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„Öko“ – wie aus einem Nischenthema ein Premiumprodukt wurde

Bio, grün, öko – was hat dieses Thema innerhalb der letzten Jahre nur für eine Themenkarriere hingelegt! Was vor zwanzig Jahren noch belächelte Nische war, ist heute in vielen Branchen der Premiumstandard. Dafür sind die Verbraucher bereit, mehr zu zahlen. Nachhaltigkeit ist ein Wettbewerbsvorteil, urteilen daher Analysten. Das Beispiel des Versandhändlers memo AG zeigt, dass sie recht haben.

10.03.2016

„Öko“ – wie aus einem Nischenthema ein Premiumprodukt wurde zoom
Das Regalsystem oneBox ist das erfolgreichste bei memo.

Immer mehr Deutsche kaufen zunehmend nachhaltig und bewusst ein. Jeder zweite Verbraucher greift laut einer Studie regelmäßig zu Bioprodukten. Den Boom trägt vor allem die Lebensmittelwirtschaft. Aber nicht nur: Ob Papier, Holzprodukte, Kleidung oder Kosmetika – nachhaltiger Konsum ist zu einem Trend geworden. Er spiegelt sich wider in umweltbezogener Werbung oder im Bekenntnis prominenter Personen zum „grünen“ Konsum. „Wenn der Trend zu umweltverträglichen Produkten geht, dann haben viele Akteure mitgeholfen: umweltbewusste Konsumenten, innovative Produzenten und aufgeschlossene Händler“, sagt Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes.

Dabei fing alles mal als wilde „Flower-Power-Idee“ an: 1969 öffnete im verschlafenen niederländischen Örtchen Breukelen der erste „Weltladen“, der Produkte anbot, die in „unterentwickelten Regionen“ hergestellt worden waren. Das Konzept passte in die damalige Friedens- und Aussteigerbewegung. „Peace Food“ hieß daher auch der erste deutsche Bioladen, der 1971 in Berlin eröffnete.

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Die ersten Kunden waren „die Alternativen“

Die nächsten 20 Jahre kam keiner ernsthaft auf die Idee, „Öko“ aus der Nische zu holen. Erst Ende der 80er setzte ein Umdenken ein. Prof. Dr. Udo Kuckartz, einer der prominentesten Umweltbewusstseinsforscher Deutschlands, erklärt sich das so: „Es fing damit an, dass nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl 1986 alle Parteien Umweltinhalte in ihre Programme aufgenommen haben. Und auch die Unternehmen fingen an, sich dem Thema zu öffnen: mit der betrieblichen Umweltberichterstattung, Auditing und dergleichen.“

Vor allem jedoch gründeten sich endlich ökologisch und sozialverantwortliche Unternehmen, die nicht nur die lokale Nachfrage bedienen wollten, sondern auf bundesweiten Vertrieb setzten. So hatte 1988 Rapunzel-Gründer Joseph Wilhelm die Idee, eine feine, vollwertige Bio-Schokolade auf den Markt zu bringen. Im gleichen Jahr taten sich in Köln Bauern und Tierschützer zusammen und gründeten NEULAND als Verein für tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung. 1991 startete „memo – Der Firmenausstatter für Umweltbewusste“ ins Versandhandelsgeschäft. Im Jahr darauf TransFair, dessen Fairtrade-Siegel weltbekannt ist und alleine in Deutschland mehr als eine Milliarde Euro Umsatz machte.

Mit seinen Naturtextilien liegt memo im Trend.
Mit seinen Naturtextilien liegt memo im Trend.

Ulrike Wolf, Mitbegründerin und Vorstandsmitglied der memo AG, erinnert sich an die Anfangstage: „Vor 25 Jahren verkauften wir Produkte aus ,Umweltschutzpapier'. Unsere ersten Kunden waren sogenannte ,Alternative' oder ,Ökos' – Naturkostläden und alternative Buchläden. Die Verwendung von umweltfreundlichen Produkten war zu dieser Zeit auch ein politisches Statement. In eine politische oder ideologische Ecke wollten wir uns aber nie stellen lassen.“

Wolf weiter: „Unser Ziel war es, das Verwenden von umweltverträglichen Produkten zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Unsere Strategie: kein ,Öko-Bonus'! Wir stellen uns damals wie heute dem konventionellen Markt. Der Kunde entscheidet nicht nur nach umwelt- und sozialverträglichen Aspekten, sondern auch nach Qualität, Service und Preis.“

Heutzutage hohe Akzeptanz in Politik und Gesellschaft

Und wo steht der Markt heute? Eine aktuelle Studie des Umweltbundesamtes hat errechnet, dass die Umsätze für die in der Marktbeobachtung erfassten nachhaltigen Produkte von rund 36 Milliarden Euro im Jahr 2011 auf rund 46 Milliarden Euro im Jahr 2012 gestiegen sind (Zunahme um 27 Prozent). Das sind die derzeit aktuellsten Zahlen, wobei in den Folgejahren die Umsätze mit Sicherheit weiter gestiegen sind.

memo-Vorstand Ulrike Wolf gibt sich zuversichtlich: „Das Thema Umweltschutz ist dem Nischendasein längst entflohen und hat unter dem deutlich weiter gefassten Begriff Nachhaltigkeit mittlerweile eine hohe Akzeptanz in Politik und Gesellschaft erreicht. Das ist ein toller Erfolg und es macht auch stolz, einen kleinen Beitrag dazu geleistet zu haben! Trotzdem bleibt das Gefühl, immer noch in den Anfängen zu stecken. Wir fühlen uns weiterhin unserer Vorreiterrolle verpflichtet. Es gibt noch viel zu tun.“

Der Erfolg von memo ist damit auch ein Spiegelbild des Erfolgs des Nachhaltigkeitsthemas insgesamt. Produkte, die den Menschen und nicht den Profit in den Mittelpunkt stellen, sprechen immer mehr Menschen und Firmen an. 125.000 Gewerbe- und Privatkunden zählt alleine der fränkische Versandhändler heute. Und auch der Ausblick sieht gut aus: memo profitiert vom Trend zu Digitalisierung und Onlineshopping. Mit „memo life“ hat das Unternehmen in 2015 auch das Privatkundengeschäft für sich entdeckt.

Das Sortiment umfasst über 7.000 nachhaltige und fair gehandelte Produkte für Alltag, Freizeit und Sport und ist damit eine echte Alternative für all jene, die aus ethischen Gründen nicht bei Amazon kaufen wollen.

The next big thing?

Was ist „The next big thing“? „Die Freizeitindustrie wird als nächstes den Markt antreiben“, glaubt UmweltDialog-Chefredakteur Dr. Elmer Lenzen. Schon heute sieht man das beim nachhaltigen Tourismus. Grünes Eventmanagement und klimaneutrale Kulturveranstaltungen werden nachziehen wie auch die Gastronomie, die immer stärker Regionalität und Tierwohl sowie vegetarische und vegane Lebensgewohnheiten aufgreift. „Der Wunsch des Einzelnen, einen nachhaltigen Lifestyle im Alltag bequem zu leben, wird immer größer und damit ein lukrativer Markt“, so Lenzen weiter.

 
 

Helmut Kraiß im Interview: „Handel mit ökologischen, sinnvollen Produkten befriedigt“

Helmut Kraiß, Mitbegründer und Vorstandsmitglied der memo AG, lässt die Zeit der Gründung Revue passieren und zieht Vergleiche von damals zu heute.

Wie haben Sie sich damals als „Öko-Pionier" gefühlt?

Helmut Kraiß: Ich habe schnell festgestellt, dass es äußerst befriedigend ist, Nachhaltigkeit zu leben und Handel mit ökologischen, sinnvollen Produkten zu betreiben, die weder in Herstellung noch im Verbrauch unsere Umwelt belasten. Und letztlich empfinde ich dies bis heute als einen Gewinn für mich persönlich, aber auch für unsere Gesellschaft.

Wurden Sie ernst genommen?

Kraiß: Am Anfang nur bedingt. Durch unseren wirtschaftlichen Erfolg und den Beginn der ersten ,Ökowelle' nach der verheerenden Umweltverschmutzung durch den Tankerunfall der Exxon Valdez im Jahr 1989 hat sich das jedoch gravierend geändert.

Was haben Sie gerade in der Anfangszeit erlebt?

Kraiß: Es gab viel Bewunderung für unsere Arbeit, oft auch gepaart mit der Frage, ob man damit auch seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Die offenen Strukturen bei memo und der von uns gepflegte transparente Umgang haben uns viele Türen geöffnet und ließen Partnerschaften entstehen, die heute noch Bestand haben.

Welche Herausforderungen mussten Sie meistern?

Kraiß: Die größte Herausforderung war und ist der ständige Wandel, verursacht durch Veränderung, Wachstum und Prozesse, die permanent justiert und angepasst werden müssen.

Aus welchen Herausforderungen schöpfen Sie noch heute?

Kraiß: Das Wichtigste sind immer die beteiligten Menschen, die in alle Veränderungen mit einbezogen werden müssen, denn ohne zufriedene Mitarbeiter und Kunden gibt es keinen Erfolg.

Würden Sie eventuell etwas anders machen?

Kraiß: Eine rhetorische Frage, die sicher jeder Unternehmer mit Ja beantwortet, denn mit Sicht auf die Vergangenheit gibt es immer Verbesserungspotenzial oder Sackgassen, die man gerne vermieden hätte. Ich versuche diese Erfahrungen für die Gegenwart zu nutzen, um die Zukunft nachhaltiger zu gestalten, als es momentan der Fall ist.

Welche gesellschaftlichen Veränderungen haben sich seit der Zeit ergeben und was waren für Sie die größten?

Kraiß: Die Veränderung der Kommunikation und die Verfügbarkeit von Informationen und Daten jeglicher Art über das Internet und der Umgang damit haben die Gesellschaft am meisten verändert. Die Entwicklung und Veränderung von technischen und teilweise virtuellen Produkten hat eine Geschwindigkeit erreicht, die in vielen Bereichen nur noch schwer zu beherrschen ist. So werden Maschinen und/oder Software oft von Maschinen und/oder Software kontrolliert, weil der Mensch dazu nicht mehr fähig ist. Nachhaltigkeit hat sich dabei in vielen Bereichen von einer Selbstverständlichkeit zu einem kostbaren Gut gewandelt und diese Entwicklung sollten wir wieder umkehren.

Quelle: UmweltDialog
 

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