Arbeiten übermorgen: Wenn Maschinen zu Kollegen werden
Roboter werden zu Arbeitskollegen, die Organisation als solche wird sich auflösen, jeder arbeitet von wo aus er will. Das sind nur 3 der 25 Thesen zu den Megatrends digitaler Arbeit der Zukunft, einer Studie der Telekom in Zusammenarbeit mit der University of St. Gallen. Unsere Arbeitswelt ist im steten Wandel. Digitalisierung und Mobilisierung machen viele Prozesse einfacher, schneller und effektiver, aber auch überflüssig oder komplexer. Im Zuge der immer weiter voranschreitenden Digitalisierung muss Arbeit zukünftig neu organisiert werden, doch was bedeutet das für die Praxis?
24.10.2017
Die Studie „Arbeit 4.0“ befragte weltweit 60 Experten zu den Trends digitaler Arbeit und verglich die historische Entwicklung der Industriellen Revolution bis zum heutigen Zeitpunkt mit der erwarteten Entwicklung der Zukunft. Fazit der Studie: Unsere Arbeitswelt wird sich durch die Digitalisierung enorm verändern, und Personalverantwortliche sollten schon heute auf diese Veränderung reagieren und handeln.
Die Veränderungen werden nicht langsam und schleichend stattfinden, da ist sich Christian P. Illek, Personalvorstand der Deutschen Telekom AG, sicher. Aus den Meinungen der Experten geht sogar klar hervor, dass die Neustrukturierung unserer zukünftigen Arbeitswelt so weit geht, dass sie die „Auflösung der Organisation“ zur Folge haben wird. Für den Arbeitsalltag bedeutet das, dass physische Büros nur noch temporäre Ankerpunkte sind, die dem Netzwerk dienen.
Gearbeitet und geführt wird von jedem Ort auf der Welt. Viele Prozesse unterschiedlicher Unternehmen werden im Back-End geteilt. Die Grenzen zwischen den Unternehmen verschwimmen, sodass Arbeitsplätze ohne eindeutige organisationale Zugehörigkeit und Produkte ohne eindeutigen Absender entstehen. Hochqualifizierte Fachkräfte werden sich zukünftig firmenübergreifend in Communities austauschen. Ihre Solidarität gilt mehr den weltweiten Special Interest Communities, als der eigenen Firma. Klassische Hierarchien lehnen sie ab.
Neben dem weltweiten Zugriff auf Fachkräfte werden Unternehmen zunehmend auf ihre eigenen Kunden als „kostenlose“ Arbeitsquelle zurückgreifen. Die Crowd wird zum Teil der Wertschöpfung, die Grenzen zwischen Innen und Außen fließender. Diese freiwillige digitale Arbeit könnte häufig professionelle Beschäftigungen ersetzen. Das klassische Arbeitsverhältnis entwickelt sich zum Arbeitseinsatz. Um eine solche Organisation zu leiten, werden komplexe IT-Systeme standardisierte Abläufe und Organisationsformen vorgeben. Es wird effektiver sein, die Organisation an die Software, als die Software an die Organisation anzupassen. Ein gutes Beispiel für eine solche bereits stattfindende Entwicklung ist das „agile working“. Dabei strukturiert sich ein Unternehmen weg von klassischen Hierarchien und steifen Prozessstrukturen, hin zum Empowerment der Mitarbeit und einer schnelleren Reaktionsmöglichkeit auf Veränderungen.
Maschinen als Kollegen
Maschinen werden immer intelligenter. Die Rechnerleistung von Computerchips verdoppelt sich alle 18 Monate und dieser Verlauf ist exponentiell. Um auch zukünftig die Beschäftigungsfähigkeit der Menschen zu sichern, wird sich die Arbeitsleistung des Menschen vom Ausführen zum Überwachen wandeln. Während Maschinen selbstständig die Arbeit verrichten, kontrolliert der Mensch und greift nur im Notfall ein. Die Maschinen werden zu Kollegen, Kooperationspartnern und Kontrolleuren. So manche Arbeit wird wegfallen, vor allem einfache Tätigkeiten. Denkleistungen, die Maschinen noch nicht übernehmen können, werden zukünftig in immer kleinere Teilbereiche gegliedert und durch die digitale Crowd erledigt. So werden Cloud- und Crowdworking zum Übergangsphänomen. Digitale Datenleser, also Menschen, die die Fähigkeiten besitzen, Big Data sinnhaft zu kombinieren und zu interpretieren, werden zu Schlüsselfiguren der digitalen Arbeitswelt. Das eröffnet den sogenannten „Nerds“ den Weg in die oberen Etagen. Frühreife App-Tüftler und Datenexperten werden zum disruptiven Wandel der Unternehmenskulturen erheblich beitragen.
Neben den Nerds werden auch kreative Menschen mit unternehmerischen Skills gefragt sein, die die Steuerung der Maschinen entsprechend beherrschen. Dabei wird von ihnen erwartet, dass sie nicht nur die kreative und geistige Leistung erbringen, sondern diese auch materiell umsetzen. Ein signifikantes Wachstum werden auch Tätigkeiten mit unmittelbarer menschlicher Interaktion, wie Erzieher und Lehrer erfahren, welche in Hochlohnländern deutlich aufgewertet werden. Bei allen gilt Selbstmanagement als Kernqualifizierung.
Gearbeitet wird von jedem Ort auf der Welt und zu jeder Zeit. Beruf und Freizeit verschwimmen. Das macht eine flexible Familienplanung möglich, birgt aber auch neue Risiken und Herausforderungen, wie die Belastung, „always on“ zu sein. Durch die neue und extrem hohe Flexibilität der Arbeitsverhältnisse werden auch soziale Gruppen in den Arbeitsmarkt integriert, die sonst dem klassischen Arbeitsverhältnis nicht zur Verfügung stünden.
Herausforderung für Führung und Organisation
Die Rolle des Vorgesetzten ändert sich vom Kontrolleur zum „Fell-Good-Manager“ der Arbeitnehmer. Gearbeitet wird überall, nur nicht mehr am Unternehmens-Schreibtisch. Das wird ein Umdenken bei den Führungskräften erfordern. Sie werden zukünftig mehr motivieren als kontrollieren und lernen müssen, Beziehungen über technische Kanäle zu entwickeln und zu pflegen.
Für die standardisierten Tätigkeiten ist ein hohes Maß an Gamification gefragt. Es wird Aufgabe des Arbeitsgebers sein, spielerische Designprinzipien in standardisierte IT-Anwendungen zu integrieren, um das Bedürfnis der Mitarbeiter nach Ablenkung und Belohnung zu befriedigen. Durch die sich immer weiter auflösende Verbindung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wird es für die HR eine Herausforderung sein, den Arbeitsplatz so attraktiv zu gestalten, dass qualifizierte Mitarbeiter sich dauerhaft an das Unternehmen binden. Persönliche Bewerbungen werden überflüssig. Digitale Arbeitskräfte werden zu anonymen Datenpaketen, bei denen Zahlen verglichen werden. Die Auswahl erfolgt weniger intuitiv, als nach einem einfachen Suchalgorithmus. Alter, Geschlecht und Herkunft spielt keine Rolle mehr, was zählt sind harte Fakten wie Berufsjahre, Abschlüsse und Berufserfahrungen. Kleine Abweichungen vom Optimum können dadurch aber auch sehr gute Arbeitnehmer aus dem Suchraster fallen lassen.
Das Büro der Zukunft ist durch Sensoren in der Lage, Daten und Informationen aller Prozesse und damit auch Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Hier gilt es, Effizienz gegen Ethik abzuwägen. Für das Personalmanagement bedeutet das ein Handeln im Heute und ein Gestalten im Morgen. Durch die schnell voranschreitende technische Entwicklung müssen Führungskräfte sowohl im Jetzt, als auch schon für zukünftige Geschäftsfelder gleichermaßen agieren.