Warum brauchen wir Nachhaltigkeits-Manager?
Seit zwei Jahren führt die IHK Nürnberg für Mittelfranken die Qualifizierung „CSR-Manager (IHK)" durch. Über Inhalte, Ziele und Anforderungen sprachen wir mit dem Initiator Jochen Raschke.
11.03.2015
Inwiefern gehören das Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns und CSR zusammen?
Jochen Raschke: Über Jahrhunderte haben verantwortungsvolle Kaufleute das Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns geprägt und für dessen Einhaltung Sorge getragen. Heute sind die IHKs gesetzlich beauftragt, für „Wahrung von Anstand und Sitte des Ehrbaren Kaufmanns" zu wirken (§1 Abs.1 IHKG). Das konkretisieren wir in neun Leitsätzen, die zeitlos und als werteorientierte Grundhaltung zu verstehen sind.
Mit diesen Werten identifizieren sich auch heute viele Unternehmer und sehen sie als Basis für eine vertrauensvolle, faire, gewinnbringende und zukunftsorientierte Geschäftstätigkeit. Geprägt von dieser Grundhaltung verbinden wir mit CSR nachhaltigkeitsorientierte Strategien und praktische Managementmethoden für eine ganzheitliche Umsetzung in allen Unternehmensbereichen.
Neben den Leitlinien des Ehrbaren Kaufmanns stehen dabei in der modernen, von Globalisierung geprägten Welt die zehn Prinzipien des UN Global Compact, die sich auf Grundwerte in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung beziehen. 2012 ist unsere Industrie- und Handelskammer deshalb dem GC beigetreten.
Wie kann der Weg zu einer spezifischen CSR-Strategie und Implementierung eines CSR-Managements konkret organisiert werden?
Raschke: Das waren die Ausgangsfragen, die wir uns gestellt haben, als es um konkrete Möglichkeiten ging, unsere Mitglieder zu unterstützen, gesellschaftliche Unternehmensverantwortung in die Tat umzusetzen. Mit einem Expertengremium haben wie die Qualifizierung „CSR-Manager (IHK)" entwickelt, die aus der Zusammenarbeit mit der DIHK Bildungsgesellschaft einen bundesweiten IHK-Standard setzte.
2013 schlossen dann die ersten Absolventen hier in Nürnberg diese Weiterbildung mit dem IHK-Zertifikat erfolgreich ab. Als erste internationale Kammer hat übrigens die Deutsch-Malaysische Auslandshandelskammer dieses Konzept in einen Kurs umgesetzt.
An wen richten sich die Kurse?
Raschke: Vor allem an Unternehmen, in denen das CSR-Management zumeist als Zusatzaufgabe bei Mitarbeitern aus den Bereichen Personal, Kommunikation, Qualitätsmanagement oder der Geschäftsleitungsassistenz angesiedelt ist.
Aber nicht nur CSR-Verantwortliche, die praktische Umsetzungshilfen für eine nachhaltige Organisationsausrichtung wünschen, besuchen den Lehrgang, sondern auch Mitarbeiter aus Non-Profit-Organisationen und Weiterbildungsinteressierte, die CSR zu einem Schwerpunktthema ihrer Berufsperspektive machen wollen.
Was sind die Motive der Teilnehmer, den Kurs zu besuchen?
Raschke: Einige haben einen konkreten Unternehmensauftrag, andere sind intrinsisch motiviert, in ihren Unternehmen etwas bewegen zu wollen oder sich generell für ein wichtiges Zukunftsthema beruflich zu rüsten. Zunehmend werden die Berichtspflichten, die 2016 auch in Deutschland greifen werden, einen Handlungsdruck erzeugen, auch wenn sie direkt nur für Unternehmen von öffentlichem Interesse ab 500 Mitarbeitern gelten.
Was wird vermittelt?
Raschke: In den Modulen und den Transferaufgaben befassen sich die Teilnehmer mit wirtschaftsethischen Grundlagen, Betrachtungen globaler und spezifischer Herausforderungen und Entwicklungen für Unternehmen und Gesellschaft, der Bestimmung von CSR-Handlungsfeldern in Unternehmen, praktischem Projekt- und Entwicklungsmanagement sowie CSR-Instrumenten, -Standards, -Initiativen, -Kommunikation und -Reporting.
Auf wissenschaftlicher Basis werden ein übergreifendes Verständnis für CSR und der aktuelle Stand der Technik vermittelt und Handlungskompetenzen für praktische Umsetzungsprozesse entwickelt. Wichtig ist es uns auch, Nutzen und Aufwand deutlich zu machen. Ansatzpunkte, Themen und Einstiegsmöglichkeiten sind natürlich für jede Organisation unterschiedlich. Wir helfen, die Relevanz für die eigene Praxis zu erkennen.
Vortrags- und Gesprächsabende mit Praxisvertretern ergänzen die Lehrgangsinhalte; auch ein Tages-Unternehmensbesuch sorgt für eine sehr konkrete und praxisorientierte Auseinandersetzung mit den Themenfeldern.
Was beinhaltet die Projektarbeit der Teilnehmer?
Raschke: Sie gestalten eine spezifische CSR-Strategie und einen praktischen Handlungsplan für die eigene Organisation und schaffen damit individuelle Lösungsansätze für ihre tägliche Praxis. Das eigens entwickelte IHK-CSR-Workbook dient dabei als Praxis-Leitfaden. Die Vorstellung und die Diskussion dieser Projektarbeit sind Grundlage des Zertifikatsabschlusses.
Was waren die wichtigsten Erfahrungen der vergangenen Kurse?
Raschke: Die Vielfalt der Teilnehmer hat gezeigt, dass das Entwicklungskonzept für Unternehmen verschiedenster Branchen und auch Größenklassen von einem bis zu mehreren Tausend Mitarbeitern genutzt werden kann. So haben sich bisher u. a. Unternehmensvertreter aus den Bereichen Lebensmittel / Ernährung, Pharmazie, Bauwirtschaft und Immobilien, Textilherstellung und -handel, Kommunikation, Finanzwirtschaft, aber auch aus dem Sportmanagement und von NGOs im Kurs engagiert.
Bei allen Teilnehmern hat sich das vorhandene Verständnis von CSR nicht nur weiter entwickelt, sondern meist auch verändert: weg von einer Sozialromantik und einem rein defensivem Charakter, sondern positive Effekte erkennen, neue unternehmerische Chancen generieren und strategisches Verständnis gewinnen.
Was ist das Differenzierungsmerkmal zu anderen CSR-Kursen?
Raschke: Generell sehe ich hier sicher die konsequente Ausrichtung auf die praktische Umsetzung im Unternehmen und die Beförderung individueller CSR-Ansätze. Das zeigt sich in der methodischen Entwicklung des CSR-Verständnisses, im Projektmanagement-Teil mit erprobtem Praxis-Leitfaden, in der Kombination der Fachdozenten aus Wissenschaft und Praxis und durch die ergänzenden Fachvorträge von Unternehmen und NGO, die CSR aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten.
Und nicht zuletzt die Organisationsform, kein Studium aber auch keine „Mehrtages-Schnellbleiche", sondern mit Bedacht gewählte zeitliche Abstände zwischen den Modulen, die eine begleitende Entwicklung ermöglichen. Zudem ist uns auch der Erfahrungsaustausch und die Verbindung der Teilnehmer immens wichtig. Das befördern wir zum einen durch die gemeinsamen Abende auch mit Trainern und Unternehmenspartnern in allen Modulen und auch über Alumnitreffen und -informationen.
Woran ist zu erkennen, dass ein solcher Zertifizierungslehrgang nachhaltig ist?
Raschke: Letztlich zeigt dies die Umsetzung in der Praxis, und da gibt es natürlich unterschiedliche Ergebnisse, die auch von der Ausgangssituation der Teilnehmer und Verankerung in Unternehmen abhängen.
Wir haben Beispiele mit hohem Handlungsdruck von Unternehmen oder zumindest klaren Vorstellungen, an die direkt anzuknüpfen ist. Andererseits ergeben sich auch Situationen, wo die Geschäftsleitung erst überzeugt werden soll, welche Chancen mit CSR verbunden sind, ohne dabei den Aufwand außer Acht zu lassen.
Der nächste Kurs findet Mitte April bis Anfang Juli 2015 in fünf Modulen in der IHK Akademie Mittelfranken statt, das Modul mit dem Unternehmertag bei der Neumarkter Lammsbräu.
Hier gelangen Sie zu weiteren Informationen und zur Anmeldung.