Kampf gegen Lebensmittelabfälle ist Gemeinschaftsaufgabe
Fast elf Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle entstehen jährlich in Deutschland. Auch wenn davon nicht alle vermeidbar sind, gibt es in Sachen Lebensmittelverschwendung noch einiges zu tun. Hier sind Verbraucherinnen und Verbraucher genauso gefragt wie etwa Einzelhändler oder Unternehmen aus der Gastronomie. McDonald’s Deutschland testet aktuell ein Pilotprojet, um überschüssige Nahrung vor der Tonne zu bewahren.
21.03.2024
Die Mandarinen sind ausgetrocknet, weil man statt weniger loser ein ganzes Netz gekauft und dann nicht verzehrt hat; im Vorratsschrank finden sich in der hinteren Ecke seit Jahren abgelaufene Backzutaten wieder, von denen man schon beim Kauf ahnte, dass der Wunsch, daraus einen Kuchen zu backen, überambitioniert ist, und im Keller tummelt sich immer noch eine Heerschar an Schokoladenweihnachtsmännern. Weiß-grau angelaufen kann man sie zwar auch lange nach Überschreiten des Mindesthaltbarkeitsdatums (MDHs) essen, aber Schokolade, deren Kakaobutter ausgeflockt ist, schmeckt einfach nicht so gut wie frische.
Die Folge: All diese Lebensmittel wandern oftmals unverbraucht in den Abfall. „Auch wenn niemand von uns auf die Idee käme, einen Teil seines Wocheneinkaufs direkt in den Müll zu verfrachten – statistisch landen weltweit rund 17 Prozent aller Lebensmittel ungenutzt in der Tonne. Laut "Food Index Report 2021" der Vereinten Nationen (UN) sind das schätzungsweise 931 Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr“, gibt die Welthungerhilfe an.
Lebensmittelverluste in Haushalten besonders hoch
In Deutschland werden knapp elf Millionen Tonnen Lebensmittel jährlich weggeworfen, wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mitteilt. Dabei beziehen sich diese Zahlen allerdings auf die Gesamtmenge der Lebensmittelabfälle, also auch auf die nicht vermeidbaren; etwa nicht essbare Bestandteile wie Nuss- oder Obstschalen, Strünke, Kaffeesatz oder Knochen. Mit knapp 60 Prozent entstünde ein Großteil der Lebensmittelabfälle dabei in privaten Haushalten. Umgerechnet bedeutet das knapp 80 Kilogramm pro Kopf und Jahr: „Wir haben uns daran gewöhnt, dass Lebensmittel im Überfluss verfügbar sind und das Bewusstsein dafür verloren, welche Leistung und welcher Ressourcen- bzw. Energieverbrauch eigentlich hinter den vollen Regalen steht“, nennt die Welthungerhilfe einen der Gründe dafür.
Was das konkret an Ressourcenverbrauch bedeutet, etwa in Punkto Wasserverbrauch, kann einem Johannes Schmiester vom WWF vor Augen führen: „Schmeißt man beispielsweise eine verdorbene Banane weg, hat man im übertragenen Sinn 160 Liter Wasser im Abfalleimer entsorgt. Das ist mehr Wasser, als der Durchschnittsverbraucher pro Tag im Haushalt benötigt“, sagt er gegenüber UmweltDialog und verdeutlicht damit, wie wichtig nachhaltiger Konsum ist.
Denn auch wenn nicht alle Lebensmittelabfälle vermeidbar sind, können Verbraucherinnen und Verbraucher bewusst handeln, um Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Praktische Tipps hierzu gibt die Welthungerhilfe: So helfe zum Beispiel ein Wochen-Speiseplan bei der Planung des Großeinkaufs. Auch gehörten nicht alle Lebensmittel in den Kühlschrank. Obstsorten wie Ananas, Mangos oder Bananen hielten sich länger in einer Schale.
McDonald´s Deutschland startet Pilotprojekt mit „Too Good To Go“
Aber nicht nur Konsumierende sind gefragt. Lebensmittelabfälle entstehen entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette. Dazu zählen die Primärproduktion (zwei Prozent), die Weiterverarbeitung (15 Prozent), der Handel (sieben Prozent) und die Außer-Haus-Verpflegung (17 Prozent), wie das Bundesministerium angibt. Es fordert von allen Beteiligten, aktiv gegen Lebensmittelabfälle vorzugehen und etwa nachhaltiges Verhalten durch eine entsprechende Ernährungsumgebung zu unterstützen.
Wie das funktioniert, zeigt etwa die mobile App „Too Good To Go“ (TGTG). Diese verbindet Kundinnen und Kunden mit Restaurants und Lebensmittelgeschäften, die überschüssige Nahrungsmittel vergünstigt an Selbstabholende anbieten. „TGTG bietet uns die Möglichkeit, noch besser auf unseren Abfall im McCafé zu achten und flexibler mit Umsatzschwankungen umzugehen, ohne dabei Produkte wegwerfen zu müssen. Darüber hinaus erreichen wir mit TGTG neue Gäste, denn rund 40 Prozent der Befragten geben an, vorher noch nie etwas bei uns gekauft zu haben“, erklärt McDonald´s Franchise-Nehmer Oliver Mix.
Der Berliner testet seit November 2023 in vier Berliner Filialen: „Too Good To Go x McCafé“ in einem Pilotprojekt. Unternehmensangaben zu Folge wurden innerhalb des ersten Monats 118 „Überraschungstüten“ mit McCafé Produkten vor der Tonne bewahrt und erzielten dabei eine Gesamtbewertung von 4,7 (von 5 möglichen) Sternen. Im Dezember starteten daraufhin auch die weiteren vier Restaurants, die Mix betreibt, mit ihrer Teilnahme an dem Projekt. So wurden nach drei Monaten Laufzeit 513 Portionen, die sonst keinen Abnehmer gefunden hätten, verkauft. Das entspräche einer Verkaufsquote von rund 90 Prozent. „Das spiegelt sich auch bei den Aufrufzahlen wider: Fast 300.000-mal wurden die acht teilnehmenden Filialen von den Usern aufgerufen“, so das Unternehmen. „Momentan sind wir in unserem Servicecenter dabei, eine mögliche Ausweitung von Too Good To Go zu prüfen.“