Pflanze vor Gericht: Umckaloabo kein Biopiraterie-Produkt
Eine „freudige Nachricht“ wollte der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) für die Artenvielfalt verkünden. Nach zweitägiger Verhandlung vor dem Europäischen Patentgericht verbuchten den Erfolg aber eher die Prozessgegner der protestantischen Drittwelthelfer. Einen „Verstoß gegen Sitte und Ordnung“ nämlich und damit einen Fall von Biopiraterie, wie ihn der EED seit Jahren anprangert, sah die Kammer bei der Produktion von Deutschlands umsatzstärksten pflanzlichen Erkältungsmittel („Umckaloabo“) nicht.
09.02.2010
Als Unterstützer des „African Center for Biodiversity“ (ACB) und der Schweizer Entwicklungsorganisation „Erklärung von Bern“ (EvB) engagiert sich der EED seit Jahren als Schutzpatron der Biodiversität und Anwalt der Menschen in den ärmeren Ländern. Nun wollte die kirchliche Organisation dafür sorgen, dass die Münchner Richter Patente der Karlsruher Arzneimittelfirma Schwabe und deren Tochter Spitzner für die Herstellung ihres Erkältungsmittels „Umckaloabo“ kippen.
Hintergrund: Basis für Umckaloabo sind die Wurzeln der nur in wenigen Regionen Südafrikas heimischen Kapland-Pelargonie. Der Vorwurf: „Biopiraterie“. Das Argument der Hilfsorganisationen: Schwabe nutze „das traditionelle Wissen der Gemeinschaften aus Südafrika, ohne diese vorher um Erlaubnis gefragt zu haben und ohne diese angemessen an den Gewinnen aus der Nutzung zu beteiligen“, betont EED-Experte Michael Frein. „Diese Pflanzen sind für uns wie Gold“, betonte eine extra aus Südafrika nach München gereiste Frau der Alice Community das Ziel der Aktion.
Die Richter beschäftigten sich mit dieser Thematik, aber auch mit Details der technisch-chemischen Verfahren im beantragten Patent. Zwei Tage diskutierten sie mit Spezialisten Lösemittelkonzentrationen und Extraktionsgehalte pflanzlicher Inhaltsstoffe. Ergebnis: Das Patent wird vorläufig widerrufen. Eine endgültige Entscheidung ergeht aber erst, wenn über den Einspruch des Karlsruher Herstellers entschieden ist – aber: Den Vorwurf der Biopiraterie wiesen die Juristen ebenso zurück wie die Behauptung, Wildsammlung oder Feldanbau der Geranienart verursachten Umweltschäden!
„Das hatten wir nicht anders erwartet, denn unser Unternehmen handelt bei der Rohstoffgewinnung von Umckaloabo, voll im Einklang mit den gültigen internationalen und nationalen Gesetzen“, sagt dazu Dr. Traugott Ullrich, der Sprecher der Unternehmensgruppe Schwabe. „Zudem hat das Gericht auch zweifelsfrei bestätigt, dass unsere Rohstoffgewinnung nachhaltig ist und unser Herstellverfahren nicht auf traditionellem Wissen basiert“, kommentiert Ullrich den Ausgang des Patentverfahrens weiter.
EED-Experte Michael Frein zeigt sich dennoch mit dem Ergebnis „zufrieden“. Nur EvB-Geschäftsführer Francois Meienberg kam bei seiner Pressekonferenz ins Grübeln. „Das Problem bleibt ungelöst“, begründete er seine „Kritik am Rechtssystem“, weil „wir unser Anliegen des Artenschutzes auf dem Umweg des Patentrechts lösen müssen“. So bleibe es weiter Aufgabe der im Herbst im japanischen Nagoya tagenden UN-Konferenz, verbindliche Regeln für die Nutzung natürlicher Rohstoffe und einen Ausgleich der Interessen der Menschen in Entwicklungs- und Industrieländern zu vereinbaren.
Bis dahin sollten die Streithähne des Münchner Patentverfahrens sich allerdings an das Gebot der Fairness erinnern: Eine Broschüre des ACB, die dieser im Vorfeld der Erörterung verteilte, diskreditiert die Karlsruher Firma mit unlauteren und falsch zitierten Aussagen. Dies ging dem badischen Arzneimittel-Hersteller dann doch zu weit. Er erwirkte einen richterlichen Mahnbescheid gegen derlei geschäftsschädigende Methoden. Den EED allerdings focht das wenig an: Er verteilte die Schmähschrift dennoch an Journalisten…