„Herausforderungen sind wichtig, um innovative Lösungen zu entwickeln“
Der bekannte Markenhersteller Procter & Gamble will mehr Recyclingmaterialien für seine Produktverpackungen einsetzen. Wie das funktioniert, testet das Unternehmen in einem Pilotprojekt. Mitte Dezember 2017 hat P&G die Variante classic clean von Head & Shoulders in einer Sonderedition auf den Markt gebracht. Das Besondere: Die Shampoo-Flasche enthält 20 Prozent recyceltes Strandplastik. Welche Bedeutung die Verpackung für Umweltschutz, Verbraucherbewusstsein und innovative Prozessabläufe hat, erklärt uns Dr. Katharina Marquardt. Sie verantwortet die Wissenschaftskommunikation bei P&G.
23.01.2018
Umweltdialog: Millionen Tonnen von Plastikmüll landen jährlich im Meer und werden teilweise an die Strände gespült. Einer Berechnung der Ellen MacArthur Foundation zufolge könnten die Ozeane bis 2050 sogar mehr Kunststoffe als Fische enthalten. Ihre neue Shampoo-Flasche besteht zu 20 Prozent aus recyceltem Strandplastik. Es ist die erste ihrer Art. Was bringt das für die Umwelt?
Dr. Katharina Marquardt: Mit Hilfe der neuen Verpackung wollen wir gegen diese Art der Umweltverschmutzung ein Zeichen setzen. Außerdem wollen wir das Bewusstsein der Verbraucher für einen verantwortungsvollen Umgang mit Kunststoffen schärfen. Plastik ist ein wichtiger Wertstoff, der bei sachgemäßer Entsorgung innerhalb der Kreislaufwirtschaft wiederverwertet werden kann. In Deutschland sind wir mit dem Gelben Sack in der glücklichen Lage, dafür ein gut funktionierendes System zu haben. Doch das ist nicht überall so. Dadurch gelangen Plastikverpackungen in die Flüsse, werden in die Meere transportiert und schließlich an den Stränden angespült.
Für die Herstellung der neuen Plastikflasche sind wir eine Kooperation mit den Recycling-Experten TerraCycle und SUEZ eingegangen. Die Mitarbeiter von TerraCycle hatten die Idee, Plastikabfälle von europäischen Stränden einzusammeln, zu recyceln und in einer bekannten Markenflasche wie Head & Shoulders wiederzuverwenden. Wir waren von der Idee begeistert. Seit Dezember können unsere Kunden die neue classic clean-Variante in REWE-Märkten kaufen.
Ist es schwierig, Recyclingprodukte zu vermarkten?
Marquardt: Wir wollen aus dem aktuellen Pilotprojekt wichtige Erkenntnisse gewinnen, wie wir die Verbraucherakzeptanz für recycelte Verpackungsmaterialien weiter erhöhen können. Mülltrennung und Recycling werden vom Verbraucher oft als Belastung empfunden, weil sie die enormen Umweltvorteile gar nicht genau kennen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein wirkliches Umdenken erst dann einsetzt, wenn etwas mit Herzblut gemacht wird und die Verbraucher eine emotionale Verbindung durch eine gute Geschichte aufbauen können. Dafür eignet sich unsere Initiative wunderbar. Fast jeder ist schon einmal im Urlaub gewesen und hat sich über die Plastikabfälle an Stränden geärgert. Dass dieser Müll eingesammelt und durch Recycling für neue Flaschen verwendet wurde, ist einprägsam und bleibt den Menschen im Gedächtnis. Auf diese Weise erreicht man mehr, als immer nur oberlehrerhaft von Mülltrennung, Ressourcenschonung und Wiederverwertung zu sprechen.
Von dem gesammelten Strandplastik bis zur fertigen Verpackung war es ein langer Weg für Sie und Ihre Partner. Bitte erklären Sie die wichtigsten Schritte. Wer bringt hier welche Expertise mit?
Marquardt: TerraCycle kommt aus der innovativen Start-up-Szene. Gemeinsam mit lokalen NGOs hat das Unternehmen große Aktionen an Stränden durchgeführt, bei denen über 1.000 freiwillige Helfer die Plastikabfälle eingesammelt haben. TerraCycle war auch dafür verantwortlich, den Müll gemäß der unterschiedlichen Kunststoff-Fraktionen – PE, PP, PET – vorzusortieren und voneinander zu trennen. Das ist wichtig, weil Materialien nur sortenrein recycelt werden.
Danach wurde das Plastik, in diesem Fall Polyethylen (PE), an SUEZ übergeben. Das Unternehmen ist Spezialist für nachhaltiges Rohstoffmanagement und hat den Kunststoff gewaschen, geschreddert und danach das Recyclat in Form von Kunststoffgranulaten hergestellt. Das wurde dann von dem Unternehmen, das unsere Plastikverpackungen herstellt, Alpla, eingeschmolzen und zu den Shampoo-Flaschen geformt.
Was waren – neben der fehlenden Infrastruktur für das Sammeln des Plastiks – weitere Herausforderungen des Projektes?
Marquardt: Ich bin Chemikerin und hatte gleich die schlechte Ausgangsqualität des angespülten Materials vor Augen, als ich von dem Projekt gehört habe. Im Gegensatz zu Verpackungen aus haushaltsnaher Sammlung, ist Strandplastik der Witterung, dem Salzwasser und den UV-Strahlen ausgesetzt und somit stark degradiert. Aus den gesammelten und sortierten Materialien eine Fraktion zu bekommen, die man tatsächlich für eine Verpackung von Kosmetikprodukten wiederverwenden kann, war sehr schwierig. Die Flasche darf ja nicht schlierig oder porös sein und muss eine ansprechende Oberfläche haben, damit der Verbraucher sie gerne benutzt. Aufgrund der geringen Ausgangsqualität können wir trotz Reinigung und Sortierung derzeit auch nur 20 Prozent recyceltes Strandplastik für unsere Flaschen verwenden.
Und wie sieht das Ergebnis aus?
Marquardt: Insgesamt haben wir über zehn Monate am Produktdesign der neuen Flasche gearbeitet. Wir mussten viele Tests durchführen, um die Qualität und die Stabilität des Materials zu gewährleisten. Aber diese Herausforderungen sind wichtig, weil wir dadurch technische Erkenntnisse gewonnen haben, um künftig noch mehr recyceltes Plastik für unsere Verpackungen verwenden zu können.
Natürlich dürfen sich Verbraucher nicht davon abschrecken lassen, dass die recycelte Verpackung mit 20 Prozent Strandplastik anders als die herkömmliche aussieht. Bedingt durch das Recyclat ist sie grau-blau und nicht mehr weiß-blau.
Welche innovativen Lösungen sind denn bei der Umsetzung des Pilotprojektes entstanden, die Sie nun flächendeckend einsetzen können?
Marquardt: Wir konnten dadurch die Dreilagentechnologie, die wir maßgeblich entwickelt haben, verbessern. Eine herkömmliche Plastikflasche besteht normalerweise aus einer oder zwei Polyethylen-Schichten. Für unsere neue Verpackung verwenden wir aber drei: zwei Schichten Frischplastik innen und außen und eine mittlere Lage aus dem recycelten PE. Durch diese Innovation können wir nun tatsächlich Recyclate minderer Qualität für unsere Verpackungen einsetzen, ohne dass die Bruchsicherheit der Flasche leidet oder die Produkte verunreinigt werden und vielleicht komische Gerüche annehmen. Dabei ist jede der drei Lagen PE; deshalb können die neuen Flaschen problemlos nach Gebrauch recycelt werden.
Wie sieht die Ökobilanz der neuen Plastikflasche im Vergleich zu einer herkömmlichen aus?
Marquardt: Frischplastik wird immer aus Erdöl hergestellt. Deswegen hilft das Führen von Kunststoffen im Kreis bei gleichbleibender Verwendung des Recyclats grundsätzlich, den ökologischen Fußabdruck der Verpackung signifikant zu verringern. Das ist nichts Neues. Die Tatsache, dass wir Strandplastik eingesetzt haben, hat aber in verschiedenen Impact-Kategorien Vorteile. Denn das Strandplastik würde in jedem Fall eingesammelt werden müssen, um die Strände am Mittelmeer oder Atlantik von dem Müll zu befreien. Ohne unser Projekt wäre der Plastikmüll aber deponiert oder verbrannt und nicht recycelt worden. Und im Vergleich hat eine stoffliche Verwertung eine bessere Ökobilanz als eine energetische oder eine Deponierung.
Die Sonderedition von Head & Shoulders ist nur eine Maßnahme einer langfristigen Nachhaltigkeitsstrategie, mehr Recyclingmaterialien einzusetzen. Was folgt als nächstes?
Marquardt: Wir haben uns 2011 mit Bezugsjahr 2010 zum Ziel gesetzt, den Anteil recycelten Kunststoffs in unseren Verpackungen bis 2020 zu verdoppeln. Bei einem großen Unternehmen wie Procter & Gamble reden wir dann von 52.000 Tonnen Recyclat, das wir einsetzen wollen. Seitdem haben wir unseren Kunststoffrecyclinganteil kontinuierlich gesteigert. Im letzten Geschäftsjahr hatten wir eine Bilanz von über 34.000 Tonnen. Das heißt aber auch, dass wir noch ein Stück des Weges zu gehen haben.
Der nächste wichtige Schritt wird sein, bis Ende 2018 etwa 90 Prozent aller Flaschen unseres Haarpflegeportfolios in Europa mit 25 Prozent recyceltem Kunststoff herzustellen. Dabei verwenden wir dann Kunststoffabfälle aus haushaltsnaher Sammlung.
Vielen Dank für das Gespräch!
Mehr über das Engagement von P&G erfahren Sie hier.