Merck stemmt sich gegen Verpackungsflut
Die Gurke von Plastik umhüllt, das Medikament in Blister eingeschweißt, der online bestellte Kaffee dreifach verpackt – so wachsen Müllberge. Etliche Unternehmen wollen da nicht mehr mitmachen und suchen nach Alternativen. Das Darmstädter Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck hat schon einige gefunden.
08.08.2019
„Wir wollen unsere Produkte in Verpackungen ausliefern, die für unsere Kunden nicht nur sicher und einfach in der Handhabung sind, sondern auch möglichst nachhaltig“, sagt Fabien Thibault, der bei Merck das sogenannte SMASH-Packaging-Programm verantwortet. Der DAX-Konzern will damit die Verpackungen seines Life-Science-Sortiments nachhaltiger gestalten und die Umweltbelastungen durch Verpackungsmüll senken.
Nachhaltige Verpackungsstrategie aufgelegt
Die Aufgabe ist gigantisch. Das Portfolio des Unternehmensbereichs Life Science umfasst mehr als 300.000 Produkte, von Laborwassersystemen über Filtermaterialien, Antikörper, Zelllinien und Komplettlösungen für die Herstellung von Medikamenten. Diese Vielfalt, sagt Thibault, mache seine Aufgabe so spannend. „Jedes Produkt stellt schließlich ganz unterschiedliche Anforderungen an die jeweilige Verpackung.“
Ein schlichtes „Weiter-so“ – mit wachsenden Müllbergen, hohem Rohstoffeinsatz und einer zunehmend kritisch auf die Verpackungsflut blickenden Öffentlichkeit – soll es nach dem Willen der Geschäftsleitung von Merck nicht geben. Mit dieser Rückendeckung setzten sich interne und externe Fachleute aus Beschaffung und Vertrieb zusammen, um einen Plan für nachhaltigere Verpackungen zu ersinnen. Seit April 2019 wird er umgesetzt.
„Wir setzen neue Standards“
Merck-Manager Thibault sagt, die nachhaltige Verpackungsstrategie verfolge im Kern vier Ziele: „Mit dem SMASH-Programm wollen wir insgesamt unsere Verpackungsmenge senken, Kunststoff nachhaltiger machen, unser Recycling optimieren und die Entwaldung stoppen.“ Jedes dieser vier Ziele hat der Konzern mit greifbareren Unterzielen versehen, die er bis 2022 erreichen will.
Wie sieht das im Detail aus? Wie will Merck seine Verpackungsmenge verringern? Mit vielen kleinen Stellschrauben: Zum Beispiel mit neuen Leitfäden und Standards für die Entwicklung von Verpackungen, mit dem Verzicht auf Verpackungsmaterialien, die nicht recyclebar sind, oder mit Reduzierung des Leerraums von Paketen, damit diese Volumen verlieren, sich dichter auf Paletten stapeln lassen und so öko-effizienter verschickt werden können.
Hunderte Lkw-Transporte vermieden
Was so eine relativ einfache Lösung für die Nachhaltigkeit bringt, hat Merck bereits demonstriert: Braunglasflaschen, die von der Menge zu den wichtigsten Packmitteln des Unternehmens zählen, wurden in der Vergangenheit ausschließlich in Polsterverpackungen aus Styropor verschickt. Der ist indes sehr energieintensiv in der Herstellung und äußerst voluminös: Effizient transportieren lassen sich solche Verpackungen kaum, da sie einfach viel Platz benötigen.
Bei Merck hat man deswegen begonnen, die Styropor-Formteile durch Formteile aus Zellstoff zu ersetzen, bestehend aus recycelten Servietten oder Zeitungen. Die neuen Verpackungen können anders als ihre Vorgänger ineinander gestapelt werden, benötigen so zwei Drittel weniger Transportfläche und können zudem problemlos über die Papiertonne entsorgt werden. Aufs Jahr gerechnet spart das 260 Lkw-Fahrten oder den Transport von 23.000 Euro-Paletten.
Alte Lösungen überdacht
Um Plastik als Verpackungsmaterial zurückzudrängen, setzt Merck auch auf „grünere“ Werkstoffe, etwa „Bio“-Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen wie Schalen von Maiskolben oder Heu. Für andere Produkte wurden schon Verpackungen mit geringerem Plastikanteil entwickelt: Für Lösungsmittel, die meist in Kunststoffflaschen geliefert werden, gibt es mit „Titripac“ schon eine ökologischere Alternative. Der Kunststoffbeutel mit Entnahmehahn lässt sich besser recyceln und wiegt weniger als die Hälfte der Flaschen. Über den Lebenszyklus gerechnet verursachen sie über 60 Prozent weniger CO2 als ihr Vorläufer.
Ein zentrales Ziel der SMASH-Initiative ist es, künftig sicherzustellen, dass Verpackungen nicht zur Entwaldung führen. „Wir sind dabei, dafür neue interne Prozesse zu definieren“, so Thibault. So wolle man künftig nachverfolgen, wie hoch der Anteil holz- und faserbasierter Verpackungen sei, die nach nachhaltigen Waldschutzstandards FSC, PEFC oder SFI zertifiziert sind. Diese Kennzahl will Merck in Zukunft auch berichten.
Nachhaltiger verpackt? Kunden greifen zu!
Die Verpackungsmenge senken, Kunststoff nachhaltiger machen, Entwaldung stoppen. Was bleibt ist das Ziel, das Recycling selbst weiter zu optimieren – in den Merck-Werken und bei den Kunden. Wie das klappen kann, lässt sich schon heute beobachten. Life-Science-Kunden, die Lösungsmittel bestellen, erhalten diese in speziellen, wiederverwendbaren Stahlbehältern, die sie zur erneuten Befüllung zurücksenden können. Das reduziert den Verbrauch von Primärpackmitteln deutlich: 2018 sind mehr als 14.000 dieser wiederverwendbaren Stahlbehälter in den USA befüllt worden. Auch in Europa sind sie im Umlauf, nach Angaben des Unternehmens rund 32.000 Stück, die auf eine Rücklaufquote von 90 Prozent kommen.
Für Thibault ist das ein gewichtiger Hinweis darauf, dass das SMASH-Programm in die richtige Richtung zielt: „Unsere Kunden müssen wir nicht mehr von mehr Nachhaltigkeit überzeugen“, so Thibault. Man müsse ihnen passende Angebote machen, dann griffen sie schon zu. „Und diese Angebote entwickeln wir mit Hochdruck.“