Der Ehrbare Kaufmann und das vermutete Auto-Kartell
Nicht einmal zwei Jahre später, die Diesel-Affäre um VW schien einigermassen überstanden, droht ein neuer Skandal ungeahnten Ausmasses. Dieses Mal geht es nicht mehr um das Manipulieren von einzelnen Automodellen, sondern die großen deutschen Automobilhersteller sind in den Verdacht einer Kartellbildung geraten, in dem es schon seit Jahrzehnten in geheimen Zirkeln Absprachen über Kosten, Zulieferer und auch den Umgang mit dem Thema Diesel-Abgase gegeben haben soll. Angeblich liegen auch bereits Selbstanzeigen von Daimler und Volkswagen bei den Wettbewerbsbehörden vor.
02.08.2017
Und wieder einmal staunt die Öffentlichkeit über die dreisten Machenschaften von hochbezahlten Managern, so wie schon bei den mafiösen Strukturen im Zucker und Lastwagen-Kartell, oder bei den unzähligen Skandalen in der Finanz-, Versicherungs- und Lebensmittelbranche. Von dem Schicksal der sogenannten Schlecker-Frauen ganz zu schweigen, denen jetzt sogar von ehemaligen Top-Managern der Drogerie-Kette eine Mitschuld an dem Bankrott zugeschoben wird.
Von dem Leitbild und dem Verhalten eines Ehrbaren Kaufmanns scheinen die verantwortlichen Personen bei den entsprechenden Organisationen entweder noch nichts gehört zu haben, oder es war auf dem Weg zu kurzfristiger Gewinnmaximierung, für die eigene Karriere und für ein höheres Einkommen einfach nur lästig. Deswegen meine kleine Erinnerung an die Prinzipien eines Ehrbaren Kaufmanns und wie man dabei das Wort EHRBAR entsprechend „übersetzen“ könnte:
E = Ehrlichkeit
Menschen fällt es anscheinend immer schwerer, offen und ehrlich ihre Meinung und die Wahrheit zu sagen, weil sie entweder persönliche Vorteile behalten, oder entsprechende Nachteile vermeiden wollen. Genauso verhält es sich mit Manipulieren und Täuschen, von Stehlen ganz zu schweigen. Die entsprechende Hemmschwelle wird immer kleiner, der Weg von „Schwarzfahren“ zu Steuerhinterziehung, oder gefälschten Abgaswerten wird immer kürzer. Gerade weil es zu wenige positive Beispiele und zu viele Verlockungen hinsichtlich der erwarteten „Belohnungen“ gibt, sind Menschen in Führungspositionen besonders gefordert, die in Vergessenheit geratene Tugend der Ehrlichkeit nicht nur zu predigen, sondern vorzuleben und einzufordern. Und dies ganz besonders, wenn „Werte“ im Mittelpunkt ihrer Geschäftstätigkeit stehen, egal, ob Emissionen oder Finanzen.
H = Halten an Gesetze, Vorschriften, Regeln und Vereinbarungen
Geht Hand in Hand mit Ehrlichkeit und ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, gerade für Führungskräfte und Unternehmer. Wie bei den zitierten und anderen Skandalen sind aber die entsprechenden Verhaltensregeln oft nicht das Hochglanz-Papier wert, auf dem sie gedruckt sind. Wenn Konzerne Hunderttausende von Menschen beschäftigen – bei denen es auch nicht nur „Heilige“ gibt – dann müssen entsprechende Kontrollmechanismen eben nicht nur installiert sein, sondern laufend überwacht und angepasst werden. Und wenn es nur das klassische „Vier-Augen-Prinzip“ in der Geschäftsführung, die Einführung von Wertgrenzen bei Unterschriftsregelungen oder regelmässige, externe Revisionen. sind. Und diese laufend und unabhängig und nicht erst auf Druck der Öffentlichkeit oder von Seiten der Justiz. Wenn hier an der falschen Stelle gespart, vielleicht sogar weggesehen wird, dann sind die aktuellen Ergebnisse und Auswirkungen schon vorprogrammiert. Ein irreparabler Schaden kann entstehen, oft sogar mit Existenzbedrohenden Auswirkungen auf die jeweilige Organisation.
R = Respektvoller Umgang mit Menschen
Menschen machen den Unterschied, nicht nur bei VW und anderen Konzernen. Um diese für einen entsprechenden Einsatz zu motivieren, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder „Management by Angst“ (vor dem Chef, einen Fehler zu machen/zuzugeben und damit den Verlust der Position/des Arbeitsplatzes zu riskieren), oder Führung mit Wertschätzung und Vertrauen. Andere Menschen eben nicht herabwürdigen, bloss stellen und gemachte Fehler nicht als Versagen, sondern als Teil eines Prozesses akzeptieren. Wenn nur mit Angst/Druck geführt und jeder Fehler gleich als Riesen Katastrophe angesehen wird, darf man sich anschliessend eben nicht wundern, dass Mißstände unter den Teppich gekehrt werden und nicht bis zur Unternehmensspitze vordringen. Und wenn Verantwortliche in den jeweiligen Führungsebenen hauptsächlich an der Erreichung ihrer individuellen Ziele (Umsatz, Ergebnis, Marktanteile, Einhalten von Kostenzielen,…) gemessen und mit horrenden Bonus-Zahlungen belohnt werden, ist diesen im Zweifel die Art und Weise der Zielerreichung auch egal.
B = Bescheidenheit
DAX-Vorstände verdienen bis zu dreihundertmal mehr, als ein „normaler“ Angestellter. Sie fliegen auch schon mal mit Hubschraubern von der Privat-Wohnung in´s Büro und übernachten in Luxus-Suites. Ihre Angestellten dürfen es sich bei Dienstreisen aber in der Tourist-Class „bequem“ machen und bei „Bed & Breakfast“ absteigen. Führungskräfte die so handeln, sind sich entweder nicht bewusst, wie verheerend sich so ein Verhalten auf das Engagement ihrer Mitarbeiter/innen auswirken kann, oder es ist ihnen schlichtweg egal.Dass damit automatisch die emotionale Bindung an den Arbeitgeber verloren geht, sich viele Beschäftigte sogar in die innere Kündigung zurückziehen und nur noch Dienst nach Vorschrift machen, ist die logische Konsequenz.
Natürlich sollen Spitzenkräfte gut verdienen, auch unter Berücksichtigung der besonderen Verantwortung und Belastung. Und wenn es dem Unternehmen gut geht, damit auch Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden, kann man entsprechende Einkommen in einem gewissen Rahmen auch akzeptieren. Ob es aber gerechtfertigt ist, Top-Manager, welche die Skandale zu verantworten haben, nach Rücktritten auch noch mit Abfindungen und Pensions-Ansprüchen im zweistelligen Millionenbereich auszustatten, ist mehr als fragwürdig. Gerade, wenn dann die „Zurückgelassenen“ den angerichteten Schaden ausbaden dürfen, auch im Zweifel mit Verlust von Einkommen oder des eigenen Arbeitsplatzes.
A = Achtung
„Nicht nur an Umsatzzahlen und Produktionsziffern wird der moderne Unternehmer gemessen, sondern immer mehr auch daran, was er aus sozialer Verantwortung heraus bereit ist, für die Gesellschaft zu tun.“ Und wenn es um Verantwortung geht, würde ich diese Empfehlung von Werner Otto (Gründer der Otto Gruppe) zusätzlich um Achtung ergänzen. Natürlich ist der Kernzweck eines Unternehmers, eines Kaufmanns, die Erzielung eines angemessenen Gewinns, aber nicht aus purem Egoismus und „koste es was es wolle“. Rücksichtslose Ausbeutung von Menschen und Natur sind dabei ebenso zu ächten, wie das schamlose Ausnutzen der vom Staat und der Gesellschaft bereitgestellten Ressourcen und Einrichtungen.
R = Redlichkeit und Rückgrat
Jeden Morgen ohne rot zu werden in den Spiegel blicken können. Sich vor sein Team zu stellen und Verantwortung für Entscheidungen und Ergebnisse übernehmen, auch um Schaden von der Organisation abzuwenden. Und nicht den einfachen, aber unredlich erzielten Gewinn über nachhaltiges und sorgsames Wirtschaften stellen. Dies sind Charaktereigenschaften eines Ehrbaren Kaufmanns, der nicht nur von seinen Angestellten, sondern auch von Kunden, Wettbewerbern und der gesamten Gesellschaft geachtet wird. Oder einfacher ausgedrückt: Anstand!
Die Beurteilung des aktuellen Skandals und der handelnden Personen überlasse ich Ihnen, genauso, wie Ihr persönliches Verhalten in ähnlichen Situationen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass nur das Handeln wie ein Ehrbarer Kaufmann Vertrauen schafft, welches ja bekanntlich die Basis für nachhaltigen Erfolg ist. Und dies nicht nur in der Automobilbranche und in der reinen Lieferanten-/Kundenbeziehung. Ach so, beinahe hätte ich es vergessen. Der Deutsche Fußball Bund hat gerade stolz seinen neuen Werbepartner, VW, präsentiert. Als Nachfolger von Mercedes mit denen man jahrelang zusammengearbeitet hat. Passt ja irgendwie, Gute Freunde kann bekanntlich ja niemand trennen….