„Wir setzen auf Solidarität, um die Krise zu meistern“
Schmierstoffindustrie und Nachhaltigkeit passen nicht zusammen? Weit gefehlt, sagt Rainer Janz, Bereichsleiter Produkt- und Qualitätsmanagement bei Bantleon. Wir sprachen mit ihm über jahrzehntelangen Geschäftserfolg, die Bewältigung der Corona-Krise und Produktlanglebigkeit.
20.08.2020
UmweltDialog: 2018 haben Sie das 100jährige Jubiläum von Bantleon gefeiert. Gehen wir die Geschichte im Schnelldurchlauf durch: Sie haben als Handelsbetrieb für Produkte des täglichen Bedarfs begonnen, dann folgten der Einstieg in das Mineralölgeschäft und der Beitritt zur AVIA-Gruppe mit dem Start der Eigenproduktion von Spezialfetten etc. Heute konzentriert sich Ihre Geschäftstätigkeit vor allem auf die Bereiche Schmierstoffe, Reinigung und Korrosionsschutz sowie Dienstleistungen zur Prozessoptimierung. Wie kann man als Unternehmen so lange bestehen?
Rainer Janz: Um langfristig Erfolg zu haben, ist meiner Meinung nach eine bodenständige, werte- und innovationsorientierte Unternehmensausrichtung entscheidend, die von den Führungskräften vorgelebt wird. Sie sollte auf nachhaltiges Wachstum ausgerichtet sein und nicht auf den schnellen Profit. Auch die Unternehmenskultur ist entscheidend. Wir zeichnen uns zum Beispiel durch einen fordernden, aber vor allem fördernden Umgang miteinander aus. Wenn sich ein Mitarbeiter in einem Unternehmen wertgeschätzt fühlt, wirkt sich das positiv auf die Leistung und die Motivation aus. Dann macht er nicht nur Dienst nach Vorschrift, sondern ist auch bereit, sich für das Unternehmen aktiv einzusetzen. Auch das macht unseren Erfolg aus.
100 Jahre Bestehen bedeutet auch, dass es unterschiedliche Krisen im Verlauf der Zeit zu meistern gab. Die aktuelle Corona-Pandemie hat weltweit Unternehmen kalt erwischt. Welche Maßnahme haben Sie ergriffen, um diese Krise zu bewältigen?
Janz: Wir setzen auf Solidarität und meistern diese Krise nicht durch Personal- und Stellenabbau, sondern wollen alle Mitarbeiter im Unternehmen halten. Konkret bedeutet das, dass wir beispielsweise auf freiwillige Sonderzahlungen verzichten. Je nachdem wie sich die Geschäftslage entwickelt, wird so beispielsweise das Weihnachtsgeld reduziert. Diese Art, solidarische Lösungen zu finden, hat uns auch durch die Finanzkrise 2009 geführt.
Was ist in den letzten Monaten und Jahren der Vollauslastung liegengeblieben? Wir begreifen diese Krise auch als Chance, mit unseren Geschäftspartnern neue Dinge zu entwickeln oder bestehende Prozesse zu verbessern.
Wie hat die Corona-Krise Ihre Lieferkette beeinflusst?
Janz: Für uns hat sich durch die Krise diesbezüglich wenig verändert, und wir haben kaum mit Lieferengpässen zu kämpfen gehabt. Das hat mehrere Gründe. So haben wir frühzeitig mit den Lieferanten gesprochen und unsere Warenlogistik und Bestände angepasst. Außerdem arbeiten wir langfristig mit unseren Partnern zusammen und kaufen nicht wechselweise dort ein, wo es am günstigsten ist. Ich vermute, dass wir auch deswegen durchweg bedient worden sind. Darüber hinaus haben wir durch unsere qualitativ anspruchsvolle Ausrichtung eh immer einen gewissen Lieferkettendruck. Wenn man solche Anforderungen an Lieferanten hat wie wir, reduzieren sich die Anzahl der Zulieferer und Vorprodukte.
E-Mobilität ist ein wichtiger Baustein, um den Klimawandel zu bekämpfen, aber sie ist nicht der alleinige Lösungsweg, um den CO2-Ausstoß im Automobilsektor zu senken.
Ein wichtiger Baustein Ihres Geschäftserfolgs war die Etablierung einer geschlossenen Prozesskette, die auch Verpackungslösungen einbezieht. Bitte erklären Sie das: Arbeitet man hier nicht effizienter mit Subunternehmen?
Janz: Nein, unser Modell basiert auf einem ganzheitlichen Ansatz, der die ganze Prozesskette der Metallbearbeitung miteinschließt. Die gesamte Wertschöpfungskette unserer Kunden hängt stark miteinander zusammen. Wir wissen, dass die einzelnen Prozessschritte und die dafür eingesetzten Prozessmedien wie Kühlschmierstoffe oder Reiniger etc. sich immer gegenseitig beeinflussen. Wenn man das weiß, kann man die negativen Einflüsse reduzieren bzw. daraus positive Einflüsse gestalten.
Wir haben unser Portfolio dahingehend ausgerichtet, dass wir alle Produkte selbst entwickeln, herstellen, und so auch die Einflussfaktoren aller Prozesse kennen und unsere Produkte daraufhin gemeinsam mit den Kunden abstimmen. Der Kunde will einen funktionierenden Prozess mit wenig Ausschuss und in kurzer Zeit viele „Gutteile“ produzieren. Diese sollen dann zeitnah und unbeschädigt, also korrosionsfrei, beim Endkunden ankommen. Deswegen haben wir diese Prozesskette komplett durchgespielt, und der letzte Schritt ist eben, eine Verpackung anzubieten, der die Ware unserer Kunden vor Korrosion und zudem auch mechanisch schützt. Wir erarbeiten hier ganze Korrosions-und Verpackungskonzepte mit unseren Kunden.
Sie produzieren auch Schmierstoffe für den Automobilsektor. Mal abgesehen davon, dass die E-Mobilität einen Teil Ihrer Geschäftstätigkeit bedroht: Was stört Sie an der derzeitigen Fokussierung auf die elektrische Antriebstechnologie?
Janz: Auch die E-Mobilität gehört zu unserem Geschäftsfeld, weil auch hier Teile mechanisch gefertigt werden müssen und unsere Produkte hierbei zum Einsatz kommen.
Wir vermissen aber ganzheitliche Studien, die von der Herstellung aller Fahrzeugkomponenten bis hin zur Entsorgung die Umwelteinflüsse von E-Mobilen bilanzieren und besagen, dass diese ökoeffizienter sind als herkömmliche Antriebstechnologien. Warum diskutieren wir nicht auch über sogenannte Environmental Fuels (E-Fuels), die klimaneutral hergestellt werden können, sogar unter Einsatz von CO2? Dadurch erhielten wir den weltweiten Flottenbestand, weil die Fahrzeuge nicht durch E-Mobile ausgetauscht werden müssen. Auch müssen wir die sozialethischen Risiken, die mit dem Abbau der Rohstoffe für die Batterien verbunden sind, stärker berücksichtigen. Ich frage mich, wie diese überhaupt mit dem Lieferkettengesetz in Einklang zu bringen sind.
E-Mobilität ist ein wichtiger Baustein, um den Klimawandel zu bekämpfen, aber sie ist nicht der alleinige Lösungsweg, um den CO2-Ausstoß im Automobilsektor zu senken. Elektrische Antrieb ja, eben da wo nachhaltig sinnvoll. Mir fehlt in der ganzen Debatte die notwendige Technologieoffenheit.
Nachhaltigkeit als Treiber für Innovation: Schon früh hat sich Ihr Unternehmen Gedanken zum Umweltschutz gemacht. Daraus hat sich Ihre Sparte Industrie- und Tanktechnik entwickelt. Welche Produkte und Geschäftsfelder haben Sie noch dem Fokus auf Nachhaltigkeit zu verdanken?
Janz: Nachhaltigkeit ist längst ein Qualitätsmerkmal unserer Produkte und Dienstleistungen! Welche Einflüsse haben unsere Produkte und unsere Geschäftstätigkeit? Wo sind die größten Nachhaltigkeitsrisiken innerhalb unserer Wertschöpfungskette, und was können wir besser machen? Mittlerweile sind wir so weit, dass wir Nachhaltigkeit in allen Unternehmens- und Produktbereiche integrieren.
Schon vor über 20 Jahren haben wir zum Beispiel das sogenannte Fluidmanagement, also die Dienstleistung am Schmierstoff, am Markt eingeführt und waren hier Vorreiter. Das ist ein klassisches Thema der Ressourcenschonung. Durch die Pflege der Kühlschmierstoffe bleiben sie qualitativ hochwertig und können länger im Prozess verwendet werden. Dadurch verringert sich wiederum die Entsorgungsmenge und Prozesssicherheit beim Kunden. Wurden wir früher hierfür von der Branche eher belächelt, haben das unsere Marktteilnehmer inzwischen auch eingeführt.
Allerdings setzen wir im Gegensatz zu anderen Unternehmen auf unser eigenes Fachpersonal, das mit unseren Kunden in diesem Bereich zusammenarbeitet. Wir setzen dafür keine Subunternehmen ein. Unter Fluidmanagement 4.0 bieten wir unseren Kunden eine digitale Lösung an.
Herr Janz, Sie sind Sprecher der Nachhaltigkeitsinitiative der deutschen Schmierstoffindustrie, die Bantleon mitinitiiert hat. Was ist das Ziel der Initiative?
Janz: Wir wollen innerhalb der Initiative eine Strategie bzw. einen Leitfaden für unsere Branche entwickeln, mit welcher wir transparent nach außen zeigen, welchen Beitrag wir in Sachen Nachhaltigkeit leisten. Denn viele wissen gar nicht, was wir etwa im Bereich Ökologie bereits unternehmen. Unser Portfolio hat das übergeordnete Ziel, Reibung und Verschleiß zu vermindern, wodurch wir die Langlebigkeit von Produkten und Prozessen sicherstellen. Alles, was über lange Zeiträume im Prozess gehalten werden kann und nicht permanent erneuert werden muss, schont Umwelt und Ressourcen.
Herr Janz, herzlichen Dank für das Gespräch!