bis Mitte Dezember 2021 hätten die Mitgliedsstaaten die Richtlinie in nationales Recht umsetzen müssen. Weil sich die alte Bundesregierung aber noch nicht einigen konnte, gelten hierzulande zunächst die Vorgaben der EU, berichtet der Deutschlandfunk.
Öffentliche Stellen sind daher bereits jetzt zum Hinweisgeberschutz verpflichtet, informiert die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Mazars. Eine Umsetzungspflicht für Unternehmen besteht derzeit aber noch nicht: „Für den privaten Sektor wird hingegen das Entstehen unmittelbarer Pflichten aus europäischen Richtlinien ohne nationale Umsetzung überwiegend verneint.“ EU-Richtlinien gelten laut dem Informationsportal EU-Info nämlich erst nach Umsetzung in nationales Recht auch für Privatpersonen. Mazars rechnet aufgrund der Dringlichkeit allerdings damit, dass noch in der ersten Jahreshälfte 2022 ein deutsches Gesetz verabschiedet wird. Ab dann seien voraussichtlich Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden dazu verpflichtet, ein internes Hinweisgebersystem einzurichten. Kleinere Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden müssten dann nach einer zweijährigen Übergangszeit wahrscheinlich ebenfalls ab 2024 ein solches System implementieren.
Hinweisgebersysteme helfen Unternehmen
Vor einer Welle ungerechtfertigter Meldungen durch das neue Gesetz müssen sich Unternehmen wohl nicht fürchten: „Echtes Denunziantentum ist in der Praxis eher selten, das zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre“, erklärte Mazars bereits 2021. Eingesetzt in einem ganzheitlichen Compliance-Management-System hat ein internes Hinweisgebersystem für Unternehmen stattdessen zahlreiche Vorteile, informiert auch das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PwC. Unternehmen könnten so schnell auf Missstände reagieren, Reputationsschäden abwenden und interne Prozesse verbessern. „Ein Hinweisgebersystem ist das wichtigste Instrument, um von Verdachtsfällen und Verstößen frühzeitig Kenntnis zu erlangen und diese eigenständig aufzuklären. Professionell betrieben stärkt es damit das Vertrauen der Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner in die Integrität und Reaktionsfähigkeit ihres Unternehmens“, so Carsten Hasemeier, Director bei PwC Deutschland.
Eine HelpLine bei CWS
Wie das in der Praxis funktioniert, zeigen Unternehmen, die bereits ein solches Hinweisgebersystem in ihre Compliance-Prozesse integriert haben. Dazu gehört auch CWS. Beim Thema Compliance setzt der Anbieter von professionellen Textil-Services und Waschraumhygienelösungen auf „Ehrlichkeit, Integrität, faires Verhalten und die Einhaltung aller gesetzlichen Pflichten – entlang der gesamten Lieferkette.“ Dementsprechend sind die Social-Compliance-Grundsätze sowohl im Code of Conduct als auch in der CWS Supply Chain Management GmbH festgehalten. Darüber hinaus setzt CWS auf weitere interne Maßnahmen und Compliance-Trainingsprogramme, um Compliance-Verletzungen zu minimieren.
Seit April 2021 gehört auch ein Hinweisgebersystem zum CWS-Compliance-Management dazu. Die CWS Compliance-HelpLine steht allen Ländern und Gesellschaften der CWS Gruppe in mehreren Sprachen zur Verfügung. Mitarbeitende, Kundinnen und Kunden sowie weitere Stakeholder können über dieses System Compliance-Verstöße wie beispielsweise Korruption, Geldwäschedelikte oder Menschenrechtsverletzungen melden. Die Meldung kann telefonisch als Sprachnachricht oder online als Textmeldung erfolgen. Dabei kann der oder die Hinweisgebende auf Wunsch vollkommen anonym bleiben. Die gesamte Kommunikation erfolgt über die Plattform, die von einem externen Anbieter betrieben wird, es gibt keine direkte Interaktion zwischen CWS und der meldenden Person. Mitarbeitende können sich darüber hinaus auch an geschulte Compliance-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter wenden.
MAN: Hinweisgeberportal, Telefon-Hotline oder Ombudsleute
Auch beim Nutzfahrzeughersteller MAN können Mitarbeitende und externe Stakeholder Compliance-Verstöße über mehrere Kanäle melden wie zum Beispiel über das „Speak Up!“-Portal. Die Plattform wird von einem externen Anbieter betrieben, ist online zugänglich und steht in zwölf Sprachen zur Verfügung. Dort können sich Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber entweder mit ihrem richtigen Namen oder auch anonym mit einem selbst gewählten Pseudonym registrieren. Nachdem die Hinweise eingegangen sind, prüft das TRATON Investigation Office die Meldung und kontaktiert den oder die Meldende bei Bedarf über das Meldesystem.
Zusätzlich können sich alle Stakeholder per Post an das TRATON Investigation Office wenden oder sich bei der telefonischen Hinweisgeber-Hotline der Volkswagen AG, die rund um die Uhr zur Verfügung steht, melden – auf Wunsch auch anonym. Darüber hinaus arbeitet der Volkswagenkonzern mit externen Ombudsleuten zusammen, die ebenfalls Hinweise zu Korruption und anderen Compliance-Verstößen annehmen. „Es liegt in der Verantwortung eines jeden Mitarbeiters, unser Unternehmen vor Rechtsverstößen und deren negativen Folgen zu schützen. Unsere Verantwortung ist der Schutz von Hinweisgebern und Betroffenen durch eine vertrauliche Bearbeitung von Hinweisen unter Beachtung der Unschuldsvermutung“, erklärt dazu Nadine Mayer, Head of TRATON Investigation Office.