Nachhaltig konsumieren? Leichter gesagt als getan
Lieferengpässe, die Energiekrise und die sichtbaren Folgen des Klimawandels lassen uns mal wieder über unser Konsumverhalten nachdenken. Wir sind der Frage nachgegangen, warum nachhaltig einzukaufen zwar richtig, aber nicht leicht umzusetzen ist. Das wird auch durch die Inflation verstärkt.
19.07.2022
In den vergangenen Wochen und Monaten haben wir etwas erlebt, das wir nur noch aus Geschichtsbüchern oder aus Erzählungen unserer Großeltern und von Menschen aus Ostdeutschland kennen: Produktknappheit. Im Fall von Waren wie etwa Spielekonsolen wäre das wohl für die meisten noch gut verkraftbar. Kritisch und zumeist teuer wird es dann, wenn beispielsweise beim Hausbau die Materialien fehlen – und etwas beängstigend, wenn man im Supermarkt vor leeren Mehl-Regalen steht. Wobei es sich hierbei nur um eine „gefühlte“ Knappheit handelte:
„Das Mehl fehlte, weil es schon in unseren Kellern ist. Es ist wie einst beim Klopapier: Produktion und Verteilung liefen wie immer, nur König Kunde nahm drei statt eins, fertig war die Lücke im Regal. Die völlig unbegründeten Angstkäufe sind unser Hauptproblem neben den hohen Preisen, wobei die vielleicht sogar dazu führen, dass wir unsere Nahrungsmittel wieder mehr schätzen lernen“, schreibt hierzu der MDR Thüringen.
Zwölf Millionen Tonnen Lebensmittelabfall pro Jahr
Und das scheint hierzulande schwer zu sein, schaut man sich folgende Zahlen einer Studie des Johann Heinrich von Thünen-Instituts an: Demnach fallen jährlich circa zwölf Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle in Deutschland in der Lebensmittelversorgungskette an; über die Hälfte davon entstehen davon in privaten Haushalten. Das bedeutet, dass jeder Verbraucher und jede Verbraucherin im Jahr etwa 75 Kilogramm Lebensmittel wegwerfen, so die Studie.
Was das in puncto Ressourcenverschwendung bedeutet, etwa in Zusammenhang mit Wasserverbrauch, veranschaulicht der WWF: „Schmeißt man beispielsweise eine verdorbene Banane weg, hat man im übertragenen Sinn 160 Liter Wasser im Abfalleimer entsorgt. Das ist mehr Wasser, als der Durchschnittsverbraucher pro Tag im Haushalt benötigt“, so Johannes Schmiester im UmweltDialog-Interview.
Privater Konsum belastet die Umwelt erheblich
Egal, ob es sich um Lebensmittel, Elektronikgeräte oder Dienstleistungen handelt: Der private Konsum ist laut Umweltbundesamt für einen großen Teil des Ressourcenverbrauchs und der Umweltbelastungen verantwortlich. So verbrauchten die Konsumentinnen und Konsumenten zum Beispiel im Jahr 2014 knapp 800 Milliarden Tonnen Rohstoffe und ein Viertel der gesamten Endenergie. Durchschnittlich lagen die Treibhausgasemissionen in Deutschland bei 11,6 Tonnen pro Person und Jahr.
„Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir diesen Wert auf 1 Tonne pro Person und Jahr reduzieren“, führt das Umweltbundesamt aus. „Nachhaltiger Konsum bedeutet also, heute so zu konsumieren, dass sowohl heutige als auch zukünftige Generationen ihre Bedürfnisse erfüllen können und dabei die Belastbarkeitsgrenzen der Erde nicht gefährdet werden.“
Nationales Programm für nachhaltigen Konsum
Um dem näher zu kommen, hat die Bundesregierung vor einigen Jahren das Nationale Programm für nachhaltigen Konsum (NPNK) initiiert, das die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie im Bereich Konsum ausarbeitet. In sechs unterschiedliche Konsumfelder mit den größten ökologischen Einsparungspotenzialen aufgeteilt – Mobilität, Ernährung, Wohnen und Haushalt, Büro und Arbeit –, zeigt das Programm auf, wie Wirtschaft und Gesellschaft sich in Richtung Nachhaltigkeit wandeln müssen. Übergreifende Handlungsansätze in Bereichen wie Bildung oder Forschung werden außerdem dargestellt.
„Verantwortlich sind alle: öffentliche Hand, Handel, Industrie und jede und jeder Einzelne. Produzent:innen sind angehalten, ihre Produkte so langlebig, reparaturfreundlich, ressourcen- und energieeffizient wie möglich zu gestalten, um Konsument:innen nachhaltigen Konsum zu ermöglichen“, so das Umweltbundesamt, das das Programm mit dem sogenannten Kompetenzzentrum Nachhaltiger Konsum begleitet: „Dafür muss die Politik die Rahmenbedingungen anpassen, Anreize schaffen, Innovationen fördern und den Strukturwandel begleiten.“
Gesunder Menschenverstand zählt
Ein Beispiel dafür ist der digitale Produktpass, der Teil der Digitalagenda des Bundesumweltministeriums ist und sich in verschiedenen politischen EU-Strategien wiederfindet. Dort werden Informationen etwa zu Materialien, chemischen Inhaltsstoffen, Reparierbarkeit oder fachgerechter Entsorgung aufgeführt. „Der Produktpass sorgt für Transparenz entlang des gesamten Lebenszyklus eines Produkts: vom Rohstoff bis zum Recycling. So können sich etwa Konsumentinnen und Konsumenten bewusst für ein nachhaltiges Produkt entscheiden. Und Verwertungsfirmen können ausrangierte Geräte besser recyceln“, meint das Bundesumweltministerium.
Um nachhaltiger zu leben, sollten Verbraucherinnen und Verbraucher darüber hinaus ihren eigenen Konsum hinterfragen, ist Marten Stock vom ifu Hamburg überzeugt: „Brauche ich für meine eigene Mobilität wirklich ein Auto, oder reicht das Fahrrad? Benötige ich neben Notebook und Smartphone auch noch ein Tablet? Wie kann ich meine Hausgeräte reparieren? Natürlich kann man als Konsument nicht alle Nachhaltigkeitsauswirkungen von Produkten auf dem Schirm haben. Dennoch kann man bewusst einkaufen, indem man einfach seinen gesunden Menschenverstand einsetzt.“
Lücke zwischen Einstellung und Handeln
Aber das ist leichter gesagt als getan, denn wenn es um unser persönliches Verhalten geht, setzt oftmals der Verstand aus: „Das Problem mit den Menschen ist, dass sie Menschen sind und wiederholt Entscheidungen treffen, mit denen sie sich langfristig selbst schaden, selbst wenn sie genau wissen, dass sie das Falsche essen, ihr Geld für das Falsche ausgeben und ihre Zeit nicht sinnvoll verbringen“, zitiert die Süddeutsche die US-amerikanische Neurowissenschaftlerin Angela Duckworth, die gemeinsam mit anderen Forschenden untersucht, wie sich das Verhalten von Menschen dauerhaft ändern kann.
Aus Nachhaltigkeitsperspektive ist in diesem Zusammenhang auch die Lücke zwischen Einstellung und Handeln interessant, die sich bei vielen Konsumentinnen und Konsumenten zeigt. Die Wissenschaft bezeichnet das als „Mind Behavior Gap“ oder „Attitude Behavior Gap“, welche sich in der Diskrepanz zwischen dem Vorsatz nachhaltig leben zu wollen einerseits und der mangelnden tatsächlichen Umsetzung einer nachhaltigeren Lebensweise anderseits widerspiegelt: „Bestellen bei Amazon ist ein schönes Beispiel dafür: Viele Menschen meckern über den Erfolg des Onlinehändlers und beschweren sich, dass er unter Umständen Einzelhändler und Kleinunternehmen ruiniert, kaufen aber trotzdem über die Plattform ein. Der Grund: Menschen verfolgen langfristig andere Ziele als kurzfristig und handeln oft spontan“, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler Dominik Enste gegenüber UmweltDialog.
Inflation führt zu Umsatzeinbußen
Es gibt dabei ganz konkrete Hindernisse, derentwegen Menschen nicht zu sozial- und ökokonformen Produkten und Dienstleistungen greifen, zeigen verschiedene Untersuchungen. Ein wichtiger Punkt ist der Preis. „Denn auch wenn die Bereitschaft zum Konsum von nachhaltigen Produkten da ist – häufig ist es den Deutschen zu teuer“, so etwa EY Deutschland.
Dieser Trend wird durch das derzeitige Inflationsgeschehen teilweise noch verstärkt. Zumindest kleine Fachmärkte, die ausschließlich teurere Herstellermarken im Sortiment haben, machen diese Erfahrung, schreibt die taz. Eine stichprobenartige Umfrage bei Bioläden in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg habe ergeben, dass diese Umsatzeinbußen zwischen 20 und 25 Prozent verzeichneten, seitdem die Inflationsrate stark stiege.
Konsumierende durch Informationen zum nachhaltigen Konsum motivieren
Ein weiterer Grund, warum Menschen sich gegen nachhaltigere Produkte entscheiden, können missverständliche Informationen sein, erklärt EY Deutschland und fordert: „Unternehmen müssen Verbraucher anleiten und informieren, damit sie den Schritt von der Absicht zum nachhaltigen Konsum hin zur Kaufhandlung machen.“ Ein Unternehmen, das sich diesen Ansatz schon lange zu Herzen genommen hat, ist beispielsweise memo. Als Versandhändler für sozial- und umweltkonforme Büroartikel für Gewerbekunden gestartet, hat memo längst auch eine breite Palette unterschiedlicher Produkte für Privatkunden im Sortiment.
„Wir haben uns in den letzten 30 Jahren ein enormes Know-how aufgebaut, damit unsere Kundinnen und Kunden sicher sein können, tatsächlich umwelt- und sozialverträgliche Produkte zu erhalten. Wir prüfen die Produkte, die wir in unser Sortiment aufnehmen, nicht nur sorgfältig vorab, sondern bieten unseren Kundinnen und Kunden darüber hinaus auch weitere Services, die sie bei anderen Versandhändlern nicht erhalten“, so memo-CEO Frank Schmähling gegenüber UmweltDialog, „Unsere Kundinnen und Kunden können sich also sicher sein, dass sie nicht nur vertrauenswürdige Produkte, sondern auch bei einem vertrauenswürdigen Unternehmen kaufen.“