Vonovia baut auf Holz
Die Baubranche ist besonders ressourcenintensiv und hat zudem eine eher schlechte Treibhausgasbilanz. Es müssen also dringend Lösungen her, fordern Fachleute. Eine Möglichkeit, nachhaltiger zu bauen, bieten zum Beispiel alternative Baustoffe. Holz ist einer davon. Das Wohnungsunternehmen Vonovia zeigt, wie das in der Praxis funktionieren kann.
24.05.2022
Wer sich in Deutschlands Städten und Dörfern umsieht, dem bietet sich bei Gebäuden – zumindest was das Baumaterial angeht – ein recht einheitliches Bild. Die meisten Häuser bestehen nämlich aus Beton, Ziegeln und Stahl. Mineralische, metallische und synthetische Materialien gehören laut dem World Wide Fund for Nature (WWF) zu den am häufigsten verwendeten Baustoffen. Die Baubranche ist damit besonders ressourcenintensiv: Etwa 90 Prozent der hierzulande geförderten mineralischen Rohstoffe werden verbaut, heißt es in einem Bericht vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Zudem stamme mehr als die Hälfte des deutschen Abfallaufkommens aus dem Baubereich.
Darüber hinaus ist der Gebäudesektor für rund 40 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich, wenn man sowohl den Bau als auch die Nutzung mit einbezieht, zeigt die Studie „Constructing Our Future. Planen. Bauen. Leben. Arbeiten“, die gemeinsam von der Prognos AG, dem Fraunhofer IAO und dem Leonhard Obermeyer Center der TU München erstellt wurde. „Der Klimaschutz erfordert somit ganz klar entschlossenes Handeln“, meint Wolfram Hatz, Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), im Vorwort der Studie. „Weil wir auch in Zukunft Häuser, Verkehrswege und Anlagen brauchen werden, müssen wir dringend Lösungen finden, klimafreundlicher zu bauen und Emissionen im Betrieb einzusparen.“ Ansatzpunkte seien eine emissionsärmere Herstellung von Baustoffen, eine intensivere Nutzung der Kreislaufwirtschaft sowie eine schnelle und bezahlbare energetische Sanierung des Bestandes.
Aufstockungen aus Holzmodulen in Frankfurt …
Das Wohnungsunternehmen Vonovia hat sich vorgenommen, hier als gutes Beispiel voranzugehen: „Die Lebensdauer einer Wohnimmobilie beträgt häufig weit mehr als 50 Jahre. Das bedeutet, dass wir beim Neu- und Umbau eine zukunftsorientierte Perspektive an den Tag legen müssen, um so auch zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden“, heißt es im aktuellen Nachhaltigkeitsbericht 2021. Das Unternehmen verfolgt im Bereich Neu- und Umbau daher einen ganzheitlichen Ansatz und legt besonderen Fokus auf eine optimierte energetische Gestaltung, den Einsatz erneuerbarer Energien sowie auf eine umwelt- und ressourcenschonende Bauweise. Ein wichtiger Aspekt dabei ist der Einsatz alternativer und nachwachsender Rohstoffe. Einer davon ist Holz. Als Baustoff hat der nachwachsende Rohstoff zahlreiche ökologische Vorteile. So reduzieren Gebäude aus Holz im Gegensatz zu Massivhäusern die CO2-Belastung der Atmosphäre, erklärt der WWF. Holz speichert außerdem schädliche Treibhausgase und kann nach Abriss sogar weiterverwertet werden. Der Rohstoff muss auch nicht importiert werden: „Etwas mehr als ein Drittel der deutschen Jahresholzernte würde ausreichen, um das gesamte jährliche Neubauvolumen Deutschlands aus Holz zu errichten.“
Bei Vonovia kam der nachwachsende Baustoff zum Beispiel in Frankfurt zum Einsatz. In der Fritz-Kissel-Siedlung stockte das Unternehmen seine Häuser, die noch aus den 1950ern stammen, um weitere 48 Wohnungen auf – mit Modulen in Holzbauweise. Die Wände wurden zunächst vorgefertigt und dann in einer extra aufgebauten Fertigungsstraße zu Modulen, die etwa so groß wie Schiffscontainer sind, zusammengebaut. Danach ging es mit dem Tieflader nach Frankfurt, wo die Module verbaut wurden. Diese Vorgehensweise hat viele Vorteile, erklärt Konstantina Kanellopoulos, Generalbevollmächtigte bei Vonovia und Co-CEO bei Deutsche Wohnen: „Auf den Fertigungsstraßen können wir die Qualität der Module besser überwachen als auf einer Großbaustelle. Das Bauen mit vorgefertigten Modulen ist außerdem sehr effizient, denn es erfordert weniger ausgebildete Handwerker. Stattdessen kommen Montage-Teams zum Einsatz. Für die Mieterinnen und Mieter geht es letztlich auch schneller.“
… und ein ganzes Haus in Berlin
In Berlin wiederum entstand gleich ein ganzes Haus aus Holz ebenfalls in Modulbauweise mit 60 Wohnungen. Insgesamt 850 Kubikmeter Holz und Holzwerkstoffe sind dort verbaut. Für die Tragekonstruktion wurde FSC-zertifiziertes Nadelholz verwendet, aber auch Gips als Abfallprodukt aus der Abgasfilterung von Kraftwerken. Selbst der Fahrstuhlschacht besteht soweit wie möglich aus Holz und Gips. Rund 800 Tonnen CO2 sind in dem Gebäude gespeichert, so Kanellopoulos: „Das entspricht dem CO2-Ausstoß von 550 Langstreckenflügen von Berlin nach New York und zurück.“ Das Holz speichere aber nicht nur Treibhausgase, es sorge auch für ein besseres Raumklima. „Holz hat die Fähigkeit, Feuchte aufzunehmen, einzulagern und auch wieder in den Raum abzugeben. Außerdem kann Holz dreimal mehr Wärme aufnehmen als mineralische Baustoffe. Durch diese natürliche Dämmung sinkt auch der Energiebedarf der Wohnungen langfristig.“
Darüber, ob ein Gebäude aus Holz weniger stabil ist, müssen sich die Mieterinnen und Mieter übrigens keine Sorgen machen. Holzbauten seien nämlich genauso langlebig wie Häuser in Massivbauweise. Und die aktuellen Rohstoffengpässe und -preise? Die ist natürlich eine Herausforderung, meint Kanellopoulos. Es gehöre deshalb zu Vonovias Alltag dazu, immer wieder konstruktive Lösungen im Umgang mit den Materialkostensteigerungen zu finden. „Hier können wir als großer Akteur unsere Erfahrungen für die Planungen nutzen. Mehr noch: Wir entwickeln aktiv Verfahren und Bauweisen weiter und nehmen so unsere gesellschaftliche Verantwortung wahr.“
Effizienz und Klimaneutralität durch serielle Sanierung im Energiesprong-Prinzip
Energieeffizienz und Nachhaltigkeit bei Alt- und Neubauten spielen bei Vonovia eine wichtige Rolle. So hat der Neubau in Berlin ein Gründach und eine große Photovoltaik-Anlage, mit der auch die Bewohnerinnen und Bewohner im Mieterstrommodell mit Energie versorgt werden. Das Gebäude verfügt außerdem über eine Luftwärmepumpe als Hybrid, das Regenwasser versickert zu 100 Prozent über Mulden und eine umfangreiche Außenanlagengestaltung mit Hecken, Klimagehölzen und Bepflanzung sorgt für eine maximale Entsiegelung. Insgesamt ist das Gebäude so zu 75 Prozent klimaneutral.
Darüber hinaus arbeitet das Wohnungsunternehmen an der seriellen Sanierung seiner Bestandsgebäude und stellte kürzlich ein entsprechendes Energiesprong-Projekt für Bochum vor. Bei diesem Prinzip geht es darum, Gebäude schnell und effizient klimaneutral umzubauen. Die Fassadenelemente werden passend vorgefertigt und bestehen zum Teil aus recycelten und nachhaltigen Baustoffen. Die Rahmenelemente sind beispielsweise aus Holz. „Der Schutz des Klimas ist eine der zentralen Herausforderungen dieses Jahrhunderts. Die Immobilienwirtschaft steht vor der Aufgabe, die Energiewende im Bestand umzusetzen“, sagt Kanellopoulos. „Die serielle Sanierung bietet durch den hohen Vorfertigungsgrad großes Potential.“
Vonovia Baustoffkonferenz: Nachhaltige Lösungen für die Baubranche
Im März 2022 veranstaltete Vonovia gemeinsam mit der Fraunhofer-Allianz die Konferenz „Perspektiven zur Zukunft des Bauens“. Im Fokus der Veranstaltung lagen neue Ideen und Innovationen rund um eine umweltfreundliche und ressourcenschonende Bau- und Immobilienwirtschaft. Akteure aus der Branche und der Politik arbeiteten dort in vier Workshops gemeinsam an Themen wie „Herstellung von Baustoffen“, „Nachwachsende Rohstoffe“, „Kreislaufwirtschaft“ sowie „Lieferketten & Logistik“. Besonderes Augenmerk lag in den Diskussionen auf der Verfügbarkeit von Rohstoffen und der Preispolitik. Vor allem der Zielkonflikt zwischen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit war ein wichtiges Thema: „Denn am Ende der Wertschöpfungskette darf der Wandel in der Baubranche hin zu klimafreundlichen Alternativen und Innovationen nicht zu Mietpreisen führen, die dem berechtigten Mieterinteresse an bezahlbarem Wohnraum in den Rücken fallen“, erklärt Vonovia.
Ihre Ergebnisse stellen die Arbeitsgruppen auf der Abschlussveranstaltung am 23. November 2022 in Berlin vor. Dort sollen dann auch konkrete nächste Schritte für eine klimafreundliche Zukunft des Bauens vorgeschlagen werden.