Klimawandel: Zentralbanken wachen auf
Der Klimawandel hat die Zentralbanken erreicht und unter den Geldwächtern große Sorgen um die finanzielle Stabilität entfacht. Offenbar sind die aber noch nicht groß genug, um überall im Kampf gegen die Erderwärmung loszulegen. Es hapert an etlichen Ecken und Enden, wie eine neue Studie offenlegt.
10.03.2020
Für die hat sich die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Mazars mit der Denkfabrik „Official Monetary and Financial Institutions Forum“ (OMFIF) zusammengetan, um bei 33 Zentralbanken aus sechs Regionen nachzufragen, wie die es mit der Erderwärmung halten und was sie dagegen zu tun gedenken. „Vier Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen ist die Debatte um den Klimawandel in vollem Gange. Der Klimawandel betrifft alle finanziellen Institutionen und das Thema ist ganz oben auf der Agenda von Aufsichts- und Regulierungsbehörden weltweit“, erklärt Rudi Lang, Partner und Leader Financial Institutions Group bei Mazars. Allerdings folgen diesem Bewusstsein aktuell noch wenig Taten.
Riesenproblem, aber …
So berücksichtigen der Studie zufolge bislang lediglich etwas mehr als die Hälfte der Zentralbanken (55 Prozent) den Klimawandel im Zuge des Risikomonitorings. Gerade noch 27 Prozent geben an, etwaigen Klimarisiken auch tatsächlich aktiv entgegenzutreten. Weitere zwölf Prozent der befragten Zentralbanker halten die Erderwärmung zwar für ein Riesenproblem, sehen jedoch in erster Linie andere Parteien in der Verantwortung, etwa politische Institutionen wie Ministerien.
Das klingt zunächst ignorant, ist den Studienautoren zufolge aber zumindest teilweise den unterschiedlich weit reichenden Mandaten der Zentralbanken geschuldet. Denn dass die Erderwärmung das Zeug hat, ganze Märkte und Volkswirtschaften durcheinanderzuwirbeln, dessen sind sich die Oberbanker bewusst. Immerhin 70 Prozent von ihnen sehen im Klimawandel dann auch eine große Bedrohung für die finanzielle Stabilität. Dass er keinen Anlass zur Sorge gibt, meinen dagegen nur magere sechs Prozent.
Finanzierung und Kreditvergabe: „grüne“ Standards kommen
Interessant ist ein Blick auf die Instrumente, die die Banker bereits gegen die Erderwärmung in Stellung bringen (ober bald in Stellung bringen wollen). Zahlreiche Zentralbanken etwa haben Standards für „grüne“ Finanzierungen oder Darlehen aufgelegt, denen die Finanzinstitute unter ihren Fittichen folgen müssen. Andere, wie etwa die deutsche, französische oder chinesische Zentralbank, steuern auch ihr eigenes Portfolio mit Nachhaltigkeitsvorgaben. Erste Banken geben sogar „grüne“ Bonds aus, also festverzinsliche Wertpapiere, die bestimmten Klimaanforderungen genügen müssen.
Auch die Deutsche Bundesbank hat den Studienautoren Standards für die „grüne“ Finanzierung und Kreditvergabe angekündigt. Werden sie Wirklichkeit, müssen sie deutsche Finanzinstitute umsetzen. „Auch die Bewertung von Klimarisiken als finanzielles Risiko in Stresstests wird von der Deutschen Bundesbank in Erwägung gezogen“, sagt Mazars-Partner Markus Morfeld. Damit gehöre sie zu den 79 Prozent der Banken, die dies plant. In der Umsetzung sind indes „erst 15 Prozent der befragten Zentralbanken und Aufsichtsbehörden“.
Deutsche Bundesbank will mehr Nachhaltigkeit
Die Deutsche Bundesbank zählt zudem mit einigen Gleichgesinnten zu den Instituten, die Unternehmen ermutigen oder gar verpflichten, klimabezogene Finanzdaten offenzulegen. In Frankreich, Brasilien, Großbritannien und einigen weiteren Staaten ist das schon üblich. Außerdem macht sie sich in ihren eigenen Geschäftsbereichen für mehr Nachhaltigkeit stark: In sechs der 16 Portfolios, die sie im Auftrag der Bundesländer verwaltet, werden Nachhaltigkeitskriterien bereits bei Investments angewendet. Nachhaltig oder öko-sozial aufgestellte Indizes, die beim Geldanlegen Orientierung bieten, sind der Studie zufolge in der Mache.
Ob es sinnvoll ist, die Geldpolitik in den Dienst des Klimaschutzes zu stellen, darüber wurde in den vergangenen Monaten nicht nur in der Finanzwelt heftig debattiert. Europas neue Zentralbankchefin Christine Lagarde hatte kurz nach ihrem Amtsantritt Anfang November 2019 gesagt, dass der Klimawandel für die Europäische Zentralbank (EZB) künftig eine stärkere Bedeutung haben werde und Teil der für 2020 geplanten Strategieüberprüfung sei. Zeit ist es: Die letzte Überprüfung dieser Art ist 16 Jahre her.
Klimaschutz: Nutzen der Geldpolitik strittig
Dennoch: Der Vorstoß von Lagarde ist nicht überall gut angekommen. Und auch die Studie von Mazars und OMFIF offenbart in der Frage, ob Zentralbanken die Geldpolitik für die Bekämpfung der Erderwärmung einsetzen sollten, eine tiefe Kluft: 42 Prozent der befragten Geldwächter würden das wollen. Der Rest und damit die Mehrheit erachtet dies dagegen als Fehler. Als Argumente dagegen werden unter anderem die mangelnde Effizienz der Geldpolitik gegenüber Instrumenten wie CO2-Steuern oder Gesetzen angeführt, aber auch Bedenken hinsichtlich der eigenen Rolle, die nie auf Klimaschutz ausgelegt gewesen sei.
Wenn es nicht die Geldpolitik ist: Wie können Zentralbanken dann ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten? Indem sie zunächst Grundlagen dafür in den eigenen Reihen legen. Heute ist es um die eher schlecht bestellt. Wenn die Risiken des Klimawandels bei vielen Zentralbanken und Aufsichtsbehörden noch wenig Gehör finden, liegt das auch am Fehlen entsprechender Analysetools, Methoden und Daten, sagen 84 Prozent der Befragten. Weiteres Problem: Die Fragmentierung der Rahmenwerke und Berichtstandards etwa zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Unternehmen. 31 Prozent sagen, die seien kaum vergleichbar und inkonsistent.
Und nun?
Was also tun? Die Studienautoren werben für die Angleichung solcher Standards, denen der Global Reporting Initiative zum Beispiel und denen des Sustainability Accounting Standards Board. Beide Regelwerke haben sich der Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsinformationen verschrieben, liefern diese aber laut Studie nicht, selbst dann nicht, wenn sie ein und dasselbe Unternehmen unter die Lupe nähmen.
Im Kern, und das untermauern die Autoren mit einigen anonymisierten O-Tönen aus der Zentralbankwelt, mangelt es den Geldwächtern an feinkörnigen (Klima-) Daten, die verlässlich darlegen, wie stark einzelne Unternehmen und Sektoren von der Erderwärmung betroffen sein werden. 87 Prozent der Befragten sagen allerdings auch, dass sie das „grüne“ Finanzgebaren eines Unternehmens selbst dann nicht weiter beachten, wenn sie dieses Unternehmen gerade auf seine Exposition gegenüber Klimarisiken durchleuchten.