EY-Studie: Starkes Auftreten gegen Rassismus wird belohnt
Rassistische Vorfälle in Deutschland nehmen zu – auch am Arbeitsplatz. Von Unternehmen wird erwartet, etwas dagegen zu tun. Wie das konkret aussehen kann, hat eine im Sommer 2020 durchgeführte gemeinsame Studie von EY, Gesicht Zeigen! und Civey untersucht. UmweltDialog stellt die wichtigsten Ergebnisse vor.
19.01.2021
Eine Bauingenieurin aus Syrien wird von zwei Kollegen aus einer anderen Abteilung angesprochen. Sie fragen, ob sie in dem Unternehmen arbeite, um Kaffee zu kochen. Die Männer lachen. Als sie erklärt, dass sie als Statikerin angestellt sei, lachen sie noch lauter und fragen, ob sie nach syrischen oder deutschen Standards arbeite. Rassismus im Alltag ist kein Einzelfall. Laut dem Jahresbericht 2019 der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, aus dem das Beispiel der syrischem Statikerin stammt, nehmen die Beratungsanfragen aufgrund rassistischer Diskriminierung jedes Jahr zu. Seit 2015 haben sie sich mehr als verdoppelt. Besonders häufig geht es dabei um Benachteiligung im Job.
Damit beschäftigt sich auch eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, des Vereins Gesicht Zeigen! und des Marktforschungsunternehmens Civey. Für die Studie wurden zunächst 5.000 Deutsche ab 18 Jahren und anschließend zusätzlich Beschäftigte sowie Entscheider und Entscheiderinnen in Unternehmen und von Rassismus Betroffene befragt. Demnach hat jeder fünfte Deutsche schon einmal rassistische Diskriminierung am Arbeitsplatz erlebt. 17 Prozent haben die Diskriminierung bei anderen beobachtet, drei Prozent waren selbst Opfer.
Diskriminierung geschieht oft im Verborgenen
Das Überraschende: Fast 37 Prozent der Gesamtbevölkerung finden es dennoch nicht wichtig, sich aktiv gegen Rassismus einzusetzen. Fast ein Drittel der Beschäftigten gibt zudem an, bei rassistischen Vorfällen nicht sofort ihre Vorgesetzten zu informieren. „Viele Diskriminierungen kommen daher erst gar nicht zum Vorschein“, sagt Sophia Oppermann, Geschäftsführerin von Gesicht Zeigen!. Das könne auch daran liegen, dass die dafür notwendigen Strukturen fehlten. So sagen 27 Prozent der Beschäftigten, dass es in ihrem Unternehmen keine Person gebe, an die sie sich gegebenenfalls wenden können. Zudem verneinten 45 Prozent die Frage, ob in ihren Unternehmen offen über Rassismus gesprochen wird. Auch über andere politische Themen wird der Studie zufolge selten im Arbeitsalltag gesprochen.
Wie vorgehen gegen Rassismus?
Die Studie zeigt aber auch: Die Erwartungshaltung an Unternehmen, sich stärker gegen Rassismus einzusetzen, ist groß. So wünscht sich mehr als die Hälfte der volljährigen deutschen Bevölkerung (57 Prozent) mehr Engagement seitens der Unternehmen. Ein ebenso großer Anteil meint, dass sich Unternehmen nicht genug für Werte wie Vielfalt und Respekt einsetzen. Dabei sind Unternehmen nicht nur moralisch-ethisch, sondern – durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – auch gesetzlich verpflichtet, gegen Rassismus im eigenen Hause vorzugehen. Hubert Barth, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY Deutschland, sieht es vor allem als Aufgabe „des Unternehmensmanagements, Strukturen zu schaffen, die gewährleisten, dass rassistische Vorfälle anerkannt und ernst genommen werden und für ein Klima zu sorgen, in dem ethnische und kulturelle Vielfalt wirklich gelebt wird.“ Die Schaffung einer Beschwerdestelle ist ein erster Schritt zur strukturellen Verankerung des Themas. Auch ein klares Statement gegen Rassismus, etwa als Teil eines Verhaltenscodex (Code of Conduct) oder in Form von Selbstverpflichtungen wie der Charta der Vielfalt, gehört, neben Mitarbeiter-Trainings und Netzwerkarbeit, zu den wichtigsten Anti-Rassismus-Maßnahmen für Unternehmen, wie die Studie herausstellt.
Welche Folgen es hat, wenn Unternehmen Rassismus herunterspielen, und sich nicht klar positionieren, zeigt ein Beispiel aus den USA: Im Mai 2020 war hier der Afroamerikaner George Floyd von Polizisten getötet worden. Die dadurch in Gang gesetzte „Black-Lives-Matter“-Bewegung sorgte für weltweite Demonstrationen gegen Rassismus und verlieh dem Thema eine neue Brisanz und Aufmerksamkeit. Das bekam auch Sportartikel-Hersteller Adidas zu spüren. Im Juli trat Personalchefin Karen Parkin zurück, nachdem sie von mehreren Mitarbeitern unter anderem für ihre Aussage kritisiert worden war, dass sie nicht glaube, dass Adidas ein Rassismusproblem habe.
Wer Rassismus ignoriert, könnte nicht nur von den eigenen Stakeholdern abgestraft werden und dem eigenen Image schaden, sondern auch dem Geschäft. Das sieht auch Rebecca Weis, Geschäftsführerin von Gesicht Zeigen!, so: „Wir haben in der Vergangenheit bereits gesehen, dass rassistische Übergriffe auch zu einer breiten Berichterstattung in den Medien führen können – auch außerhalb Deutschlands. Es ist offensichtlich, dass derartige Vorkommnisse auch Fachkräfte und inländische und ausländische Investoren abschrecken und somit auch das wirtschaftliche Wachstum in den betreffenden Regionen gefährden können.“
Zur Studie gelangen Sie hier.
Zum Rassismusbegriff, wie er der Studie zugrunde liegt, siehe: Amadeu Antonio Stiftung, Was ist Rassismus.