Evonik blickt auf eine Pipeline voller guter Ideen
Evonik erhofft sich von neuen Produkten und Geschäftsmodellen zusätzliches Wachstumspotenzial. Mehr als 400 Millionen Euro geben die Essener deshalb jährlich für Forschung und Entwicklung von Produkten aus – und wollen damit den Umsatz kräftig steigern. Die Chancen dafür stehen gut: Die Innovationspipeline des Chemieunternehmens ist gut gefüllt. In Essen gab es jetzt Einblicke in die Ideenschmiede.
03.11.2017
„Neue Produkte, Lösungen und Geschäftsmodelle werden deutlich zum Wachstum und zur Profitabilität von Evonik beitragen“, so Harald Schwager, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Evonik Industries und zuständig für Innovation. Dafür hat sich der Konzern ein klares Ziel gesetzt: Die Umsatzrate von jungen Produkten soll mittelfristig auf 16 Prozent steigen – derzeit liegt sie bei 10 Prozent.
Erfolg durch nachhaltige Innovationen
Doch warum sind Innovationen so wichtig? Darauf hat Harald Schwager zu Beginn des Pressegesprächs eine Antwort parat: „Gute Ideen haben viele. Das reicht aber nicht. Für wirtschaftlichen Erfolg müssen Unternehmen gute Ideen auch in die Praxis bringen und sie erfolgreich vermarkten. Erst dann sind es Innovationen.“ So würden Innovationen nicht nur messbare Erfolge und positive Ergebnisse liefern, sondern auch zukunftsfähige Arbeitsplätze sichern. Außerdem sind Innovationen im Chemie-Sektor besonders für die Wettbewerbsfähigkeit wichtig. So liegt der aktuelle Anteil der Forschungs- und Entwicklungs- Aufwendungen am Umsatz von Evonik bei 3,4 Prozent – laut Schwager eine stabile Position.
Digitalisierung im Hühnerstall
Einen Schwerpunkt setzt Evonik zukünftig auf digitale Lösungen: Bereits im Sommer hatte das Unternehmen angekündigt, für Digitalisierungsprojekte rund 100 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. „Der digitale Wandel wird ein wesentlicher Motor für Innovationen entlang der Wertschöpfungskette bis hin zu den Industrien unserer Kunden sein“, betont Harald Schwager. Ein Projekt, das derzeit von Entwicklern vorangebracht wird, ist das sogenannte „Precision Livestock Farming“ bei Geflügel: Dabei setzt man auf Big Data. Mithilfe von Sensoren und intelligenten Systemen wird die Gesundheit der Tiere laufend überwacht. So können Daten über das Fressverhalten, die Körpertemperatur oder die Bewegung der Hühner Auskunft über ihren Gesundheitszustand geben.
Ein Aspekt ist dabei, den Verbraucher umfassend über die Haltung, Aufzucht und Schlachtung der Tiere zu informieren. „So schaffen wir Mehrwert für Kunden und Konsumenten“, sagt Stefan Pelzer, Leiter des Innovationsbereichs Gut Health & Diagnostics bei Evonik. Vor allem aber geht es um die Verringerung von antibiotischen Wachstumsförderern in der Tiernahrung. Denn: Anhand des PLF-Systems können auch Empfehlungen zur Fütterung und Haltung an den Landwirt erfolgen. Die Gesundheit der Tiere steht demnach mit im Vordergrund. „Unser Ziel ist es, dass die Tiere gesund bleiben und möglichst ohne unnötige Medikamente groß werden“, betont Pelzer. Dabei kann die Verringerung von Antibiotika in der Tiernahrung auch einen positiven Einfluss auf die Gesundheit des Menschen haben. Die Weltgesundheitsorganisation macht solche antibiotischen Wachstumsförderer mitverantwortlich für resistente Keime, die sich nur noch schwer bekämpfen lassen.
Das Themenfeld ist für Evonik kein Neuland: Evonik sammelte bereits anhand seiner sogenannten „Analytic-Services“ rund um Aminosäuren Erfahrungen mit digitalen Geschäftsmodellen in der Landwirtschaft. Nun soll mit dem Precision Livestock Farming die Kompetenz und Innovationsfähigkeit in der Tierernährung mit modernen digitalen Technologien verknüpft werden.
Intelligente Lacke für Schiffe
Die Innovationspipeline bei Evonik konzentriert sich aber nicht nur auf digitalisierte Produkte, sondern auch auf Lösungen für die „analoge“ Welt. So arbeiten die Mitarbeiter derzeit an einem Schiffslack, der den Bewuchs an Schiffsrümpfen verringern soll. Davon profitiert nicht nur die Weltwirtschaft, sondern auch das Klima. Denn: Durch das sogenannte Biofouling vergrößert sich der Reibungswiderstand der Schiffe. Dies führt zu höherem Kraftstoffverbrauch und damit zu mehr CO2-Emissionen. Zusätzlich verursacht die Reinigung und Instandhaltung der durch Biofouling geschädigten Schiffe immense Kosten. „Bioufouling ist eines der letzten ungelösten Probleme der Lackindustrie. Bisher wurde die optimale Lösung für effiziente und zugleich umweltfreundliche Schiffsanstriche noch nicht gefunden“, erklärt Stefan Silber, Leiter des Innovationsmanagements Coating Additives bei Evonik.
Eine neue Idee soll das jetzt möglich machen: Ein „intelligenter“ Lack gaukelt den Meeresorganismen vor, dass sie keinen Schiffsrumpf, sondern Wasser vor sich haben. So lassen sie sich meist gar nicht erst am Rumpf nieder. Als eine der Grundlagen für den Lack nutzen die Wissenschaftler unter anderem ein Silikon-Hybridharz aus dem Portfolio von Evonik. Diese weist eine extrem glatte Oberfläche auf und erschwert den Organismen zusätzlich die Haftung am Schiffsrumpf. Bei der Entwicklung dieser Innovation sind die Forscher auf einem guten Weg: Mehrere Tests unter Realbedingungen haben die grundsätzliche Wirksamkeit des Produkts bewiesen. Nun arbeiten die Forscher gemeinsam mit Kunden aus der Lackindustrie an darauf basierenden Beschichtungen.