Monsanto-Übernahme hält Bayer auf Trab
Die Aktie im freien Fall, Tausende anhängige Klagen gegen die neue Tochter Monsanto, kaum kalkulierbare Milliardenrisiken durch mögliche Schadenersatz- und Vergleichszahlungen. Für den Leverkusener Pharma- und Agrarchemieriesen Bayer ist 2018 kein leichtes Jahr gewesen. Trotzdem sagt Vorstandsvorsitzender Werner Baumann: „Wir haben die richtigen Weichen für die Zukunft gestellt.“
03.04.2019
Seinen Optimismus dürfte der Top-Manager vor allem aus dem Umstand ziehen, dass sein Konzern trotz schwieriger Fahrwasser Umsatz und Ergebnis steigern konnte. 39,5 Milliarden Euro erwirtschafteten die Konzernbeschäftigten 2018, rund 4,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Beim Ergebnis steht ein Plus von 2,8 Prozent. 9,5 Milliarden Euro waren das im vergangenen Geschäftsjahr. Unterm Strich also solide Zahlen in einem, so Baumann, „schwierigen Marktumfeld“.
Aktie: Talfahrt hält an
Die Aktionäre dürfte das indes kaum beruhigen. Die 2018 abgeschlossene Übernahme des US-amerikanischen Glyphosat-Herstellers Monsanto – die größte der Unternehmensgeschichte – hat den Leverkusener Konzern an der Börse auf Talfahrt geschickt. Während für eine Bayer-Aktie 2015 zeitweise noch über 140 Euro gezahlt werden mussten, ist sie derzeit für unter 60 Euro zu haben. Alleine 2018 gingen 40 Prozent des Börsenwertes verloren. Zum Vergleich: Der DAX, der auch schon stärkere Jahre hatte, büßte im Jahresverlauf 18 Prozent ein.
Die Kursentwicklung nennt Baumann im aktuellen Geschäftsbericht des Konzerns deshalb auch „sehr enttäuschend“. Der Hauptgrund sei :die weiterhin große Unsicherheit über den Ausgang zahlreicher Klagen zu Glyphosat. Sie hätten „die strategischen Fortschritte und die solide wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens“ überschattet, so der Vorstand. Denn die rechtlichen Unwägbarkeiten sind weiterhin enorm: Bis Ende Januar wurden Monsanto in den USA Klagen von rund 11.200 Klägern zugestellt.
Baumann: Glyphosat wichtig und sicher
Die tragen vor, sie seien mit von Monsanto hergestellten glyphosathaltigen Produkten in Berührung gekommen und dadurch erkrankt. Jetzt fordern sie Schadenersatz. Erste Gerichte urteilten bereits im Sinne der Kläger, weitere Verfahren stehen dieses Jahr zur Verhandlung an. Der Ausgang ist ungewiss. Baumann gibt sich dennoch zuversichtlich: „Wir haben die wissenschaftlichen Fakten auf unserer Seite und werden dieses wichtige und sichere Herbizid für eine moderne und nachhaltige Landwirtschaft weiter entschieden verteidigen.“
Unter anderem mit diesem Nachhaltigkeitsversprechen hatte Bayer seinerzeit die Monsanto-Übernahme begründet. Und mit den guten Geschäften, die sich mit Innovationen auf Feldern und Weiden machen lassen. Bayer, sagt der Vorstandschef, sei da heute bestens aufgestellt. Nach der Integration der Forschungsabteilungen von Monsanto verfüge man „über die größte und wertvollste Forschungspipeline der Branche“. Sie umfasse mehr als 75 Projekte zu Saatgut und Pflanzeneigenschaften, Pflanzenschutz und digitaler Landwirtschaft.
Springinnovationen für mehr Nachhaltigkeit
Ein Projekt, das Baumann am Herzen liegt, trägt den Namen FieldView. Dahinter verbirgt sich eine Plattform für die digitale Landwirtschaft mit einer ganzen Reihe unterschiedlicher Anwendungen, mit denen Bauern ihre Flächen auf mehr Ertrag trimmen können. Mit dabei zum Beispiel: Ein sogenannter „Seed Advisor“, der Saatgutbibliotheken mit regionalen Ertragsergebnissen kombiniert, um die besten Sorten für jeden Standort vorauszusagen. Laut Bayer konnten dank der Technik die Erträge auf Maisfeldern in den USA bei ersten Testläufen schon deutlich gesteigert werden – und zwar um satte 612 Kilogramm je Hektar.
Mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft versprechen sich die Leverkusener auch vom Joint Venture „Joyn Bio“, das 2018 seinen Forschungsbetrieb aufgenommen hat. Ein Ziel: Die Reduzierung der Bodenbelastung durch Stickstoffdünger. Der Fokus liegt auf Getreidesorten, die ihren Stickstoffbedarf künftig durch Bodenmikroben weitgehend selbst decken sollen. Bayer verbucht das unter „Sprunginnovationen“ und hat, um diese zu fördern, ein neues Innovations- und Kooperationsmodell entwickelt: „Leaps by Bayer“ mit Standorten in Berlin, Boston und San Francisco.
Gesellschaftliche Verantwortung
Neben großen Agrarbetrieben haben die Leverkusener weiter Kleinbauern im Blick. 2018 hat der Konzern zusammen mit der International Finance Corporation und anderen die globale Allianz „Better Life Farming“ gebildet. Kleinbauern in Entwicklungsländer, die weniger als zwei Hektar Land bewirtschaften, soll die zu nachhaltigeren Geschäftsmodellen verhelfen. Mit Branchengrößen wie BASF, oder Syngenta hat sich der Konzern im Frühjahr zudem den Kampf gegen Malaria verschrieben. Gemeinsam wollen sie helfen, das Tropenfieber bis 2040 weltweit auszurotten.
Bayer-Vorstand Baumann verbucht dies auch als eine Form unternehmerischen Engagements, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren und gleichzeitig natürliche Ressourcen zu schonen. „Dazu wollen wir einen Beitrag leisten.“ Wirtschaftliche Ambitionen und soziale Verantwortung, Ökonomie und Ökologie gingen dabei Hand in Hand. Zum Bayer-Verständnis von gesellschaftlicher Verantwortung, so Baumann weiter, gehöre auch die Suche nach dem Dialog „mit allen Gruppen, die an einem sachlichen Austausch interessiert sind“.
Und immer wieder: Monsanto
Zumindest in Sachen Monsanto scheint Baumann diese Sachlichkeit manchmal zu vermissen. 2018 hat er deswegen eine Transparenzinitiative ins Leben gerufen, die Sicherheitsstudien zu Pflanzenschutzmitteln öffentlich zugänglich macht, inklusive 300 zum Unkrautvernichter Glyphosat. Dessen Sicherheit steht für Baumann außer Frage. Das belegten „zahlreiche wissenschaftliche Studien und die unabhängigen Bewertungen von Zulassungsbehörden auf der ganzen Welt“. Auf den weltweiten Aktienmärkten scheint das bislang nur niemanden zu interessieren.
Über den Bericht
Der Leverkusener Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer berichtet seit 2012 in Integrierten Geschäftsberichten über seine Finanz- und Nachhaltigkeitsleistung, um die Wechselwirkungen zwischen finanziellen, ökologischen und gesellschaftlichen Faktoren zu verdeutlichen und deren Einfluss auf den langfristigen Unternehmenserfolg. Seit 2018 liegen die Geschäftsberichte ausschließlich als Online-Fassung vor. Eigenständige Nachhaltigkeitsberichte veröffentlicht der Konzern nicht mehr.